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Betrieb & Gewerkschaft

Arbeitszeitverkürzung: Das Gebot der Stunde

Von D. B. | 01.07.2009

Nicht nur wir sind der festen Überzeugung, dass die beste Antwort auf die demnächst zu erwartenden Massenentlassungen ein umfassender Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich ist. Die Gewerkschaftsspitzen meiden dieses Thema seit Jahren, weil sie dem Kampf ausweichen, denn er müsste noch um einiges härter geführt werden als 1984 beim Einstieg in die 35-Stundenwoche.

Nicht nur wir sind der festen Überzeugung, dass die beste Antwort auf die demnächst zu erwartenden Massenentlassungen ein umfassender Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt- und Personalausgleich ist. Die Gewerkschaftsspitzen meiden dieses Thema seit Jahren, weil sie dem Kampf ausweichen, denn er müsste noch um einiges härter geführt werden als 1984 beim Einstieg in die 35-Stundenwoche.

Aber zum Glück sehen das so manche Kolleg­­Innen an der Basis, vor allem im ehrenamtlichen Bereich, anders und fordern die Organisierung einer entsprechenden breiten Kampagne und eines wirklichen Kampfes, der nicht beim ersten Widerstand abgebrochen wird. Als Anregung für die Verbreitung dieser Vorstellungen dokumentieren wir im Folgenden den am 18. Juni einstimmig gefassten Beschluss der Delegiertenversammlung der IG Metall-Verwaltungsstelle Frankfurt.

 

Die Delegiertenversammlung der IGM Frankfurt möge beschließen:
Betr.: Entschließung für eine Kampagne zur Arbeitszeitverkürzung zur Weiterleitung an die regionale Tarifkommission und an den Vorstand der IG Metall (Abteilung Tarifpolitik)
Die Delegiertenversammlung fordert den Vorstand der IGM auf, kurzfristig eine Debatte und ein öffentliche Kampagne zum Thema Arbeitszeitverkürzung zu organisieren. Arbeitszeitverkürzungen sind das Gebot der Stunde. Im Mittelpunkt soll dabei die tarifliche Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf deutlich unter 35 Stunden stehen, bei vollem Lohnausgleich. Weitere wichtige Punkte einer solchen Kampagne müssen Verkürzungen der Lebensarbeitszeit sein, d. h.: Weg mit dem Renteneintritt mit 67, gesetzliche Begrenzung der Arbeitszeit, tarifliche Einschränkung der Mehrarbeit. Darüber hinaus brauchen wir kurzfristig eine vorübergehende deutliche Absenkung des Renteneintrittsalters, z. B. nach 45 Versicherungsjahren (ohne Abschläge), um eine sofortige Entlastung auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen.
Begründung:
Kurzarbeit ist momentan das unumstrittene Mittel, um Arbeitsplätze abzusichern. Genau genommen ist Kurzarbeit nichts anderes als eine Form von Arbeitszeitverkürzung: die Verteilung der vorhandenen Arbeit, die Alternative zu Entlassungen. Von den Unternehmern seither verteufelt, aber zurzeit akzeptiert, weil bei Arbeitszeitverkürzung mit Kurzarbeit nicht der volle Lohn bezahlt wird. Aber genau den braucht jeder!
Arbeiten bis zum Umfallen – diese Marschrichtung geben Arbeitgeber und Regierung vor. Rente mit 67, mehr Arbeitsdruck sowie die Verlängerung der tariflichen und tatsächlichen Arbeitszeiten steht auf ihrer Agenda. Die Folgen: Immer mehr Ältere scheiden frühzeitig – und mit gekürzter Rente – aus dem Arbeitsleben aus. Jugendlichen wird die Beschäftigungsperspektive genommen. Die Verkürzung der Arbeitszeit ist nicht nur ein Beitrag zur Beschäftigungssicherung, sondern auch zur Humanisierung der Arbeitsgestaltung und sie ist eine wichtige Grundlage für die Neuverteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern.
Der von den Gewerkschaften vor Jahrzehnten eingeschlagene Weg Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich durchzusetzen, ist der einzig wirksame Weg, um Arbeitsplätze und Kaufkraft zu sichern:

  • •    Schon in der Weltwirtschaftkrise 1929/30 erkannte dies US-Präsident Theodore Roosevelt und führte in den USA Mindestlöhne und die 30 Stunden Woche per Gesetz ein, um der Krise Herr zu werden.
  • •    Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden hatte in der Metallindustrie ab 1985 rund 1.000.000 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert.

Arbeitszeitverkürzung sichert und schafft Arbeitsplätze. Das sind Fakten, die nicht weg zu diskutieren sind. Die Verzichtspolitik der letzten Jahre hat dagegen keinen einzigen Arbeitsplatz gesichert. Nach jeder Verzichtsrunde sind weniger Arbeitsplätze übrig geblieben. In den 90ern ging in einer Reihe von Betrieben die Reduzierung der Arbeitszeiten mit Lohnverlusten einher. Diese Politik ist auf ganzer Linie gescheitert.
Gleichzeitig bleibt als Sofortziel die Reduzierung der rund 2 Milliarden Überstunden. Dazu ist es notwendig, dass neben den Anstrengungen der Tarifparteien der Gesetzgeber ein deutliches politisches Signal zur Senkung der Mehrarbeit sendet.
Zusätzlich muss es darum gehen, auf gesetzlicher Grundlage die Arbeitszeit entsprechend der Produktivitätsentwicklung weiter zu reduzieren, da in allen Arbeitszeitkämpfen sich herausgestellt hat, dass das Fehlen von (guten) gesetzlichen Regelungen von den Unternehmern in der Krise genutzt wird, um die tariflichen Standards zu unterlaufen und zu senken. Wir brauchen beides: Gute Tarifverträge und gute gesetzliche Regelungen. Gerade in einer Zeit der strukturellen Schwäche der Gewerkschaften ist es erforderlich, dass gesetzliche Leitplanken eingezogen werden.
Angesichts der zu erwartenden hohen Massenarbeitslosigkeit rufen wir die IG Metall dazu auf, in Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften und in diese Richtung wirkenden Verbänden, Initiativen und Gruppen der Gesellschaft, neue Schritte zur drastischen Kürzung der Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich zu einem zentralen Thema ihres Engagements, der öffentlichen Debatte und auch der tariflichen Auseinandersetzung zu machen.

 

 

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