Das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI) steckt in der Krise

Ein Redner auf der Sommerschule des CWI im Jahr 2010. Foto: Jente Somers, Zomerschool 2010 10, CC BY-NC 2.0

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Internationale der deutschen SAV

Das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI) steckt in der Krise

Von Manuel Kellner | 27.07.2019

Dem Vernehmen nach könnte der CWI, eine internationale Organisation, die in trotzkistischer Tradition steht, eine Spaltung drohen. Dem Vernehmen nach – und damit fängt das Problem schon an. Wir sind angewiesen auf „geleakte“ interne Dokumente im Internet, darauf basierende Presseartikel anderer linker Gruppen im englischsprachigen Raum und eine Art Kremlastrologie. Denn das CWI (Committee for a Workers’ International) stellt die aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten nicht öffentlich zur Diskussion. In Deutschland gehört die SAV zum CWI.

Die CWI wurden 1974 gegründet

Das Committe for a Workers’ International (CWI) oder Komitee für eine Arbeiterinternationale (KAI) ist im April 1974 in London gegründet worden. Die Mitgliedsorganisationen dieser internationalen Strömung, deren zentrale Organisation viele Jahre lang die britische „Militant Tendency“ war, betrieben bis Ende der 1980er Jahre „entryism“ oder „Dauer-Entrismus“ in sozialdemokratischen Parteien und deren Jugendverbänden.

1990/91 vollzog eine Mehrheit des CWI nach dem Vorbild des „Scottish Turn“ von Scottish Militant Labour (SML) einen „Open Turn“ und bildete selbständige Organisationen bzw. Parteien wie „Militant Labour“ in England und Wales (ab 1997 „Socialist Party“), die LSP/PSL in Belgien oder die Sozialistische Linkspartei (SLP) in Österreich.

Eine Minderheit in Großbritannien und im CWI mit dem langjährigen führenden Kopf von „Militant“ Ted Grant an der Spitze bekämpfte diese Wende, wurde aus dem CWI ausgeschlossen ab und bildete die „International Marxist Tendency“ (IMT). Ihr gehören in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Organisationen an, die sich „Der Funke“ nennen.

Doch zurück zum CWI. Ihre stärkste nationale Organisation ist die „Mutterpartei“ Socialist Party. In den 80er Jahren, als ihre Mitglieder noch in der Labour Party arbeiteten, damals als Militant-Strömung, erwarb sie sich großes Ansehen u.a. durch den Kampf gegen Margret Thatchers Poll tax (Kopfsteuer).

Peter Taaffes Vorwurf der Identitätspolitik

Im Internet verfügbar ist insbesondere ein 12seitiger Text von Peter Taaffe (englisches Leitungsmitglied der CWI seit 50 Jahren) vom 15. Januar 2019 mit der Überschrift „In defence of a working-class orientation for the CWI“. Darin wird gleich eingangs schweres Geschütz aufgefahren: „…die CWI ist mit …Tendenzen zum kleinbürgerlichen Mandelismus (1) konfrontiert.“ Vor allem der irischen Organisation der CWI wirft Taaffe vor, zugunsten von „Identitätspolitik … die Notwendigkeit einer auf der Bewegung der Arbeiterklasse gründenden Organisation aufzugeben“.

Vor allem der irischen Organisation der CWI wirft Taaffe vor, zugunsten von “Identitätspolitik … die Notwendigkeit einer auf der Bewegung der Arbeiterklasse gründenden Organisation aufzugeben”.

Die Beispiele, die Taaffe anführt, sind nicht sehr sprechend und reichen nicht aus, sich ein Urteil zu bilden. Die irische Socialist Party ist die aktuell wohl profilierteste Organisation des CWI mit einiger Präsenz in den Bewegungen und einigen Parlamentsabgeordneten. Hat sie bei der Teilnahme an der Bewegung gegen die Kriminalisierung der Abtreibung dem „bürgerlichen Feminismus“ nachgegeben, weil sie nicht an die Gewerkschaften appellierte, diesen Kampf zu unterstützen? Hat sie analog dem „irischen Nationalismus“ nachgegeben? Auffällig in Taaffes Text ist, dass er sich oft auf angebliche Äußerungen „einzelner Genossen“ bezieht und keine Texte der irischen SP zitiert. Und was bedeuten solche Vorwürfe überhaupt?

„Dem Vernehmen nach“ war Taaffe auf einer Sitzung des breiteren internationalen Leitungsgremiums des CWI gegen Ende 2018 in die Minderheit geraten. Die Leitungen der griechischen und der US-amerikanischen Organisation des CWI etwa unterstützten die Ir*innen. Im engeren Leitungsgremium, dem Internationalen Sekretariat, hat Taaffe aber eine sichere Mehrheit, und mit ihr hat er prompt eine Fraktion gegründet, die auf den folgenden schönen Namen hört: „In defence of a working class Trotskyist CWI“, was wohl nicht übersetzt werden muss.

Die Führung duldet keinen Widerspruch

Die Organisationen des CWI kriegen einiges auf die Reihe und haben sich Verdienste erworben. Darum kann sich niemand freuen, wenn diese Organisation zerbrechen sollte. Doch das organisationspolitische Konzept und das Funktionieren der CWI ist nicht nachahmenswert. Klar, es gibt viel Effizienz, und lange Zeit funktionieren solche Organisationen wie gut geölte Maschinchen. Die Mitglieder sind aufopfernd aktiv. Sie kennen kein „vielleicht“ und kein „weiß nicht genau“. Formal ist intern alles demokratisch geregelt. Aber die Führung bleibt immer im Sattel und duldet faktisch keinen ernsthaften Widerspruch. Wenn Kontrollverlust droht, wird gespalten.

Die Organisationen des CWI kriegen einiges auf die Reihe und haben sich Verdienste erworben. Darum kann sich niemand freuen, wenn diese Organisation zerbrechen sollte.

Peter Taaffe und die CWI berieten in den 2000er Jahren mit den „kleinbürgerlichen Mandelisten“ darüber, ob und wie eine breitere antikapitalistische Kraft auf europäischer Ebene geschaffen werden könne. Der Autor dieses Textes war anwesend als Peter Taaffe dabei frei und souverän sprach. Er brachte die Leute mit Anekdoten zum Lachen. Im persönlichen Gespräch vermittelte er den Eindruck eines Menschen, der auch zuhören und zweifeln kann. Aber schon im Gespräch mit seinen unmittelbaren „Unterführer*innen“ bekam man nur gestanzte Phrasen zu hören. Damit werden keine selbständig urteilenden Revolutionäre erzogen.

Es ist notwendig, auf Augenhöhe zu sein

Ein pakistanischer Genossen, antwortete im Jahr 2010 auf die Frage, warum sich seine Organisation vom CWI abgewandt und der IV. Internationale zugewandt hatte (auch sie ja nicht mehr als eine kleine organisierte internationale Strömung) lachend. Es sei halt schon eine Erleichterung gewesen, nicht mehr mit Europäern – in diesem Fall Engländern – zu tun zu haben, die immer besser wissen, was in Pakistan zu tun sei.

Bei allen Schwächen, die die IV. Internationale hat: Ihre Stärke im Vergleich mit dem CWI und vergleichbaren Organisationen besteht darin, Genossinnen und Genossen auf internationaler Ebene zusammenzuführen, die auf Augenhöhe miteinander Positionen entwickeln – ohne eine Handvoll Führungsfiguren, die die marxistische Weisheit für sich gepachtet haben.

Dieser Artikel ist zuerst in der SoZ erschienen. Wir veröffentlichen ihn hier in leicht geänderter Version.

Fußnote
(1) Ernest Mandel (1923–1995) war das wohl bekannteste Mitglied der IV. Internationale. Einige seiner Schriften hatten in Deutschland recht hohe Auflagen, so die Marxistische Wirtschaftstheorie, Der Spätkapitalismus und die Einführung in den Marxismus. Es ist eine schlechte Gewohnheit von Sektenrivalität, dem Namen eines solchen Menschen einen «ismus» zu verpassen und den so geschaffenen Begriff als politische Invektive zu benutzen.

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