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Innenpolitik

Demonstrant­Innen legen sich Stadträten in den Weg

Von Kurt Riese | 01.11.2009

So titelte die Stuttgarter Zeitung am 18. September ihren Bericht über eine der Aktionen, die im Rahmen des bundesweiten dezentralen Aktionstages am 17. September „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ in Stuttgart durchgeführt wurde.

So titelte die Stuttgarter Zeitung am 18. September ihren Bericht über eine der Aktionen, die im Rahmen des bundesweiten dezentralen Aktionstages am 17. September „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ in Stuttgart durchgeführt wurde.

Zahlreiche Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen haben sich in Stuttgart zu einem regionalen Bündnis zusammengeschlossen und am 17. September während des ganzen Tages verschiedene Aktionen in der Stuttgarter Innenstadt durchgeführt. Eine der Spektakulärsten fand vor und im Stuttgarter Rathaus statt.

Zunächst hatten sich die DemonstrantInnen vor dem Rathaussaal versammelt, um gegen die von Oberbürgermeister Schuster Anfang August wegen der erwarteten Steuerausfälle überfallartig angekündigte Haushalts- und Stellenbesetzungssperre zu protestieren. Redner kündigten u. a. Widerstand gegen die geplante Privatisierung des Reinigungsdienstes am Klinikum an. Dabei wurde in verschiedenen Redebeiträgen Bezug auf das Milliardenprojekt „Stuttgart 21“ genommen. Bürger und städtische Beschäftigte würden jetzt zur Kasse gebeten, während das Projekt Stuttgart 21 (S 21) von der Stadt und großen Teilen des Gemeinderats nicht in Frage gestellt werde. Pfiffe gab es dann insbesondere für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen, die mit ihrer Ablehnung von Stuttgart 21 einen überraschend großen Erfolg bei der Gemeinderatswahl eingefahren hatten. Dessen Ankündigung, die Grünen würden in der Gemeinderatssitzung der Haushaltssperre zustimmen, quittierten die Demonstrant­­Innen mit Rufen „Verräter“.
Teuer und überflüssig
Bei dem Projekt S 21 geht es nämlich nicht um die Verbesserung des Schienenverkehrs, sondern um die profitable Verwertung von 100 ha Gleisfläche durch Immobilienhaie, Banken, Baukonzerne und die Industrie. Würde die Stadt aus dem Projekt aussteigen, und der Bahn das gekaufte Gleisgelände wieder zurückgeben, müsste die Bahn sofort 460 Millionen Euro an die Stadtkasse zurückzahlen. Allein dadurch könnte die ganze Kürzungsdebatte in Stuttgart beendet werden. Gleichzeitig flössen weitere 162,6 Millionen Euro in den Haushalt der Stadt zurück, die in einem Risikofonds für etwaige Baukostensteigerungen sowie in Projektrückstellungen für die Regionsbeteiligung und die Anbindung des Flughafens Stuttgart stecken. Die Verlegung von Stadtbahnlinien inklusiv zweier neuer Stadtbahnhaltestellen für 70 Millionen Euro, die Verlegung der Neckar-Realschule für 12,7 Millionen Euro, Schallschutz- und Stabilisierungsmaßnahmen am Königin-Olga-Stift in Höhe von 8 Millionen Euro, die Verlegung des Zentralen Omnibusbahnhofs für 4 Millionen Euro sowie eine Reihe weiterer Ausgaben würden dann ebenfalls überflüssig. Dies alles wurde angesichts drohender Einschnitte in dringend erforderliche Investitionen der Stadt (z. B. bei der Schulhaussanierung) sowie der drohenden Einsparorgien beim Personal noch einmal in Erinnerung gerufen.
Querlegen
Noch vor Beginn der ersten Sitzung des neu gewählten Gemeinderats blockierten dann ca. dreißig Stuttgart-21-Gegner­­Innen die Zugänge des Sitzungssaals. Sie legten sich auf den Bauch und auf ihrem Rücken stand zu lesen:

  • • 30 Minuten Bedenkzeit
  • Stuttgart 21 Nicht auf unserem Rücken
  • Wir zahlen nicht für Eure Krise
  • Wir zahlen nicht für Euren Größenwahn!

Die Aktion war auf 30 Minuten begrenzt und lief als „Aktion des zivilen Ungehorsams“. Im Vorraum des Sitzungssaals standen zusätzlich noch etwa 150 Menschen, die Beiträgen von ver.di-Kolleg­­Innen gegen die angekündigte Haushaltssperre zuhörten.

Wenigen Stadträten war das zu viel. Zeitverzug bei ihrem Beschluss gegen die Mehrheit der Bevölkerung und die Beschäftigten der Stadt wollten sie nicht aufkommen lassen. So trampelten sie ohne große Rücksicht auf die am Boden liegenden Menschen mit ihren Sitzungsunterlagen in Richtung zweier Saaleingangstüren. Der Gemeinderat stimmte dann gegen die Stimmen der Fraktionsgemeinschaft SÖS (Stuttgart Sozial und Ökologisch)/Linkspartei (mit Tom Adler) der Haushaltssperre zu.

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