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Innenpolitik

Deeskalation mit Polizeistaatsmethoden

Von Claudio Reiser | 01.07.2007

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Nicht nur die Stadt Rostock, sondern das ganze Umland glich vor und während des G8-Gipfels von Heiligendamm einer von Polizeitruppen besetzten Region. Insgesamt waren mehr als 16 000 Polizeikräfte aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen, unter ihnen berüchtigte Einheiten, wie die bayerische USK, deren Funktion es ist, Demos und Kundgebungen zu attackieren und vermeintliche Vermummte zu greifen und festzunehmen. Diese Truppe war schon des öfteren bei Demonstrationen in München im Einsatz, ob bei antifaschistischen Demos oder auch bei der Demo gegen die alljährlich stattfindende „NATO-Sicherheitskonferenz“.

Nicht nur die Stadt Rostock, sondern das ganze Umland glich vor und während des G8-Gipfels von Heiligendamm einer von Polizeitruppen besetzten Region.

Insgesamt waren mehr als 16 000 Polizeikräfte aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengezogen, unter ihnen berüchtigte Einheiten, wie die bayerische USK, deren Funktion es ist, Demos und Kundgebungen zu attackieren und vermeintliche Vermummte zu greifen und festzunehmen. Diese Truppe war schon des öfteren bei Demonstrationen in München im Einsatz, ob bei antifaschistischen Demos oder auch bei der Demo gegen die alljährlich stattfindende „NATO-Sicherheitskonferenz“. Ferner gab es da eine Berliner Einheit, die Hundertschaft 21, die sich durch besondere Brutalität bei den Auseinandersetzungen am Rande der Kundgebung am 2. Juni hervortat.

Und immer standen auch die Wasserwerferbatterien zum Einsatz bereit, die mit ihrem Wasser-Tränengasgemisch zum ersten Mal bei der Demonstration am 02. Juni mit über 80 000 Teilnehmenden eingesetzt wurden, danach mehrmals auch gegen Blockaden, während des Gipfeltreffens in der Nähe des Flughafens und auch am Zaun von Heiligendamm.
Die Polizei sprach fortwährend von Deeskalation und betrieb in Wahrheit meistens das Gegenteil. Alle Proteste wurden von einem riesigen Aufgebot von martialisch aussehenden Polizeikräften begleitet, die meistens Kampfrobotern glichen. Dieses Auftreten diente der Einschüchterung und der Abschreckung von Protestierenden oder auch ihrer Zermürbung.
Wanderkessel
Hier nur ein paar Beispiele: Am Abend der Großdemonstration bei der Hunderte von DemonstrantInnen verletzt und festgenommen wurden, zogen vom Camp Rostock mehrere Hundert in Richtung der im Polizeijargon so genannten „GeSa“(Gefangenen Sammelstelle) in der Rostocker Industriestraße und wurden dann von der Polizei mit Wasserwerfern bedroht und wieder in das Camp zurückgetrieben. Die Polizei marschierte vor dem Camp auf und bedrohte den Eingang des Camps stundenlang mit den Wasserwerfern. Die ganze Nacht über kreiste ein Polizeihubschrauber über dem Camp.
Auch in den Tagen danach wurden BewohnerInnen des Camps beim Verlassen oder bei der Rückkehr ins Camp immer wieder willkürlich festgehalten, einige davon stundenlang aus nichtigen Gründen. Oft genügte das Tragen schwarzer Kleidung oder Kapuzenpullis, um als verdächtig zu erscheinen.

Auch bei den Aktionstagen überall das gleiche Bild, ob es um die globale Landwirtschaft oder gegen Krieg und Militarismus ging, immer gab es auf allen Plätzen, die als Kundgebungsplätze angemeldet wurden, ein Riesenaufgebot von Polizei und in den Nebenstraßen standen die Wasserwerfer bereit. Besonders übel wurde dann auch den MigrantInnen mitgespielt. Zu der Demonstration für das Recht auf globale Bewegungsfreiheit waren 10 000 gekommen. Der Platz der Auftaktkundgebung an einem Flüchtlingslager war von massiven Polizeikräften eingekreist und mehrere Wasserwerfer stellten sich der Demonstration in den Weg und auch im Rücken der Demonstration wurden Wasserwerfer aufgefahren. Erst nach mehr als einer Stunde konnte durch Verhandlungen mit der Polizei erreicht werden, dass diejenigen, die den Anfang der Demonstration bildeten nicht länger durch Wasserwerfer bedroht wurden und losgehen konnten. Immer wieder wurde die Demonstration, die sich fast die ganze Zeit als „Wanderkessel“ bewegen musste, von der Polizei gestoppt und mit der fadenscheinigen Begründung, es seien Hunderte von Vermummten im Demozug, am Marsch durch die Rostocker Innenstadt gehindert.
Besonnene DemonstrantInnen
Nur der überaus besonnenen Vorgehensweise der OrganisatorInnen war es zu verdanken, dass der Polizei keinerlei Anlass gegeben wurde gegen die Demonstrationsteilnehmer offensiv vorzugehen, Provokationen von den aufmarschierten Polizeikräften gab es jedoch während der ganzen Demonstration.

Nur kleineren Gruppen der 10 000 Demonstrierenden gelang es überhaupt zur Abschlusskundgebung am Hafen zu kommen, denn die Polizei hatte alle Straßen dichtgemacht und viele am Weitergehen gehindert.

Bei der Ankunft von Bush sollte eine Kundgebung in einem Ort in der Nähe des Rostocker Flughafens stattfinden. Bei der Ankunft der KundgebungsteilnehmerInnen am nahe gelegenen Bahnhof, war dieser von Hunderten von Polizeikräften in Kampfmontur besetzt und erst nach Vorzeigen des Passes und gründlicher Kontrolle der Kleidung und des mitgeführten Gepäcks konnten mehrere Hundert Protestierende den Bahnhof verlassen, jedoch der Shuttle zu dem Kundgebungsort wurde unmöglich gemacht. Der Shuttle-Bus wurde stundenlang festgehalten. Anderen, die gegen die Ankunft von Bush protestieren wollten, erging es noch schlimmer, ihr Bus wurde festgehalten und die Insassen wurden in die „GeSa“ gebracht und erkennungsdienstlich behandelt und stundenlang dort in den Drahtkäfigen festgehalten.

Alle diese Aktionen waren angemeldet und genehmigt, aber in diesen Tagen der Proteste gegen die G8 waren offensichtlich in Rostock und Umgebung Demonstrationsrecht und Versammlungsfreiheit faktisch außer Kraft gesetzt. Polizeilicher Willkür und auch massiven Übergriffen von Seiten der Polizei waren Tür und Tor geöffnet. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein(RAV) hat viele Fälle dokumentiert und in einigen Fällen auch Strafanzeige gegen die Polizei erstattet.
Viele junge und vor allem weniger demonstrationserfahrene Teilnehmende an den Protesten waren von dieser Machtdemonstration des bürgerlichen Staates erschüttert, denn sie hatten gehofft, dass sie ihren Protest gegen die menschenverachtende Politik der G8-Staaten vorbringen könnten und nicht mit dieser Polizeirepression zu rechnen hätten.

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