Arbeiter*innen streiken gegen die Schließung einer Erdölraffinerie

Foto: Luc Poupard, Luc Poupard Raffinerie Total #5, CC BY-NC-ND 2.0

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Ein beispielhaftes Bündnis mit Umweltorganisationen

Arbeiter*innen streiken gegen die Schließung einer Erdölraffinerie

Von Christian Zeller | 22.12.2020

Gute Nachrichten 2020 aus Frankreich: Der französische Erdölkonzern Total kündigte kürzlich an, dass er seine Erdölraffinerie in Grandpuits im Departement Seine-et-Marne (65 km südöstlich von Paris) bis 2024 in eine Produktionsplattform für Biokraftstoffe und Biokunststoffe umwandeln wird.

In Grandpuits öffnet sich eine Frontlinie, an der die gesellschaftliche und ökologische Verärgerung zusammenkommen!

Der Konzern beschwört die Klimawende, um die Vernichtung von Arbeitsplätzen zu rechtfertigen. Dagegen regt sich gemeinsamer Widerstand von Gewerkschaften und der Umweltbewegung. Die Beschäftigten traten bereits mehrfach in den Streik. Nach einem Beschluss an einer Vollversammlung streikten sie vom 10. bis 12. Dezember mit Unterstützung der Gewerkschaften CGT (mehrheitlich im Betrieb), FO und CFDT erneut und blockierten die Anlage. Nun spitzte sich die Auseinandersetzung zu. Am 17. Dezember forderte die Direktion die Beschäftigten auf, die Anlage zu entgasen um die Installationen möglichst rasch abzubauen. Hierauf traten die Arbeiter*innnen erneut in den Streik, blockierten die Anlage und weigerten sich diese zu entgasen. Die Direktion gestand zu, die Entgasung auf den 3. Januar zu verschieben. Damit haben die Streikenden etwas Zeit gewonnen um ein breites Bündnis aufzubauen. Die Auseinandersetzung dauert an.

Die französische Tageszeitung Libération veröffentlichte am 16. Dezember eine Erklärung des Kollektivs Soziale und ökologische Dringlichkeit (collectif Urgence Sociale et écologique). Diesem Kollektiv haben sich die Gewerkschaft CGT Grandpuits, Les Amis de la Terre France, Greenpeace France, Attac France, Union syndicale Solidaires, FSU, Oxfam France, CGT und Confédération paysanne angeschlossen. Diese Erklärung ist interessant und lehrreich, weil sie die Schwierigkeiten und Möglichkeiten einer gemeinsamen breiten Front von Gewerkschaften und Umweltbewegung gegen das Greenwashing und für einen wirklichen ökosozialen Umbau der fossilen Industrie aufzeigt.

Total Grandpuits Raffinerie: Greenwashing und Sozialabbau

Stellungnahme ursprünglich veröffentlicht auf Libération am 16. Dezember 2020

Am 24. September kündigte [der Ölkonzern] Total die Umwandlung seines historischen Standorts in Grandpuits (Seine-et-Marne) in eine „Null-Öl-Plattform“ an, die er bis 2024 auf die Produktion von Biokraftstoffen ausrichten will. Angesichts des Klimanotstandes hätte eine solche Ankündigung eine mutige Entscheidung des größten CO2-Emittenten Frankreichs sein können. Doch hinter der grünen Verpackung der Kommunikation des Ölgiganten verbirgt sich eine weit weniger tugendhafte Realität: Sozialabbau, Profitabilität als einziges Entscheidungskriterium und eine Klimastrategie, die auf Greenwashing statt auf Übergang setzt.

Die erste Konsequenz ab 2021: ein Sozialplan, der 200 der 460 Arbeitsplätze am Standort und 500 Arbeitsplätze bei den Subunternehmern, die von der Raffinerie abhängen, vernichten wird. Inmitten einer gesundheitlichen und sozialen Krise steht für Total der Erhalt von Arbeitsplätzen weit hinter der Vergütung der Aktionäre und der Aufrechterhaltung des Öl- und Gasgeschäfts zurück. Schlimmer noch, die Klimaneutralität wird als Rechtfertigung für die Vernichtung von Arbeitsplätzen benutzt, ein inakzeptabler Zynismus und Heuchelei.

Darüber hinaus hat die Entscheidung, die Erdölraffinerie zu schließen, nichts mit der [ökologischen] Transition oder dem Erhalt des Klimas zu tun. Schuld daran ist die marode 260 km lange Pipeline, die den Hafen von Le Havre mit Grandpuits verbindet und die Raffinerie mit Rohöl versorgt. Aufgrund mangelnder Investitionen in die Wartung der Pipeline kam es 2014 und zuletzt 2019 zu mehreren Lecks in der Pipeline. Diese verursachten eine lokale Verschmutzung und setzten die Raffinerie für fünf Monate außer Betrieb. Total weigert sich, die 600 Millionen Euro zu investieren, die nötig wären, um die Pipeline zu erneuern, und zieht es vor, raffinierten Kraftstoff aus anderen Teilen der Welt zu importieren.

Ausbeutung von fossilen Ressourcen

Die Situation in der Raffinerie Grandpuits ist sinnbildlich für die Herausforderungen, die wir in den kommenden Jahren bewältigen müssen, um den ökologischen und sozialen Übergang zu schaffen, den eine Mehrheit unserer Mitbürger*innen fordert. Zu diesen Herausforderungen gehören die Zukunft von Industriestandorten, regionalen Arbeitsplatzkonzentrationen und die Transformation der gesamten Wirtschaftskette, die von der Ausbeutung fossiler Ressourcen abhängt.

Wir, die im Bündnis „Plus jamais ça“ („Nie wieder“) zusammen-geschlossenen Vereinigungen der Umweltbewegung, Verbände für soziale Gerechtigkeit und Gewerkschaftsverbände, bieten den Lohnabhängigen von Grandpuits, die sich für ein wirklich nachhaltiges Projekt für den Standort einsetzen, unsere vollste Unterstützung an. Wir mobilisieren uns mit den Lohnabhängigen von Grandpuits, weil es reicht nicht, Öl durch Agrotreibstoffe zu ersetzen, um dem Raubbau an den natürlichen Ressourcen ein Ende zu setzen, und es nicht angeht, eine Transition zu propagieren, um die Vernichtung von Arbeitsplätzen zu rechtfertigen.

Eine Raffinerie in Frankreich zu schließen, um die Kraftstoffproduktion zu verlagern, ist ein schamloses Manöver, das niemanden täuscht. Total wälzt die Last der so genannten ökologischen Transition allein auf die Arbeiter*innen ab und möchte uns glauben machen, dass das Unternehmen an der Zukunft des Planeten interessiert ist, eine Zukunft, die es mit seiner unerbittlichen Lobbyarbeit zugunsten fossiler Brennstoffe und durch seine neuen Öl- und Gasprojekte in Uganda und Mosambik gefährdet.

Aus diesen Gründen verpflichten wir uns heute, den Kampf der Arbeiter*innen der Raffinerie von Grandpuits gegen den Sozialplan von Total und den fingierten „Null-Öl“-Konversionsplan zu unterstützen, selbst wenn dies bedeutet, den Raffineriebetrieb noch einige Jahre aufrechtzuerhalten. Wir verpflichten uns; das gesamte Know-how unserer Organisationen zu mobilisieren, um gemeinsam mit den Beschäftigten von Grandpuits, den Menschen in Seine-et-Marne und allen von den Ankündigungen von Total betroffenen Wirtschaftsakteuren einen echten Konversionsplan zu entwickeln, der sowohl fair als auch umweltfreundlich ist und keine Arbeitsplätze kostet.

In Grandpuits öffnet sich eine Frontlinie, an der die gesellschaftliche und ökologische Verärgerung zusammenkommen, die durch die seit mehr als drei Jahren von Emmanuel Macron und seiner Regierung betriebene Politik nur noch weiter geschürt wird. Hier werden wir zeigen können, dass es möglich ist, ein Projekt für die Gesellschaft zu entwickeln, das sowohl die klimatischen als auch die sozialen Erfordernisse berücksichtigt und den sterilen Gegensatz, in den uns die Behörden einzusperren versuchen, hinwegfegt.

CGT Grandpuits, Les Amis de la Terre France, Greenpeace Frankreich, Attac Frankreich, Union syndicale Solidaires, FSU, Oxfam Frankreich, La CGT, Confédération paysanne

Auf regionaler Ebene wird es schwierig sein, einen sozial-ökologischen Umbau zu verwirklichen. Dazu braucht es eine Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse im ganzen Land und in Europa. Es braucht die demokratische Kontrolle der wesentlichen Sektoren der Wirtschaft durch die Bevölkerung und Regierungen, die im Dienste der Lohnabhängigen und der ökologischen Konversion arbeiten. Die konkreten Auseinandersetzungen um die Raffinerie in Grandpuits zeigen, dass es möglich ist, Gewerkschaften und Umweltbewegung auf einem sozial-ökologischen Programm zusammenzubringen. Das setzt allerdings voraus, dass die Gewerkschaften sich von ihrer Unterordnung unter die Konzerninteressen und ihren althergebrachten Wachstumsvorstellungen lösen. Dabei müssen sie sowohl die Beschäftigten als auch die Aktivist*innen sozialer Bewegungen als gleichberechtigte Partner*innen akzeptieren. Die Organisationen der Umweltbewegung müssen ihrerseits offensiv den Dialog mit den Beschäftigten suchen, denn ohne die organisierte Kraft der Lohnabhängigen wird es keine sozial-ökologischen Umbau, geschweigen denn eine ökosozialistische Umwälzung aller Verhältnisse geben.

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