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Innenpolitik

Arbeiten im Einzelhandel: Arm trotz Arbeit

Von Trixi Blixer | 01.01.2007

Nicht nur bei den Ladenöffnungszeiten spielten die UnternehmerInnen im Einzelhandel den Eisbrecher für die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Auch beim Drücken der Gehälter und der massenhaften Einführung von ungeschützter Beschäftigung sind die Kaufhäuser und Supermärkte ganz vorne mit dabei.

Nicht nur bei den Ladenöffnungszeiten spielten die UnternehmerInnen im Einzelhandel den Eisbrecher für die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Auch beim Drücken der Gehälter und der massenhaften Einführung von ungeschützter Beschäftigung sind die Kaufhäuser und Supermärkte ganz vorne mit dabei.

Im Einzelhandel, d.h. in den Lebensmittelgeschäften, den Textilkaufhäusern und Baumärkten, fällt jedeR KundIn schnell auf, dass überwiegend Frauen an den Kassen beschäftigt sind. Lediglich in der männlich dominierten Baumarktatmosphäre scheinen Männer in der Beratung zu überwiegen. Wie in vielen klassischen Frauenberufen, sind auch die Gehälter im Einzelhandel sehr niedrig. Zusätzlich wurde vor allem im Verkaufsbereich die Beschäftigungsstruktur in den letzten Jahren massiv flexibilisiert.
Umstrukturierung
In kaum einer anderen Branche wurden die unbefristeten Vollarbeitsverhältnisse so nachhaltig abgebaut wie im Einzelhandel. Die großen Ketten nutzten die gesetzlichen Möglichkeiten und die Einführung der 400,- €-Jobs gnadenlos aus, um ihre Gewinnspanne auf Kosten der Angestellten zu erhöhen. Auch die Discounter, mit ihrem Preiskampf setzen dabei auf die Verbilligung der Ware Arbeitskraft. So gibt es inzwischen sowohl in den Lebensmittelmärkten und kleinen Bäckereien als auch in den Textilkaufhäusern kaum noch volle und unbefristete Arbeitsverträge.

Immer mehr Frauen müssen sich mit Teilzeitverträgen oder, noch schlimmer, ungeschützten Aushilfsanstellungen zufrieden geben. Viele Unternehmen bezahlen unter Tarif, obwohl der Tarif bei weitem kein luxuriöses Leben erlaubt. Die Aushilfskräfte und 400-Euro-JoberInnen bekommen natürlich kein Krankengeld, Überstundenausgleich oder Weihnachtsgeld.

Die oft körperlich anstrengende Arbeit mit (ähnlich wie am Fließband) sich ständig wiederholenden Bewegungen an der Kasse, fehlendem Tageslicht, Zeitdruck mit Scanvorgaben pro Minute und schweren Lasten hat gesellschaftlich ein geringes Ansehen und eine noch geringere Entlohnung. Zunehmend werden qualifizierte VerkäuferInnen und Einzelhandelskaufleute nicht mehr eingestellt, da sie noch zu „teuer“ sind.
Auf Kosten des Lebens
Neben der geringen Bezahlung und den oft ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen machen sich die immer weiter ausdehnenden Arbeitszeiten bemerkbar. Zur Samstagsarbeit als vollem Arbeitstag kommen immer längere Öffnungszeiten in den Abend hinein. Nach Geschäftsschluss, bis dato um 20.00h, muss in der Regel noch auf- bzw. eingeräumt werden, so dass Einzelhandelskauffrauen erzählen, ihr Arbeitstag ende normalerweise zwischen 21.00h und 22.00h. Familie und Freunde? Immer ein Balanceakt.

In vielen kleinen Märkten und auch in großen Ketten wie Lidl gibt es keine Betriebsräte, die auf die Einhaltung der Arbeitszeiten, den Ausgleich der Überstunden und die Planung der Schichten achten könnten. Die Beschäftigten im Einzelhandel sehen wegen ihrer schwierigen Situation am Arbeitsplatz und der hohen Fluktuation oft nur wenige Möglichkeiten, sich kollektiv zur Wehr zu setzen. Kampagnen wie die Lidl-Kampagne von ver.di helfen dabei, die Lebensbedingungen im Verkauf einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen, und zugleich Solidarität für die KollegInnen zu organisieren.

 

Andere Daten
Im Juli 2006 ist der Umsatz im Einzelhandel Thüringen gegenüber 2005 um 1,1 % und die Anzahl der Vollzeitbeschäftigten um 5,8 %, die der Teilzeitbeschäftigten um 1,7 % gesunken – und das bei Ausweitung der Ladenöffnung im Zusammenhang der Fußball-Weltmeisterschaft! Im Mai, ohne Ladenschlussausweitung, gab es ein Umsatzplus von 0,2 %, und trotzdem wurden 3,5 % Arbeitsplätze abgebaut.

 

 

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