Seit einigen Monaten kommt es in Frankreich vermehrt zum Festsetzen von Geschäftsführern, die Massenentlassungen vornehmen wollen. Sie werden in ihren Büros eingesperrt, die Türen von außen verrammelt und der Betrieb besetzt.
Allein seit Mitte März kam es zu entsprechenden Aktionen bei Caterpillar, Sony, 3 M, FM Logistics, Scapa, Molex und kürzeren Aktionen wie etwa die einstündige Festsetzung des Milliardärs Pinault (Besitzer des Handelskonzerns PPR) in seinem Taxi.
Die Aktionen führten entweder zu finanziellen Zugeständnissen bei Abfindungen (Verdoppelung bei Scapa; Sony zahlt jetzt 45.000 € pro Person usw.) oder die Zahl der Entlassungen wurde reduziert. Die kleinen Teilerfolge haben natürlich anderen Mut gemacht und auch die Demolierungsaktion in der Präfektur von Reims durch die KollegInnen von Continental Clairoix trifft auf große Sympathien in anderen Betrieben.
Keine isolierten Aktionen
Die Aktionen sind alles andere als isolierte Kommandoaktionen. Weder haben die festgesetzten Manager Strafanzeige erstattet, noch haben die Geschäftsleitungen bei den Besetzungen die Staatsgewalt zur Räumung gerufen. Für beide Fälle rechnen sie nämlich mit einer dramatischen Verschärfung der sozialen Spannungen und sie wollen kein Öl ins Feuer gießen. Nur nach der Teildemolierung der Präfektur in Reims hat Sarkozy mit juristischen Konsequenzen gedroht. Ob es dazu kommen wird, hängt natürlich vom Ausmaß der Solidarisierung ab. Hier könnten auch die KollegInnen von Continental in Deutschland ein Zeichen setzen, schließlich führen sie einen gemeinsamen Kampf.
Selbst die FAZ sieht die „Geiselnahmen (…) als Ausdruck für die explosiven Sozialbeziehungen in Frankreich“. Dort sympathisiert die Hälfte der Bevölkerung mit solchen Aktionen, bei den ArbeiterInnen sind es weit mehr. Selbst 40 % der leitenden Angestellten und Selbstständigen akzeptieren diese Aktionen als „soziale Kampfmaßnahmen“. Viele ManagerInnen haben bereits einen Schlafsack und Waschsachen in ihrem Büro deponiert.
Beim heutigen Stand der Kräfteverhältnisse würden vergleichbare Aktionen in der BRD sofort als „Terrorismus“ gebrandmarkt werden und zu einer scharfen Distanzierung der Gewerkschaften führen (dabei sind nach unserem Verständnis Massenentlassungen Terror). Doch solche Kampfformen werden nicht an der französisch-deutschen Grenze halt machen. Erster Vorbote einer gewissen Radikalisierung ist der aktuell laufende Hungerstreik von sieben Leiharbeitern bei VW Hannover.