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Innenpolitik

Chancen und Grenzen der Occupy-Bewegung

Von Politisches Sekretariat des RSB | 01.11.2011

Wir sagen und schreiben es mit Freude: Die Occupy-Bewegung macht Mut. Die spontane Bereitschaft von Tausenden von Menschen, einem Protestaufruf zu folgen und auf die Straße zu gehen, bzw. sogar zu campen, gibt dem Widerstand gegen die herrschende Politik Auftrieb.

Dass eine solche Bewegung so schnell – quasi „über Nacht“ – in die Breite gehen kann und in der Bevölkerung auf ausgesprochen viel Sympathie stößt, ist der Tatsache geschuldet, dass die Krisenpolitik der Herrschenden ihren Kredit weitgehend verspielt hat. Auf die erneute Zuspitzung der Euro-Krise haben die Regierungen keine andere Antwort als weitere Milliarden für die Banken zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig die Sparpolitik, sprich die Kürzungen von Sozialleistungen zu verschärfen. Das treibt die Wut hoch, sogar in Deutschland, wo die Kürzungen noch vergleichsweise zurückhaltend sind. Aber die meisten Menschen ahnen, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann. Die Handlungsunfähigkeit gegenüber der Krise und speziell die Handlungsunwilligkeit gegenüber der Macht der Banken fördert den Protest und das Aufbegehren auch bei Menschen, die noch nie in ihrem Leben demonstriert haben. Von daher auch der große Zuspruch für Parolen wie „Schranken für die Banken“, aber auch für Enteignungsforderungen, wenn sie in Diskussionen oder auf Kundgebungen vorgetragen werden.

Die Freude darüber, dass die Zeit des passiven Hinnehmens immer neuer Zumutungen nun auch in Deutschland anscheinend vorbei ist, ist deutlich spürbar. .Aber Freunde und – mögliche – Enttäuschung liegen nahe beieinander, sollten die gerade aktiv Gewordenen trotz aller Anstrengung mit ihrem Engagement keine Wirkung bei den Herrschenden erzielen.
Diesem Aufbruch von Menschen, die sich bisher noch nie politisch engagiert hatten, entspricht auch die neue Aktionsform: Zeltlager vor der EZB in Frankfurt, neue, selbst gedichtete Songs (meist in Rap-Manier) usw. Angesichts einer weit verbreiteten Ablehnung von „Politikern“ ist es auch zunächst einmal verständlich, wenn diese neuen Aktiven versuchen, ihre Bewegung selbst zu bestimmen und sich gegen Vereinnahmungen zu wehren.

Auseinandersetzungen bereichern

An vielen Orten haben sie deswegen die Parole ausgegeben: Keine Parteifahnen, keine Parteitransparente, keine Rednerinnen von Parteien. In Frankfurt wollten die Initiatoren der Bewegung (bisher zumindest) noch nicht einmal Gewerkschaftstransparente sehen.

Diese Abwehrhaltung gegenüber allen Organisationen, die schon länger gegen die Krisenpolitik der Herrschenden aktiv sind, muss sich aber politisch lähmend für die weitere Entwicklung der Bewegung auswirken. Nur die politische Auseinandersetzung und gegenseitige Befruchtung innerhalb der Bewegung kann sie inhaltlich weiterbringen und auch ihre Basis verbreitern.

Noch gewichtiger ist eine andere, zumindest aktuelle Schwäche der Bewegung: Die meisten dort Aktiven (InitiatorInnen wie Demonstrierende) haben nur eine sehr diffuse Vorstellung von der möglichen Alternative zur herrschenden Politik. Denn es ist nicht die Unfähigkeit (oder vielleicht auch nur der Unwille) der gerade Regierenden, die für die Zuspitzung der Krise verantwortlich sind. Und es liegt auch nicht an der Gier der BankerInnen, wenn sie sich die Boni schnappen, die sie kriegen können. Es liegt an der Profitwirtschaft, an der kapitalistischen Warenproduktion und an der Existenz des Kapitals schlechthin, denn es verlangt seinem Wesen nach Verwertung und Vermehrung, koste es an Umweltzerstörung oder sozialem Kahlschlag was es wolle.

Leider haben diese „Neu-Aktiven“ in den allermeisten Fällen auch (noch) keine Vorstellung davon, wie ihre Aktionen die Schwelle des Protestes überwinden können und sich zu wirksamem Widerstand transformieren können. Die Analyse der herrschenden Gesellschaftsordnung lehrt uns, dass zur Aushebelung der Macht des Kapitals – oder auch nur zur ansatzweisen Zurückdrängung seiner zerstörerischen Wirkungen  – die Verwertungskette unterbrochen bzw. infrage gestellt werden muss. Dazu bedarf es massiver Streiks von vielen KollegInnen im Produktionsprozess bzw. an Stellen, die für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Infrastruktur von Bedeutung sind. Für diese Sichtweise und Erkenntnis muss die Occupy-Bewegung gewonnen werden, soll nicht schon in Kürze aufgrund mangelnder Erfolge der Katzenjammer sehr groß werden. Ein Rückschlag für diese Bewegung wäre auch ein Rückschlag für den Gesamtwiderstand gegen die herrschende Politik.

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