TEILEN
Innenpolitik

Bundestagsdebatte über Bankenenteignung

Von B.B. | 01.04.2009

In der Sitzung des Bundestags vom 20. März 2009 ging es um die letzte Beratung des Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetztes, mit dem möglicherweise die Bank Hypo Real Estate enteignet wird.

In der Sitzung des Bundestags vom 20. März 2009 ging es um die letzte Beratung des Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetztes, mit dem möglicherweise die Bank Hypo Real Estate enteignet wird.

Das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG) wurde entworfen, um auf den Investor Flowers, der ein Viertel der Aktien der Bank Hypo Real Estate (HRE) kontrolliert, Druck auszuüben, damit er sein Aktienpaket an die BRD verkauft. Denn ohne 100%ige staatliche Kontrolle erscheint der Regierung die Rettung der HRE wegen hoher Folgekosten nicht möglich. Das FMStErgG soll in erster Linie die Banken retten, die zusammen 400 Milliarden Euro Forderungen an die HRE haben.
Die Angst der Herrschenden
Der Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers verbreitete bei der Bourgeoisie weltweit Angst und Schrecken. Die Bundesregierung verpflichtete sich international, keine große Bank oder Versicherung Pleite gehen zu lassen. Oder wie es ein SPD-Abgeordneter in der Bundestagsdebatte ausdrückte: „Bei einer systemisch relevanten Bank darf es keine Insolvenz geben (…). Das können wir angesichts der damit verbundenen Dominoeffekte nicht riskieren.“

Dies gilt auch für die „systemische“ Hypo Real Estate. Großaktionär und Finanzinvestor Flowers sträubt sich, seine fast wertlosen Aktien an die BRD zu verkaufen bzw. pokert um einen höheren Preis. Die Situation soll mit dem FMStErgG bewältigt werden, das Flowers mit Enteignung droht.

In der Bundestagsdebatte beschwor die SPD, dass die jetzige Krise keine Krise der Marktwirtschaft sei, sondern nur Auswuchs „unverantwortlichen Fehlverhaltens einiger Marktteilnehmer“. Entsprechend will die Sozialdemokratie – die staatstragendste Partei im Bundestag – nicht einzelne Finanzunternehmen schützen, sondern das Finanzsystem im Ganzen.

Selbst der CSU-Abgeordnete Albert Rupprecht warb für das FMStErgG, „um zu verhindern, dass aus der Finanzkrise eine Finanzkatastrophe wird. Ein Zusammenbruch der Hypo Real Estate wäre eine Bedrohung für das Zahlungssystem, für das Bankensystem in Deutschland, aber auch darüber hinaus für die gesamte Welt.“

Ein Bedrohungsszenario durch einen Zusammenbruch des Finanzsystems aufgrund einer Pleite der HRE ist real. Das erzeugt Panik in der herrschenden bürgerlichen Klasse, auch wenn es in einer Überproduktionskrise „normal“ sein sollte, dass (Finanz)Kapital vernichtet wird. Das  FMStErgG gilt nur bis zum 30. Juni 2009. Besorgt fragte ein SPD-Abgeordneter, wer denn garantiere, dass dann die Finanzmarktkrise beendet sei.
FDP für Verstaatlichung, aber gegen Enteignung
Die tiefe Krise des Kapitalismus zwang der Bundesregierung und dem Bundestag eine Diskussion über Enteignung auf, die sie überhaupt nicht wollten. Während sich CDU, CSU, SPD und Die Grünen in der Vorgehensweise im Wesentlichen einig waren, votierte die FDP gegen das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz. Sie, die den Finanzinvestor Flowers bat, zur Anhörung zu erscheinen, würde auch eine Insolvenz der HRE in Kauf nehmen. Wo der CDU-Abgeordnete Kampeter betonte „es geht um den Schutz vor Chaos“ und damit die Enteignungsoption rechtfertigte, wird für die FDP das Chaos mit der Enteignung erst heraufbeschworen.Die FDP sieht im FMStErgG ein „Enteignungsgesetz“, mit dem ein Tabu gebrochen werde. Ihr Abgeordneter Brüderle, u. a. Mitglied des Beirats der Deutschen Bank AG, bezeichnete das Gesetz als „einen Schlag gegen unsere Wirtschaftsordnung“ (…) „Sie haben einen Geist aus der Flasche gelassen, den Sie nur schwer wieder einfangen können“.
Diese Einwände sind nicht nur dem Wahljahr 2009 geschuldet, sondern drücken grundsätzliche Bedenken bei einer Minderheit der Bourgeoisie aus. Schließlich handelt es sich bei der Enteignung nicht um Eigentumshäuser kleiner Leute in einem Braunkohlegebiet, die den Interessen eines Energiekonzerns weichen müssen, sondern um eine Großbank, die nicht nur „systemisch“ für das Finanzsystem ist, sondern den Kapitalismus symbolisiert. Deshalb drang CDU-Innenminister Schäuble darauf, die Enteignung gesetzlich zu befristen. „Wir wollen nämlich nicht, dass dies ein Einfallstor für umfassende Enteignungsstrategien ist (CDU-MdB Kampeter).

Daher gilt den C-Parteien die Enteignung als „ultima ratio“ (letztes geeignetes Mittel), für das sie im Gesetzentwurf Bedingungen stellen: Vorher muss erstens der Hauptaktionär eine Kapitalerhöhung verweigern und zweitens der Staat über eine Kapitalerhöhung eine Aktienmehrheit anstreben. Sind drittens die Minderheitsaktionäre nicht bereit, ihre Aktienpakete zu entsprechenden Kursen an den Staat zu verkaufen, kann dieser enteignen. 

In diesem Sinne legte der CDU-Abgeordnete Dautzenberg (CDU), ebenfalls selbstständiger Unternehmensberater, während der Bundestagsdebatte Wert auf den Unterschied zwischen „Verstaatlichung“ und „Enteignung“. Nach dem FDP-Abgeordneten Solms, Mitglied des Beirats eines Politik-Wirtschaft-Beratungsunternehmens, ist die FDP grundsätzlich gegen Enteignung, aber für Verstaatlichung: „Es muss klar sein, dass der Staat zwar verstaatlichen kann – verstaatlichen ist etwas anderes als enteignen –, aber durch ein Instrument, welches in unserer Rechtsordnung, nämlich im Privatrecht, angelegt ist: durch Kapitalerhöhung unter Ausschluss der Bezugsrechte der Altaktionäre. So kann man vorgehen, und so muss man vorgehen.“ Damit die Bundestagsparteien an einer Enteignung der Hypo Real Estate vorbeikommen, flehte der CSU-Bundestagsabgeordnete Rupprecht, auch er ein selbstständiger Unternehmensberater, den Großaktionär der HRE an: „Zum Anstand gehört auch, dass Aktionäre in dieser Krisenzeit (…) eine angemessene Lösung mittragen. Ich möchte hier sagen: Herr Flowers, darum bitten wir insbesondere Sie ganz ausdrücklich“.

Was kommt nach einer Enteignung? Für den SPD-Abgeordneten Krüger ist „unser Ziel (…) selbstverständlich nicht, dass der Staat den Banker spielt. (…) Die möglichst rasche, die möglichst einvernehmliche und unverzügliche Reprivatisierung (…) ist das Ziel unserer Gesetzesbemühungen“. Sie wurde verbindlich in das FMStErgG aufgenommen. Gesetze zur Umstrukturierung der Landesbanken und zur Änderung des Insolvenzrechtes sollen folgen.

Wenn Gregor Gysi als Sprecher Der Linken im Bundestag die Beiträge der FDP als „ideologisches Geschwätz“ abtat, dann unterschätzt er völlig die tiefe politische Krise, in der sich die herrschende Klasse der Bundesrepublik zur Zeit befindet, weil das kapitalistische System so stark angeschlagen ist, dass die Große Koalition CDU/CSU-SPD zur Bankenenteignung gezwungen ist. Diese politische Krise ist ein wichtiger Bestandteil der umfassenden Krise des Kapitalismus (weltweite Überprodukt
ionskrise einschließlich Finanzkrise, globale ökologische Krise, Ernährungskrise als Kombination der ökonomischen und ökologischen Krise). Doch leider ist die antikapitalistische Bewegung und erst Recht die Partei Die Linke weder politisch noch organisatorisch auf die Krise des Kapitalismus vorbereitet.
Die Linke
Das zeigte sich in der Bundestagsdebatte am Auftritt Gregor Gysis. Zwar beschrieb er die Wirtschaftskrise (Wirtschaftskraft -4,8 %, 4,5 Mio. Arbeitslosen Ende 2010), aber eine Charakterisierung und Erklärung der Krise des Kapitalismus gab Gysi nicht.
Die Linke stellte einen Zusatzantrag, der nach einer Enteignung der Hypo Real Estate ihre Reprivatisierung befürwortet (so ist dem Protokoll zu entnehmen), „wenn durch die Reprivatisierung gesichert ist, dass sämtliche Steuermittel einschließlich Zinsen wieder zurückfließen“. Gysi trat zwar für eine „partielle Enteignung der Großgläubiger“ ein, sprach sich aber „gänzlich gegen eine Verstaatlichung der Industrie“ aus. Dass sich der Staat in der Krise als Staat der Banken outet, war ansatzweise von den Grünen, nicht aber von Gysi zu hören.

Die Grünen forderten ebenfalls eine Teilverstaatlichung der wichtigsten Banken. Sie wiesen in der Debatte darauf hin, dass das vor fünf Monaten verabschiedete Gesetz zur Bankenrettung, auf welches sich das FMStErgG bezieht, von der Bankenszene mitgestaltet worden war. Die Banken sagten der Regierung, wie sie am liebsten gerettet werden wollten.
Welche Forderungen?
Wenn alle Parteien im Bundestag einschließlich der FDP für die Verstaatlichung der Hypo Real Estate sind, dann wird es Die Linke mit Forderungen nach Vermögensteuer, Börsenumsatzsteuer, Steuer auf Kaufpreiserlöse und einen neuen Spitzensteuersatz kaum schaffen, die anderen Parteien links zu überholen.

Dabei reagiert die Bundesregierung längst nicht so „radikal“ auf die Krise wie die neue US-Regierung. Ein Steuersatz von 90 % auf Bonuszahlungen und die Offenlegung wie viele der 170 Mrd. US $ an den Versicherer AIG an welche Banken weitergeflossen sind (11,8 Mrd. US $ an die Deutsche Bank)  geben manchem SPD-Abgeordneten neuen Stoff, um Fragen zu stellen. Dies zeigt auch, welche Möglichkeiten zur Krisenbewältigung die herrschende bürgerliche Klasse noch hat.

 

Unsere Forderungen
Wer eine Bestätigung des Notprogramms „Banken enteignen! Kapitalismus bekämpfen!“ gegen die Krise sucht, kann sie indirekt in der Bundestagsdebatte finden. Denn der RSB fordert genau das, wogegen sich die bürgerlichen Parteien aussprechen:

  • • Entschädigungslose Enteignung aller Banken!
  • Zusammenschluss zu einem einzigen öffentlichen Bankinstitut auf europäischer Ebene unter Kontrolle der Beschäftigten und Kund­Innen!
  • Öffnung der Bücher aller Banken und Unternehmen!

 

 

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite