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Betrieb & Gewerkschaft

Arbeitszeitverkürzung

Von D. Berger | 01.05.2009

In Zeiten der Krise trauen sich Gewerkschaften zumeist nicht, den Kampf für eine Verkürzung der Arbeitszeit aufzunehmen, es sei denn, es kostet die Unternehmen nichts, also ohne Entgeltausgleich. Dabei stellt sich die Frage jetzt dringlicher denn je.

In Zeiten der Krise trauen sich Gewerkschaften zumeist nicht, den Kampf für eine Verkürzung der Arbeitszeit aufzunehmen, es sei denn, es kostet die Unternehmen nichts, also ohne Entgeltausgleich. Dabei stellt sich die Frage jetzt dringlicher denn je.

Sicher sind die Kräfteverhältnisse heute nicht gerade günstig. Ein Streik trifft das Kapital in Zeiten des Auftragsmangels nicht so schnell und so hart wie in Zeiten der Hochkonjunktur. Aber das heißt noch lange nicht, dass die abhängig Beschäftigten nicht mehr kämpfen könnten. Voraussetzung allerdings für eine Erfolg versprechende Mobilisierung und einen Erfolg versprechenden Kampf sind:

Erstens eine glaubwürdige Strategie zur Umsetzung des Ziels. Dazu muss die Frage der Arbeitszeitverkürzung in ein schlüssiges Konzept zur Verteidigung der Interessen der Lohnabhängigen eingebettet sein. Vor allem müssen die Gewerkschaften wieder Glaubwürdigkeit erlangen, indem sie nicht ständig kampflos auf den größten Teil ihrer aufgestellten Forderung verzichten, kaum dass die Verhandlungen begonnen haben.
Da die Gewerkschaften aber genau diese Glaubwürdigkeit heute nicht haben und da die Gewerkschaftsführungen alles andere als eine Konfrontation mit Kabinett und Kapital wollen, wird es darauf ankommen, dass eine Bewegung von unten entsteht, die diesen Kampf als ein Anliegen der gesamten Gewerkschaft(en) durchsetzt. Sicher ist das kein einfacher Weg, aber tausendmal realistischer als die Lobbypolitik eines Michael Sommer oder die „alternative“ Wirtschaftspolitik der linken Bürokrat­Innen.

Zweitens: Eine Arbeitszeitverkürzung muss in großen Schritten erfolgen, damit sie überhaupt Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Nur dann sind die Unternehmen zu Neueinstellungen gezwungen und nur dann sinkt die Zahl der Erwerbslosen nennenswert und nur dann verringert sich auch der Druck auf die Beschäftigten. Folglich muss die Arbeitszeitverkürzung, für die es in Betrieb und Gewerkschaft zu argumentieren gilt, so groß sein, dass sie die KollegInnen mobilisiert, weil sie eine spürbare Verbesserung bedeutet.

Drittens: Das ist aber auch nur dann der Fall, wenn es nicht den geringsten Zweifel daran geben wird, dass dieser Kampf nicht mit einem Lohnverlust endet, dass also – ganz gleich wie groß die Arbeitszeitverkürzung im Ergebnis ausfällt – auf keinen Fall auf den vollen Entgeltausgleich verzichtet wird.
Wer würde sich mobilisieren?
Sicher käme einigen Betrieben in der Krise der Streik „gerade recht“. Es wäre aber oberflächlich betrachtet, bliebe mensch dabei stehen. Denn auch Betriebe mit Auftragsmangel haben ihre Termine und können nicht länger auf die Einstellung der Produktion setzen. Zweitens sind selbst in der Industrie nicht alle Betriebe in Auftragsnot. Und drittens gibt es eine ganze Reihe anderer Sektoren, die von der Krise kaum oder gar nicht betroffen sind. Dazu gehören einige Dienstleistungsbereiche, also beispielsweise Beschäftigte bei den Finanzämtern und andern Ämtern, der Straßenmeisterei, der Bahn (Personenverkehr), der Müllabfuhr, der Stadtreinigung usw.

Das Wichtigste aber: Gibt es eine breite gesellschaftliche Bewegung (am besten noch mehr als 1984), dann ändern sich auch die Kampfbedingungen in der Industrie. Vor dem Hintergrund der Krise des Kapitalismus muss eine solche Bewegung mit dem Entwurf einer antikapitalistischen Perspektive verbunden werden. Antikapitalistische Kräfte täten also gut daran, ein solches Vorhaben in das Zentrum ihrer künftigen Aktivitäten zu stellen und sich zu diesem Zweck mit anderen zusammenzutun. Denn es braucht eine breite und einheitlich wirkende Bewegung, in der möglichst viele Kräfte an einem Strang ziehen.

Von reformistischen Kräften (oder vom Gewerkschaftsapparat) ist eine solche Initiative nicht zu erwarten. Sie muss von unten kommen und zwar von antikapitalistischen Organisationen im engen Verbund mit der sozialen Bewegung, jedenfalls zunächst mit den Teilen, die wie die revolutionäre Linke keine ideologischen Scheuklappen haben.

 

Illusionen der „linken“ Bürokratie
Schutzschirm für Arbeitsplätze heißt: eine durch aktive Industrie- und Strukturpolitik untersetzte Konjunktursteuerung; öffentliche Einflussnahme auf Unternehmenspolitik durch direkte Kapitalbeteiligung, Branchenfonds und eine an gesellschaftlichen Bedarfen orientierte Zins- und Kreditpolitik; aktive Arbeitsmarktpolitik durch umfassende betriebliche überbetriebliche Weiterbildung und öffentliche Beschäftigung, die Entlassungen zumindest temporär verhindert; vor­übergehende Arbeitszeitverkürzung bei Zahlung des Lohnausgleichs aus Steuermitteln und Mitteln der Bundesagentur für Arbeit; Wiedereinführung der geförderten Altersteilzeit und Abschaffung der Rente mit 67.“
Redaktion Sozialismus 4/2009, S. 4.
(Die Zeitschrift Sozialismus ist das Sprachrohr des linken Flügels der Gewerkschaftsbürokratie.)
Der linke Flügel der Bürokratie vermeidet den Kampf für die Vergesellschaftung oder für Arbeitszeitverkürzung. So plädieren R. Detje, D. Knauß (1. Bevollmächtigter der IGM Waiblingen) und O. König (1. Bevollmächtigter der IGM Gevelsberg-Hattingen, im Vorstand der IGM) in Sozialismus 3/09 (S. 48) für „öffentliche Beteiligung im Rahmen von Zukunftsinvestitionen an Unternehmen und an der Entwicklung zukunftsfähiger Cluster.“

 

 

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