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Betrieb & Gewerkschaft

BK Giulini Ludwigshafen: „Gemeinsam sind wir stark”

Von Korrespondent Mannheim | 01.07.2003

BK Giulini ist ein weltweit aktives Chemieunternehmen, das zum Chemiekonzern Israel Chemical Limited (ICL) gehört. Ende Februar gab die Geschäftsführung bekannt, dass der Chemikalienbereich am Standort Ludwigshafen verkauft werden soll.

BK Giulini ist ein weltweit aktives Chemieunternehmen, das zum Chemiekonzern Israel Chemical Limited (ICL) gehört. Ende Februar gab die Geschäftsführung bekannt, dass der Chemikalienbereich am Standort Ludwigshafen verkauft werden soll.

Betriebsrat und Vertrauensleute sahen dadurch unmittelbar die Arbeitsplätze dieses Bereiches und der internen Serviceeinheiten gefährdet und auf längere Sicht den gesamten Standort bedroht. In der Rhein-Neckar-Region gibt es zwei Standorte – Ludwigshafen und Ladenburg – mit 900 Beschäftigten. Deshalb lehnten sie den Verkauf ab und forderten den Erhalt des Standortes, des einheitlichen Unternehmens und aller Arbeitsplätze.

Um Druck auf die Unternehmensleitung auszuüben, informierten sie die Öffentlichkeit und suchten ausserhalb des Unternehmens Solidarität und Unterstützung. Parallel dazu versuchten sie im Unternehmen, die Belegschaft zu mobilisieren. Sie informierten regelmäßig über die aktuelle Entwicklung, sammelten an beiden Standorten mehr als 600 Unterschriften gegen den Verkauf und organisierten von Ende März bis Mitte April erfolgreich mehrere Protestkundgebungen vor den Werkstoren.

Ende April gab dann die Unternehmensleitung im Rahmen einer Betriebsversammlung bekannt, dass der Verkauf vorerst gestoppt sei. Der Belegschaft war es gelungen, die Entscheidung des Unternehmens zu kippen. Wir sprachen mit dem Betriebsratsvorsitzenden über die Auseinandersetzung.

Avanti: Warum sollte der Chemikalienbereich verkauft werden?

Georg: Letztendlich ging es darum, den Profit dauerhaft auf hohem Niveau zu halten bzw. zu steigern. Aber wie so oft waren mehrere Faktoren von Bedeutung. Erstens gehört dieser Bereich nicht zu den Kerngeschäften der ICL. Zweitens schreibt der Bereich zwar schwarze Zahlen, aber die von ihm belieferten Märkte werden enger. Drittens "stellen" sich die Konkurrenten neu auf. Die Folge sind Fusionen, Übernahmen, Stilllegungen usw. Die Zukunfts- und Gewinnprognosen dieses Bereiches sind also ungewiss. Folglich wurde versucht, die Kuh zu verkaufen, solange sie noch Milch gibt. Viertens ist unklar, ob jenseits aller Strategie versucht werden sollte, die Finanzsituation der ICL zu verbessern. Fünftens gab es das Gerücht, dass mit dem Verkaufserlös strategische Firmenzukäufe finanziert werden sollten.

Avanti: Die Auseinandersetzung war zwar in den regionalen Medien präsent, aber von außen betrachtet, war der Konflikt nicht besonders spektakulär. Es gab z.B. keine Streiks.

Georg: Sicher hast du recht. Aber Kämpfe haben nun mal ihre eigenen Bedingungen. Wir haben – für den Organisationsbereich der IG BCE eher typisch – keinerlei Kampferfahrung. Selbst Warnstreiks hat es bei uns noch nie gegeben. Dennoch ist es uns gelungen, sehr aktiv und erfolgreich Unterschriften gegen den Verkauf zu sammeln und gemeinsam mit den Beschäftigten überraschend große Protestkundgebungen, so genannte "aktive Pausen" durchzuführen. Dies war für uns, damit meine ich die Belegschaft, die Vertrauensleute und den Betriebsrat, ein völlig neuer Schritt, ein wirklicher Aufbruch. Für uns war er durchaus spektakulär.

Avanti: Was machte deiner Meinung nach den Erfolg eurer Aktionen aus?

Georg: Die große Geschlossenheit der Belegschaft. Quer durch alle Bereiche und Abteilungen, unabhängig von Funktion und Position, überall fanden wir Zustimmung oder beteiligten sich die KollegInnen an den Aktionen. Und es gelang, beide Standorte in die Bewegung einzubeziehen. Diese Geschlossenheit war sicherlich ein wesentlicher Faktor, um die Position des Unternehmens zu verändern.

Avanti: Und wie habt ihr diese Geschlossenheit erreicht?

Georg: Eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass die Betriebsräte und Vertrauensleute beider Standorte ebenfalls geschlossen gegen den Verkauf waren. Es gab zu keiner Zeit eine Diskussion, ob sich der Widerstand überhaupt lohnt. Die Frage lautete lediglich: Welche Aktionen zu welchem Zeitpunkt? Und wichtig war auch, dass es von Anfang an eine klare Position gab, an der wir bis zum Schluss ohne taktische Zugeständnisse festhielten: Nein zum Verkauf – Erhalt des einheitlichen Unternehmens und aller Arbeitsplätze!

Avanti: Hat sich die sozialpartnerschaftliche Tradition eurer Branche bemerkbar gemacht?

Georg: Natürlich war die jahrzehntelang gelebte Sozialpartnerschaft zu spüren. Natürlich verlief selbst dieser Konflikt in gewisser Weise typisch für die Chemiebranche. Natürlich gibt es eine gewachsene betriebliche Diskussions- und Konfliktkultur. Es wäre falsch zu glauben, die soziale und politische Geschichte eines Unternehmens und seiner Belegschaft würde in kurzer Zeit völlig gelöscht und neu überschrieben. Aber – und das ist wichtig genug – es wurde mit einem neuen Kapitel begonnen.

Avanti: Und was steht in diesem neuen Kapitel?

Georg: Dass die Belegschaft, wenn auch nur für kurze Zeit, in der gemeinsamen Aktion zu einem wahrnehmbaren Faktor wurde und dem Unternehmen das Recht absprach zu entscheiden. Wie sich dies bei uns für die Zukunft auswirken wird, lässt sich nicht vorhersagen. Aber eines ist schon jetzt klar: Das Bewusstsein über die Notwendigkeit von aktiven organisatorischen Strukturen ist jetzt größer als zuvor.

Avanti: Und wie geht es weiter? Wird das Unternehmen jetzt versuchen, den Bereich neu zu strukturieren? Drohen sogar Entlassungen?

Georg: Wir befürchten, dass solche Planungen zur Zeit auf den Weg gebracht werden. Aber bis jetzt hat sich das Unternehmen dazu noch nicht geäußert. Für uns ist klar: Wir sind zwar gesprächsbereit. Aber Pläne, die sich gegen die Interessen der Beschäftigten richten, lehnen wir ab. Sie müssen dann mit unserem Widerstand rechnen.

Avanti: Wir danken dir für das Gespräch.

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