Noch im Oktober 2003 hatte sich der Konflikt mit der Konzernleitung in Paris zugespitzt. Die Konzernzentrale wollte nicht nur 700 Arbeitsplätze vernichten, sondern drohte gar mit der Betriebsschließung. Der Betriebsrat kündigte die Fortführung des Widerstands gegen die Konzernpläne an und sprach offen von Betriebsbesetzung. Die Belegschaft beteiligte sich fast vollständig an der Arbeitsniederlegung vom 10. Oktober.
Überraschend kam dann wenige Wochen später eine Einigung zustande. Am 14. November unterzeichneten der örtliche Betriebsrat und die Geschäftsleitung einen Interessenausgleich und Sozialplan sowie eine freiwillige Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung.
Eckpunkte
Kernpunkte dieser Vereinbarungen sind:
- Betriebsbedingte Kündigungen werden bis zum 30. Juni 2007 ausgeschlossen.Alle Beschäftigten erhalten zudem die rechtlich verbindliche Individualzusage, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden.
- Statt 700 Arbeitsplätzen werden etwa 360 Stellen ohne betriebsbedingte Kündigungen in der nächsten Zeit über „freiwillige Aufhebungsverträge" und Altersteilzeitverträge abgebaut.
- Bis Ende 2005 wird die massive Auftragsflaute im Kraftwerksbereich bei Alstom durch Kurzarbeit ausgeglichen. Die von Kurzarbeit betroffenen KollegInnen erhalten 80 Prozent ihres Bruttoentgelts. Netto bedeutet das, von einigen Ausnahmen abgesehen, praktisch keine Einkommenseinbußen.
- Nach Beendigung der Kurzarbeitsphase besteht die Möglichkeit, den „Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag" anzuwenden. Das bedeutet Absenkung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 30 beziehungsweise von 40 auf 35 Stunden mit teilweisem Entgeltausgleich (Bruttoverlust von 11,9 %).
- Die angedrohte Schließung der Generatorenfabrik ist vom Tisch. Die Fertigung wird in verringertem Umfang weiter betrieben.
- Auch die Kraftwerksplanung, die faktisch geschlossen und in ein kleines „Kundenbüro" umgewandelt werden sollte, bleibt in verkleinerter Form erhalten.
- Die Zahl der Ausbildungsplätze wird auf 32 pro Jahr verringert.
- Auszubildende werden nach Abschluss ihrer Lehre für mindestens 12 Monate übernommen.
- Abfindungen werden nach dem vergleichsweise guten „alten" Sozialplan berechnet.
Aufatmen
Kaum jemand hatte mit einem derartigen Ergebnis gerechnet. Das Aufatmen in der Belegschaft war unüberhörbar. Obwohl erneut mehrere hundert Arbeitsplätze in Käfertal der Konzernpolitik zum Opfer fallen, wird das Ergebnis unter dem Strich von fast allen als Erfolg gewertet. Das Bewusstsein, dass sich der Kampf selbst gegen die scheinbar übermächtige Pariser Konzernzentrale lohnt, ist weiter gewachsen. Das Mannheimer Motto „Widerstand/Résistance ist unsere Chance!" hat sich für viele überraschend bewahrheitet.
Noch nicht völlig klar ist, warum die Konzernleitung so plötzlich im Poker um den Mannheimer Alstom-Standort kompromissbereit wurde. Sicher hat der betriebliche und überbetriebliche Widerstand in Mannheim eine zentrale Rolle gespielt. Die Konzernleitung hatte erkannt, wer im Konzern der Motor der Mobilisierungen gegen die Abbaupläne war. Nicht zuletzt die internationale Demonstration am 2. Juli in Paris hatte Eindruck gemacht. Zudem war die Alstom-Spitze vor der Aktionärsversammlung Mitte November unter enormem Druck. Sie musste den Kredit gebenden Banken Ergebnisse vorlegen.
Wie dem auch sei: Belegschaft und Betriebsrat haben erneut eine Atempause bei der Verteidigung des Kraftwerks-Standortes Mannheim-Käfertal durchgesetzt.
Bestellungen an: andrea.ziegler@power.alstom.com