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Betrieb & Gewerkschaft

Betriebsratswahlen im Zeichen von Abwehrkämpfen

Von D. Berger | 01.02.2006

In der Zeit zwischen dem 1. März und dem 31. Mai finden die nächsten Betriebsratswahlen statt. Der Verlauf, die Beteiligung und die Ergebnisse sind ein Gradmesser für das Ansehen der Gewerkschaften, aber auch für die Verankerung klassenkämpferischer Kräfte in den Betrieben.

In der Zeit zwischen dem 1. März und dem 31. Mai finden die nächsten Betriebsratswahlen statt. Der Verlauf, die Beteiligung und die Ergebnisse sind ein Gradmesser für das Ansehen der Gewerkschaften, aber auch für die Verankerung klassenkämpferischer Kräfte in den Betrieben.

Die Funktion des Betriebsrats (BR) ist im Kapitalismus nicht von vornherein klar festgelegt. In der Praxis spielen viele Betriebsratsgremien eine zwiespältige Rolle: Manchmal bremsen sie und manchmal führen dieselben Betriebsratsgremien den Widerstand an. Außerdem gibt es durchaus Betriebsräte, die nur an ihr eigenes Wohl denken und die KollegInnen “verkaufen”; vor allem dann, wenn diese Gremien, bzw. die jeweilige Mehrheit oder herrschende Clique, nicht von anderen klassenkämpferischen Kräften herausgefordert werden.
Parallele zu Vertrauenskörpern
Im Grundsatz sind der Bewusstseinsstand und die allgemeine Politik dieser Gremien nicht losgelöst vom Bewusstseinsstand der KollegInnen zu sehen, die sie vertreten. Insoweit liegt die Parallele etwa zu den gewerkschaftlichen Vertrauenskörpern auf der Hand. Institutionell gibt es einen gewissen Unterschied: Betriebsräte sind besser gegen Entlassungen oder Versetzungen geschützt, was für so manche KollegInnen zu einer Kandidatur motiviert. Auch fordert das Gesetz zur “vertrauensvollen Zusammenarbeit” mit der Geschäftsführung auf, was bisweilen mäßigend auf BR-KollegInnen wirkt.
Wichtige Erfahrungen
Die Erfahrung kritischer KollegInnen mit der Institution Betriebsrat im Verlauf der letzten Jahrzehnte lässt sich dennoch so zusammenfassen;

  • Bis auf eine verschwindende Minderheit von Belegschaften wird von den KollegInnen die Nutzung dieses Gremiums und der damit verbundenen gesetzlichen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und der Interessenvertretung ungebrochen als wichtig bis unverzichtbar angesehen.
  • In vielen Fällen wird von Seiten der Geschäftsführungen gerade wegen der Möglichkeiten, die ein Betriebsrat hat, eine Wahl mit den unterschiedlichsten Methoden verhindert. Lidl ist nur ein Beispiel unter tausenden, vor allem in kleineren Betrieben.
  • Die Korruption von Betriebsräten ist keine Ausnahmeerscheinung aber auch nicht typisch für diese Gremien. In der Regel müssen sich die KollegInnen gegen die Geschäftsleitungen behaupten, werden immer wieder an ihren Wirkungsmöglichkeiten gehindert und unter Druck gesetzt. Nicht wenige Betriebsräte machen dabei einen aufreibenden Job, vor allem in Klein- und Mittelbetrieben. Wie politisch und wie gut der ist, ist eine andere Frage und nicht losgelöst vom allgemeinen Bewusstseinsstand der ArbeiterInnenklasse zu sehen.
  • Immer wieder machen klassenkämpferische Kräfte die Erfahrung, dass ihre Wirkungsmöglichkeiten ganz andere sind, wenn sie von der Position des Betriebsrates heraus agieren können, und zwar sowohl was die Erlangung von Informationen wie auch was die Kommunikation mit den KollegInnen angeht. Wenn klassenkämpferische Kräfte nicht im Betriebsrat vertreten sind, bleibt ihr Ansehen unter den KollegInnen deutlich eingeschränkt.

Politische Pflicht
Aus diesen Gründen ist für klassenkämpferische Kräfte die Kandidatur zu Betriebsratswahlen eine politische Pflicht. Es ist eben nicht gleichgültig, ob Sozialpartner oder klassenkämpferische Kräfte diese Möglichkeiten nutzen. Die Erfahrung in unzähligen betrieblichen Konflikten – und in den letzten zwei Jahren in zunehmender Zahl – zeigt, dass es von herausragender Bedeutung ist, welche Linie in einem Betriebsrat vorherrscht. Nicht nur, weil KollegInnen es bei Kündigungsschutzklagen besonders schwer haben, wenn der Betriebsrat einer Kündigung zustimmt. Vor allem beim Organisieren von betrieblichen Widerstandsaktionen sind die Marschrichtung und die Standhaftigkeit eines Betriebsrats von eminenter Bedeutung. Dies zeigen praktisch alle Beispiele, die wir kennen, von A wie Alstom in Mannheim bis Z wie ZF in Schweinfurt.
70er in Rente
In den vergangenen acht Jahren ist der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Betriebsräte erkennbar zurückgegangen, aber sie stellen immer noch ca. dreiviertel aller Betriebsräte. Auch der Anteil der erklärten Betriebslinken war bei der vorletzten und der letzten Betriebratswahl rückläufig. Ein großer Teil der in den 70er Jahren in die Betriebe gegangenen politischen Linken ging inzwischen in Vorruhestand bzw. in Rente oder verließ aufgrund politischer Erschöpfung den Betrieb.
Trendwende?
Eventuell wird sich 2006 dieser Trend in Folge vermehrter Abwehrkämpfen umkehren. Hier taten sich neue Kräfte hervor, für die das Co-Management keine Anziehungskraft hat, und die auf Widerstand setzen. Beispielhaft ist die Entwicklung bei DaimlerChrysler in Untertürkheim – besonders im Werksteil Mettingen –, wo es eine gute Verbindung von langjährig verankerten Betriebslinken mit neu sich aktivierenden Kräften gibt. Der örtlichen IG Metall-Führung ist dies ganz und ganz nicht recht. Deshalb bekämpft die sozialpartnerschaftliche Betriebsratsspitze um Klemm und Lenze mit allen nur erdenklichen Mitteln die Liste um die Betriebszeitung alternative. Die mit ihr organisierten IG MetallerInnen wurden nicht auf die IGM-Liste aufgenommen. Als sie von den 14-tägigen Bereichsversammlungen ausgeschlossen werden sollten, verhinderten das die Vertrauensleute. Wir können gespannt auf die Ergebnisse der Betriebsratswahlen hoffen.

 

Personenwahl
Die Lohnabhängigen wählen ihren Betriebsrat entweder nach Listen- oder Personenwahl. Letztere ist generell die günstigere Variante, weil die KollegInnen die Kandidat­Innen ihres Vertrauens wählen können. Linke können dann die Wahl von Personen empfehlen, die für klassenkämpferische Forderungen eintreten.
Weil die Sozialpartner­Innen in Großbetrieben oft linke Kräfte ausgrenzen, müssen diese häufig eine eigene Liste aufstellen. In vielen Betrieben benutzen aber auch Co-Management-Kräfte die Listenwahl.

 

 

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