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Kultur

Buch: Der einsame Revolutionär

Von Walter Weiß | 11.01.2015

Im letzten Jahr hat der Rotbuch Verlag Berlin Giuseppe Fioris Biografie „Das Leben des Antonio Gramsci“ wieder in deutscher Sprache aufgelegt. Eine politisch wertvolle Tat.

Krankheit und Armut durchziehen Gramscis Leben wie ein roter Faden. 1891 in Ales/Sardinien geboren wächst er mit sechs Geschwistern auf. Seine schwache Konstitution wird durch eine Missbildung seines Rückens unterstrichen, die durch einen Sturz in der frühen Kindheit bedingt ist. Sein Vater, Beamter beim Registeramt, wird u.a. wegen einer kleinen Unterschlagung plus widriger politischer Umstände zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Familie gerät in materielle Not. Sehr jung arbeitet Antonio beim Katasteramt. Für 9 Lire monatlich schleppt er Akten, so schwer wie sein Körpergewicht. Schon in der Kindheit wird seine Gesundheit unterminiert. Streckenweise ist er ein Einzelgänger und sein Satz: „Sardinien ist eine Insel und jeder Sarde ist eine Insel“ charakterisiert auch seinen Lebensweg.

Politisches Leben

Fiori schildert uns anschaulich Gramscis Weg in die PSI; sein frühes journalistische Engagement, die Rolle der Zeitung L‘Ordine Nuovo (zusammen mit Togliatti, Tasca und Terracini) in der Turiner Rätebewegung. In den Kämpfen entwickelt Gramsci ein 9 Punkte-Programm, das Lenin befürwortet. Den aufkommenden Faschismus versteht Gramsci als generalisierten Angriff auf das Proletariat und seine Errungenschaften, im Gegensatz zum ultralinken Führer der KP Italiens Bordiga, der den Faschismus als vorübergehendes Phänomen einschätzt. Nach der wahrscheinlich zu frühen Gründung der KPI gelangt er in den folgenden Jahren an die Spitze der Partei. Der/die LeserIn begleiten ihn auf zwei Reisen nach Moskau, sehen ihn als Abgeordneten im Parlament, erfahren von seiner Ehe mit Julia Schucht und lernen seine Positionen auf dem III. Parteitag in Lyon kennen. (s. Marxistisches Internet Archiv) Als Gegner des Sektierertums teilt er seinem Bruder die Ablehnung der „Sozialfaschismustheorie“ mit.

Es folgt seine Verhaftung, langjährige Haft, in der er bis 1935 seine Gefängnishefte (Quaderni del carcere) verfasst. In ihnen unternimmt er den Versuch, etwas „für ewig“ zu schaffen. Zahlreiche Krankheiten u. a. Schwindsucht, Pott‘sche Krankheit, Arteriosklerose, Hypertonie … ) höhlen seinen Körper aus und führen 1937 zu seinem frühen Tod.

Politische Positionen

Im Rahmen unserer kleinen Anregung zur Lektüre sollen nur einige Hauptthemen Gramscis stichwortartig erwähnt werden: die süditalienische Frage, die Rolle der Intellektuellen und der klassenpolitischen Bündnisse; die Zivilgesellschaft und die politische Gesellschaft, das Problem der Hegemonie, die Rolle des Staates und die strategische Bedeutung des Verhältnisses von Stellungs- und Bewegungskrieg sind Kernpunkte von Gramscis Denken. Fioris Biografie, sicherlich nicht immer auf dem Stand der heutigen historischen Forschung, kann zum Kennenlernen von Gramscis Werk beitragen. In puncto Gramsci schwankt die deutsche Linke zwischen Spezialistentum und Ignoranz. Für eine ernsthafte klassenpolitische Strategiedebatte bleibt Antonio Gramsci unverzichtbar und aktuell.

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