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Ökologie

Atomlobby in die Defensive drängen!

Von Karl Lindt | 01.11.2009

Am 5. September demonstrierten 50 000 Menschen in Berlin gegen die Atompolitik der Herrschenden. Bis zu 1 500 Menschen begleiteten drei Wochen lang die Koalitionsgespräche von CDU und FDP mit Protesten gegen die Verlängerung der Laufzeiten.

Am 5. September demonstrierten 50 000 Menschen in Berlin gegen die Atompolitik der Herrschenden. Bis zu 1 500 Menschen begleiteten drei Wochen lang die Koalitionsgespräche von CDU und FDP mit Protesten gegen die Verlängerung der Laufzeiten.

Wer sich in den letzten Monaten die Debatten in der bürgerlichen Presse angesehen hat, konnte feststellen, dass überall über die Nutzung der Atomkraft diskutiert wurde. Einen großen Anteil daran, dass das erste Mal seit Jahren die Atomkraft wieder breit diskutiert wurde, hatte sicherlich die große Demonstration von 50 000 Menschen und 350 Traktoren in Berlin am 5. September und die zahlreichen Aktionen der Anti-Atom-Bewegung im Vorfeld dieser Demonstration. Daneben sorgten allerdings auch allerhand skurrile Nachrichten für Aufsehen:

In dem eigentlich nur für schwach bis mittelradioaktiven Müll genehmig­ten Endlager Asse, wo es seit Jahren zu Wassereinbrüchen kommt, wurde laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), fast 30 statt wie bisher angenommen 10 Kilogramm hochgiftiges Plutonium eingelagert. Außerdem konnte durch die Offenlegung von Dokumenten der damaligen Fachbehörde nun belegt werden, was Atomkraftgegner­­Innen schon lange vermuteten. Die Regierung Kohl hat den Standort Gorleben in den 80er Jahren gegen fachliche Bedenken durchgesetzt und ließ Gutachten umschreiben (siehe Artikel "Atomklo Gorleben: Illegal, unsicher, dichtmachen!" aus der Avanti 168).
Mehrheit gegen Atomkraft
Passend zu den Nachrichten und den Protesten der letzten Wochen und Monate veröffentlichte Greenpeace Anfang September die Ergebnisse einer von ihr bei TNS-Emnid in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage: 59 Prozent der Befragten lehnen die von CDU/CSU und FDP in Aussicht gestellte Laufzeitverlängerung alter Atomkraftwerke ab. Vor allem die junge Generation befürwortet eine Wende in der Energiepolitik. 71 Prozent der befragten Schüler­­Innen setzen sich für den Ausstieg aus der Atomenergie ein. Die AnhängerInnen von CDU/CSU und FDP sind hingegen in der Atomfrage gespalten: Aber selbst 50 Prozent der CDU/CSU-AnhängerInnen und 49 Prozent der FDP-WählerInnen erwarten von der neuen Regierung, am Atomausstieg festzuhalten.
Belagerung der Koalitionsverhandlungen
Nach der Demonstration am 5. September hatte die Anti-Atom-Bewegung angekündigt, nicht mehr locker zu lassen. Als drei Wochen später dann feststand, dass die Pro-Atom-Parteien CDU/ CSU und FDP die neue Regierung bilden werden, war längst klar: Wann immer sich die Parteien zu ihren Koalitionsverhandlungen treffen würden, wird die Anti-Atom-Bewegung dabei sein. Bereits am 29. September, zwei Tage nach der Wahl, öffneten Aktivist­­Innen die Pforten ihrer „Ständigen Vertretung der Anti-Atom-Bewegung“ in Berlin. Wenige Tage später verkündeten Großflächenplakate in Berlin-Mitte: „Wir haben die Kraft! Wer am Atomausstieg rüttelt, verbrennt sich die Finger. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke.“ In den darauf folgenden drei Wochen bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen am 21. Oktober mobilisierte die Anti-Atombewegung als einzige Bewegung täglich in Berlin gegen die Verhandlungen von CDU und FDP. Mit zahlreichen kleineren aber auch größeren Aktionen, an denen sich bis zu 1 500 Menschen beteiligten, trugen sie immer wieder den Protest in das Regierungsviertel. Parallel zu Straßentheater, Mahnwachen, Sitzblockaden, Demonstrationen und anderen derartigen Aktionen wurden von IPPNW, BUND, Naturfreundejugend, ausgestrahlt und campact bundesweit Unterschriften gegen die Atompläne der neuen Regierung gesammelt. Am 16. Oktober konnten 100 000 Unterschriften an die Parteivorsitzenden von CDU und FDP übergeben werden – ein großer Erfolg, der zeigt, wie viele Menschen die herrschende Atompolitik ablehnen.
Entscheidend ist, was hinten raus kommt
Was haben diese Proteste aber letztlich gebracht? Eins ist klar, auch die Regierung hat die starke Ablehnung gegenüber der Atomkraft in der Bevölkerung vernommen. Außer der vagen Absichtsbekundung, Laufzeiten zu verlängern, steht im Koalitionsvertrag so gut wie nichts zum Thema Atomkraft drin.

Merkel zaudert, weil sie weiß, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen Atomkraft ist. Ein großer Erfolg und eine riesige Chance für die Anti-Atombewegung, die jetzt genutzt werden muss, um eine Renaissance dieser Steinzeittechnologie zu verhindern. Denn je länger konkrete Beschlüsse in der Atompolitik auf sich warten lassen, umso mehr Zeit bleibt, den Widerstand gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke zu organisieren.

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