Bosse nutzen den Ausnahmezustand für Angriffe auf die Rechte der Arbeiter:innen
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Arbeitsrecht in der Ukraine

Bosse nutzen den Ausnahmezustand für Angriffe auf die Rechte der Arbeiter:innen

23.05.2022

Wir mussten nicht lange warten, bis Nachrichten über die missbräuchliche Umsetzung des Gesetzes „Über die Organisation der Arbeitsbeziehungen unter den Bedingungen des Militärstaates“ (Gesetz Nr. 2136) gekommen sind. Der Zynismus der Bosse ist offensichtlich, denn sie versuchen Beschäftigte in der stromerzeugenden Industrie und Menschen zu entlassen, die Evakuierungsdienste leisten, Kriegsopfer behandeln und zur wirtschaftlichen Stabilität beitragen.

Als das Gesetz am 24. März in Kraft trat, ordnete der Direktor des Unternehmens Tschernobyl KKW in Slawutytsch die Erstellung einer Liste von Mitarbeiter:innen an, die angeblich nicht arbeiten können, damit das Unternehmen die Arbeitsverträge mit ihnen aussetzen konnte. Der Arbeitgeber bezeichnet diese Situation als „teilweisen Arbeitsausfall“, obwohl die Arbeitnehmer:innen bei dieser Aussetzung keinen Anspruch auf Bezahlung haben, wie dies bei einigen anderen Arten der unverschuldeten Aussetzung der Arbeit der Fall ist. Das Unternehmen versucht auch, die Umsetzung des Teils des Tarifvertrags auszusetzen, der sich auf das Wohlbefinden der Beschäftigten bezieht.

In der Zwischenzeit haben die Manager:innen der Ukrainischen Eisenbahn ihre Abteilungsleiter:innen verpflichtet, eine Liste der Beschäftigten zu erstellen, deren Arbeitsverträge ausgesetzt werden sollen. Als Grund wird eine Verringerung des Arbeitsaufkommens infolge der russischen Militäraggression angegeben. Der Direktor des „Zentrums für die Reparatur und den Betrieb von Lokomotiven“ in Kiew hat auf der Grundlage dieser Anweisung ein Schreiben verfasst, in dem die Arbeitsverträge der Beschäftigten ausgesetzt werden.

Die wirklichen Gründe für solche Schritte wurden nicht genannt. Wie das Wirtschaftsministerium klarstellte, sollte die Bedingung für die Aussetzung der Wirkung des Arbeitsvertrags die absolute Unfähigkeit sein, Arbeit anzubieten und zu leisten. Auch der Arbeitgeberverband respektiert formell den Ansatz, die Arbeit auf der Basis von Verhandlungen auszusetzen. Ein solcher Schritt sollte durch den Erlass einer Standardanweisung gemäß der Vereinbarung der Parteien erfolgen, wobei es nur wenige Ausnahmefälle gibt. Einige Firmen sind jedoch bereit, sich diese Gelegenheit einseitig und massiv zunutze zu machen.

In einem Krankenhaus in der Region Kiew wurden Krankenschwestern und -pfleger unter dem erklärten Kriegszustand an einen anderen Arbeitsplatz versetzt. Eigentlich erlaubt das Gesetz dies „nur um die Folgen von Kampfhandlungen aufzuheben und zu beseitigen, sowie unter anderen Umständen, in denen das Leben oder die normalen Lebensbedingungen von Menschen bedroht sind oder bedroht sein können“. In diesem Fall war die Anordnung zur Versetzung aber nur durch den Wunsch der Manager:innen begründet, die Organisation der Arbeit zu verändern.

In der Metallfabrik Krywyj Rih (russ. Kriwoi Rog) weigert sich die Unternehmensleitung, den Beschäftigten Sonderurlaub zu gewähren. Dies verstößt gegen Kapitel 12 des Gesetzes. Die Unternehmensleitung legt die genannte Norm so aus, dass die Höchstdauer des jährlichen Haupturlaubs auf 24 Kalendertage begrenzt ist. Kapitel 6 des Urlaubsgesetzes garantiert verschiedenen Gruppen von Beschäftigten hingegen einen längeren Jahresurlaub: Für die Belegschaften in der Metallindustrie kann dieser bis zu 28 Kalendertage betragen.

Tausende von Metallarbeiter:innen, die freiwillig Militärdienst leisten, sind mit diesen Einschränkungen unzufrieden. Die Haltung des Arbeitgebers ist ein Missbrauch, ein Versuch, für ihn vorteilhaftere Arbeitsbedingungen durchzusetzen, als sie den Arbeiter:innen durch die normale Gesetzgebung garantiert werden.

Sozialnyi Ruch fordert die Gewerkschaften auf, auf die Maßnahmen der Arbeitgeber:innen zu reagieren, die zur Verschärfung der sozialen Spannungen führen, indem sie die legitimen und verdienten Garantien der Arbeitnehmer:innen beseitigen. Die Behörden müssen diejenigen Manager:innen suspendieren, die sich als unfähig erwiesen haben, die Arbeit in der Zeit des Krieges richtig zu organisieren.

30. März 2022

Aus dem Ukrainischen übersetzt von Europe Solidaire Sans Frontières http://www.europe-solidaire.org/spip.php?article61865, Original: Соціальний рух https://www.facebook.com/login/?next=https%3A%2F%2Fwww.facebook.com%2F100064840535229%2Fposts%2F339529191551763%2F.

Aus dem Englischen übersetzt von Michael R.

Weitere Texte von Sozialnyi Ruch auf Englisch: https://rev.org.ua/english/; http://www.europe-solidaire.org/spip.php?page=auteur&id_auteur=23574

Zum Selbstverständnis von Sozialnyi Ruch: „Wir stehen für Demokratie und Sozialismus und sind gegen die totale Macht des Kapitals.“ Ausführlicher: https://rev.org.ua/democratic-socialism-in-ukraine/

Siehe auch die Erklärung von Sozialnyi Ruch vom 21. März 2022 zum vorübergehenden Verbot einiger ukrainischer Parteien: https://rev.org.ua/statement-on-temporary-ban-of-some-ukrainian-parties/

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