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Länder

Auf Sand gebaut

Von Harry Tuttle | 12.10.2012

Die Bundesregierung spielt eine führende Rolle bei der Aufrüstung der Golfmonarchien für den Kampf gegen die arabische Demokratiebewegung.

Die Bundesregierung spielt eine führende Rolle bei der Aufrüstung der Golfmonarchien für den Kampf gegen die arabische Demokratiebewegung.

Der deutschen Rüstungsindustrie kann ein gewisser Weitblick nicht abgesprochen werden. Während Politiker, sogenannte Nahost-Experten wie Peter Scholl-Latour, und regierungsnahe Forschungsinstitute noch unermüdlich verkündeten, dass die Diktatoren der arabischen Welt fest im Sattel säßen, weil „die Araber” nun mal starke Männer liebten und von der Demokratie nichts hielten, war man bei Krauss-Maffei Wegmann vorausschauender.

Für den Leopard-Panzer entwickelte man das Modell 2A7+, nach Angaben der Firma speziell ausgerüstet für „asymmetrische Bedrohungen” und „urbane Operationen”. Es verfügt unter anderem über ein „Räumschild” zur Beseitigung von Barrikaden, aber auch über „nicht-letale Bewaffnung”, eine Vorrichtung zum Abschuss von Tränengasgranaten.

Für einen Kampfpanzer ist das eine ungewöhnliche Bestückung. Gebaut wird Kriegsgerät dieser Art eigentlich für den Kampf gegen andere Panzer und für schnelle militärische Vorstöße. Der Grundpreis für einen Leopard 2 liegt bei 10 Millionen Euro, Abschussvorrichtungen für Tränengasgranaten bekommt man für wenige Hundert Euro.

Mit dem Schwert

Dies macht deutlich, dass unter „asymmetrischen Bedrohungen” nicht unbedingt leichter bewaffnete Feinde zu verstehen sind. Vielmehr wurde der Leopard auch für einen abgestuften Einsatz gegen ZivilistInnen ausgerüstet. Ein 60 Tonnen schwerer Stahlkoloss macht mehr Eindruck als ein Polizist, auch wenn er „nur” Tränengas verschießt. Genügt das nicht, können zwei Maschinengewehre eingesetzt werden, und wenn auch das noch nicht reicht, bleibt als Hauptwaffe noch die Kanone. Beim Kampf etwa gegen Streikende im Ölsektor kann eine solche Abstufung die Schäden an wertvollen Anlagen minimieren.

Die Golfmonarchen wissen solche deutsche Wertarbeit zu schätzen. Die arabischen Revolten haben zwar bislang nur Bahrain erfasst. Doch bereits vor knapp zehn Jahren gaben bei einer Umfrage zwei Drittel der Saudis an, sie hielten die Demokratie für die beste Herrschaftsform. Seitdem hat das Herrscherhaus weiter an Ansehen verloren, dass der Clan der Sauds dennoch nicht abzutreten oder auch nur ernst zu nehmende Reformen zuzulassen gedenkt, hat Kronprinz Salman bin Abdulaziz al-Saud in aller Deutlichkeit gesagt: „Was wir mit dem Schwert erobert haben, werden wir mit dem Schwert verteidigen.”

Dass Salman al-Saud im Jahr 2010, kurz nachdem er – damals noch Gouverneur von Riad – 60 000 Bettler in Umerziehungslagern hatte inhaftieren lassen, für sein Engagement in humanitären Belangen von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die Kant-Medaille verliehen wurde, war noch eine vergleichsweise harmlose Geschmacklosigkeit. Nun aber übernimmt die Bundesregierung eine führende Rolle bei der Aufrüstung der Golfmonarchien gegen die „asymmetrische Bedrohung” durch die Demokratiebewegung.

Angst vor der Revolution

Saudi-Arabien und Katar wollen Leopard-Panzer kaufen. Gesicherte Angaben über die Bestellwünsche gibt es wegen der Geheimhaltung nicht, doch geht es insgesamt offenbar um 800 bis 1000 Panzer. Mit dem Waffenverkauf und der mit dieser Politik verbundenen Entscheidung, die Golfmonarchien bei der Konfessionalisierung des syrischen Bürgerkriegs und anderer regionaler Konflikte zu unterstützen, haben sich die deutsche und andere westliche Regierungen – die im vergangenen Jahr die Umbrüche in der arabischen Welt wenigstens zu akzeptieren schienen – offen gegen die Demokratiebewegung gestellt.

Die bestellten Panzer kosten acht bis zehn Milliarden Euro – viel Geld, aber nur etwa ein Prozent des jährlichen deutschen Exportvolumens (faktisch sogar weit weniger, da die Rechnung nicht in einem Jahr bezahlt wird). Es würde den „Standort Deutschland” nicht nennenswert schädigen, auf dieses Geschäft zu verzichten. Die Diktatoren am Golf aufzurüsten, ist eine bewusste politische Entscheidung. Dies wurde jüngst auf einem NATO-Treffen bekräftigt, das die Öl-Monarchien zu privilegierten Waffenempfängern erklärte. Bereits im März hatte Außenminister Guido Westerwelle bei einem Besuch im Hauptquartier des Golfkooperationsrats (GCC), eines von Saudi-Arabien dominierten Bündnisses der Golfmonarchien, dessen „Meinungsführerschaft auch gerade bei der regionalen Konfliktlösung” gepriesen, „die wir unterstützen und auch ausdrücklich ermutigen”.

Bei der Intervention des GCC in Bahrain zur Niederschlagung der Demokratiebewegung im vergangenen Jahr wurden noch keine deutschen Panzer eingesetzt. Da die GCC-Staaten gezielt konfessionelle Konflikte schüren, um die Demokratiebewegung zu schwächen, sind weitere Einsätze zu erwarten. Dennoch gibt es auch eine gute Nachricht. Die Angst der Golfmonarchen vor der Revolution muss sehr groß sein, wenn sie ihr bereits gewaltiges Waffenarsenal noch einmal immens erweitern wollen.

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