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Länder

Bundeswehr lernt Demonstrant­en töten

Von B.B. | 01.07.2011

Bei einer Demonstration der einheimischen Bevölkerung vor einem Stützpunkt der Bundeswehr in Talokan/Nordafghanistan wurden am 18. Mai zwölf Demonstranten ermordet und über 80 verletzt. Davon soll die Bundeswehr drei erschossen haben.

Bei einer Demonstration der einheimischen Bevölkerung vor einem Stützpunkt der Bundeswehr in Talokan/Nordafghanistan wurden am 18. Mai zwölf Demonstranten ermordet und über 80 verletzt. Davon soll die Bundeswehr drei erschossen haben.

Talokan ist die Hauptstadt der Provinz Tachar. In der Stadt hat die Bundeswehr nur vier Dutzend Soldat­Innen stationiert, führt aber das Kommando über die ISAF-Truppen der Provinz. Es war also kein Zufall, dass sich die Proteste der EinwohnerInnen gegen die Ermordung von vier Bewohner­Innen im nahen Dorf Kaumali durch ein US-Killerkommando gegen den örtlichen Stützpunkt der Bundeswehr richtete. Die vier getöteten Afghan­Innen waren Zivilist­Innen, so der Polizeichef von Talokan, der die Tötung verurteilte, von der die afghanischen Streitkräfte vorher nicht informiert gewesen seien.

Gegen die Morde demonstrierten erst 2000, dann 15 000 Menschen. Schüler griffen öffentliche Gebäude, Geschäfte und Autos an, riefen Parolen gegen die Regierung Karzai und gegen die ausländischen Truppen und warfen schließlich Steine (angeblich auch Brandsätze und Handgranaten) gegen die zentrale Polizei-Station und gegen den Bundeswehrstützpunkt. Nach Angaben von Demonstranten eröffnete die afghanische Polizei das Feuer. Deutsche Soldaten sollen den Stützpunkt verlassen und ebenfalls auf die Demonstrant­Innen geschossen haben.
Geheimer Untersuchungsbericht
Glaubwürdig ist die Darstellung des Zwischenfalls durch die Bundesregierung und die bürgerlichen Medien nicht. Laut Bundeswehr hatten ca. 100 Menschen an den Protesten teilgenommen. Vier Demonstranten seien getötet und zehn verletzt worden, als die afghanische Polizei Schusswaffen einsetzte. Die Bundeswehr hätte zunächst nur Warnschüsse abgegeben und dann auf die Beine von Gewalttätern geschossen. Dann hieß es, Soldaten hätten in drei oder vier Fällen auch auf Rumpf, Arme und Hände von Demonstranten gezielt. Nach Medienberichten soll die Bundeswehr für den Tod eines, schließlich von drei Demonstrant­Innen verantwortlich seien. Der Untersuchungsbericht und die Filme der Überwachungskameras werden vom Verteidigungsministerium geheim gehalten.

Noch 2007 galt die Provinz Tachar als relativ ruhig. Wenn vier Jahre später in Talokan 15 000 von 200 000 Einwohner­Innen gegen die Bundeswehr demonstrieren, dann zeigt das, wie sehr die AfghanInnen die Bundeswehr und die ISAF als ausländische Besatzungstruppen ansehen, ohne deren Schutz die Regierung Karzai keine drei Tage überleben würde.
Was, wenn?
Angenommen es kommt irgendwann in Deutschland zu einer Großdemonstration gegen ein rigides Kahlschlag- und Privatisierungsprogramm der Regierung – ähnlich wie in Griechenland: Jugendliche greifen öffentliche Gebäude an, schlagen Schaufensterscheiben von Geschäften an, stürzen Autos um, greifen die Polizei und eine Bundeswehrkaserne mit Molotowcocktails an. Schießt die Bundeswehr dann auf die Demonstrant­Innen? Das lernt sie gerade in Afghanistan!

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