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Länder

Das Recht zu schweigen

Von Dimitri Tolov | 01.02.2011

Die US-Depeschen, die Wikileaks veröffentlichte, beschäftigten für einige Wochen die Welt. Neues erfahren hat Mensch dabei wenig. Dass in Afghanistan ZivilistInnen ermordet werden und dass Guido Westerwelle inkompetent ist, dürfte wohl kaum überraschen. Doch Wikileaks hat noch anderes in petto – Dokumente über die die bürgerliche Presse geschickt schweigt.

Die US-Depeschen, die Wikileaks veröffentlichte, beschäftigten für einige Wochen die Welt. Neues erfahren hat Mensch dabei wenig. Dass in Afghanistan ZivilistInnen ermordet werden und dass Guido Westerwelle inkompetent ist, dürfte wohl kaum überraschen. Doch Wikileaks hat noch anderes in petto – Dokumente über die die bürgerliche Presse geschickt schweigt.

Am 11. April 2009 fand im Gebiet Kunduz, für dessen Sicherheit die Bundeswehr zuständig ist, eine Feier für die Afghanische Polizei statt. Organisiert wurde diese von dem US-amerikanischen Söldnerunternehmen DynCorp, das in Kooperation mit den NATO-Streitkräften Schulungsaufgaben übernimmt.
Feiern mit Kinderprostituier­ten auf Kosten des Westens
Dabei gab es, wohl zur Hebung der allgemeinen Moral, einen sehr besonderen Zusatzservice. Es handelte sich laut Berichten der britischen Zeitung „Guardian“ um eine „Bacha Bazi“-Feier. „Bacha Bazi“, auf Persisch etwa „Spielen mit Jungen“, ist eine afghanische Tradition aus der Zeit der Stammesgesellschaft. Jungen im Alter von etwa 12 Jahren werden geschminkt und müssen auf Feiern in Frauenkleidern für die Mächtigen ihrer Zeit tanzen. Danach werden sie für die Nacht an den Meistbietenden versteigert. Dementsprechend heißt es in einer Depesche der US-Botschaft in Kabul vom 24. Juni 2009 über die Folgen der Feier:
„The crime he was pursuing was „purchasing a service from a child,“. Übers.: Das Verbrechen, das er [Hanif Atmar, der Afghanische Innenminister] verfolgte, sei „der Kauf von Dienstleistungen von einem Kind“, gemeint sind sexuelle Dienstleistungen, was jedoch auf diplomatischem Parkett nicht ausgesprochen wird. Doch damit nicht genug. Weiter heißt es: „He was convinced that the Kunduz incident, and other events where mentors had obtained drugs, could not have happened without Afghan participation.” Übers.: Er [wiederum Atmar] ist überzeugt, dass der Kunduz-Vorfall und andere Ereignisse [!], bei denen Mentoren Drogen erhalten hatten, nicht ohne Afghanische Unterstützung hätten stattfinden können.

Was hier diplomatisch verschönt ausgedrückt wird: DynCorp-Mitarbeiter haben Afghanischen Polizisten nicht nur Kinderprostituierte, sondern auch Drogen angeboten. Dabei kommt DynCorp nicht zum ersten Mal mit Kinderprostitution in Kontakt. Bereits in 1999 in Bosnien wurde bekannt, das Mitglieder von DynCorp über Jahre mit Kinderprostituierten gehandelt hatten. Außerdem tauchte ein Video des bosnischen DynCorp-Supervisor auf, in dem dieser zwei Frauen vergewaltigte. Doch all das hielt die US-Regierung nicht davon ab, die Dienste von DynCorp weiterhin in aller Welt in Anspruch zu nehmen, sodass etwa 95% der Profite des Konzerns aus Staatsaufträgen stammen. Selbstverständlich geht es den Statthaltern der NATO jedoch nicht etwa um Aufklärung der Verbrechen, sondern:
„[…] he worried about the image of foreign mentors.“ „Er[Atmar] sorgte sich um das Image der ausländischen Mentoren im Land.“ Denn es wäre ja auch schrecklich, wenn wegen ein bisschen Menschen- und Drogenhandel das Ansehen des Westens in Afghanistan Schaden nehmen würde. Die Depesche ist nachzulesen unter: http://www.guardian.co.uk/world/us-embassy-cables-documents/213720
US-amerikanisch-deutsche Spionage mit Steuergeldern
Im Jahr 2009 wurde ein ehrgeiziges Satellitenprojekt vorgestellt. HiROS (High Resolution Optical System), ein gemischtes amerikanisch-deutsches Projekt sollte sehr detailliert weltweit Bilder liefern. Offiziell ein Public-Private-Partnership-Projekt zur Frühwarnung bei Umweltkatastrophen, Suche nach Schiffbrüchigen. Der geplante Beitrag der Bundesrepublik lag in dreistelliger Millionenhöhe und soll nun doch nicht gezahlt werden, nachdem Wikileaks die Natur des Projekts öffentlich machte. Allein der Titel einer Depesche spricht Bände:

„BND lobbying Merkel and USG on satellite reconnaissance cooperation“ „Die Lobby-Bemühungen des BND bei Merkel und der US-Regierung zum Satellitenüberwachungsprogramm“. Darin heißt es dann weiter: „The „primary customer“ referred to by Eckardt is the German intelligence service (BND). […] Eckardt said the BND only anticipates needing about 30 percent of the German systems capacity and explained that the remaining 70 percent could be available for US customers.” „Der wichtigste Kunde sei laut Eckardt der Deutsche Geheimdienst (BND). Eckardt sagte, der BND benötige nur etwa 30 Prozent der Kapazität des deutschen Systems und erklärte, die restlichen 70% seine für US-Kunden verfügbar [gemeint sind in erster Linie Geheimdienste]“

Deutlich bewiesen wird hier, wie an den Augen der Öffentlichkeit vorbei ein Überwachungssystem aufgebaut werden soll. So schreitet die technologische Totalüberwachung weiter voran und Widerstand dagegen wäre nötiger denn je. Wikileaks liefert wieder einmal stichhaltige Beweise, was für die politische Überzeugungsarbeit ein wichtiges Werkzeug ist.

Quellen:
http://www.huffingtonpost.com/david-isenberg/its-dj-vu-for-dyncorp-all_b_792394.html
http://blogs.houstonpress.com/hairballs/2010/12/wikileaks_texas_company_helped.php

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