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Länder

Afghanistan: Die Niederlage rückt näher

Von M. Anwar Karimi | 01.04.2009

Auch mit dem Eingeständnis des neuen amerikanischen Präsidenten Obama, den Krieg gegen Aufständische im Afghanistan nicht gewinnen zu können, und seiner Breitschaft zu verhandeln, bleibt das Schicksal der seit 30 Jahren unter Krieg leidenden afghanischen Bevölkerung weiterhin ungewiss.

Auch mit dem Eingeständnis des neuen amerikanischen Präsidenten Obama, den Krieg gegen Aufständische im Afghanistan nicht gewinnen zu können, und seiner Breitschaft zu verhandeln, bleibt das Schicksal der seit 30 Jahren unter Krieg leidenden afghanischen Bevölkerung weiterhin ungewiss.

Es sollte ein „guter Krieg“ werden, ein Krieg gegen den Terror, ein Befreiungskrieg. Ein Krieg für die Rechte der Frauen, für Demokratie und Wiederaufbau.

Und er sollte den Blick auf Amerikas Hightech-Waffen lenken, auf seine Sturmtruppen und auf seine überwältigende Feuerkraft. Er sollte ein für allemal demonstrieren, dass niemand die einzige auf der Welt verbliebene Supermacht aufhalten oder besiegen kann, dass Washington seine Truppen an jeden Ort der Welt schicken und seine Gegner nach Belieben zerschmettern kann.
Dann ging aber alles schief. Der Krieg verlief nicht nach dem Drehbuch des Pentagons. Die Taliban zogen sich zurück, warteten, gruppierten sich um und schlugen zurück. Sie erhielten Unterstützung von den Paschtunen auf beide Seiten der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan, die schnell erkannten, dass Amerika seine Zusagen niemals einhalten und die Ordnung niemals wieder herstellen würde. Die Operation Enduring Freedom hat weder Frieden noch Wohlstand nach Afghanistan gebracht, nur die Besetzung.

Auch nach acht Jahren wird das Land immer noch von Warlords und Drogenbaronen regiert. Nichts ist besser geworden. Das Land liegt in Trümmern, und die Regierung besteht nur aus Betrügern. Die demütigende Besetzung durch fremde Truppen dauert an, und das Morden geht ohne absehbares Ende weiter.
Obamas Dialog-Angebot
Den Aufstand militärisch zu vernichten, hat bislang nicht funktioniert und wird auch in Zukunft nicht funktionieren, das haben von der CIA bis zum Ex-Kommandeur der britischen Eliteeinheit SAS mittlerweile alle begriffen. Nun auch Barack Obama. Auf die Frage nach der Besiegbarkeit der Aufständischen hatte er nur ein knappes „Nein“ übrig.

Er will wie sein Vorgänger, G. Bush, zunächst mehr Soldaten ins Land schicken. Obama will bis August 2009 noch 17 000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schicken, um von der Position der Stärke heraus zu verhandeln. Doch das dürfte in Afghanistan nicht funktionieren.

Doch am Hindukusch haben deren Präsenz und vor allem deren Art der Kriegsführung, inklusive regelmäßiger Bombardements der Dörfer, bislang stets für eine Ausweitung der Kampfzone gesorgt.
Verhasst und vom Nachschub abgeschnitten
Die Versorgungsrouten der NATO waren in der Vergangenheit häufig durch Anschläge auf beiden Seiten der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan unpassierbar. Die NATO sucht deshalb seit Monaten nach Alternativen.

Während sie den aussichtslosen Krieg nach Pakistan exportieren, betteln westliche Imperialisten ihre potenziellen Kriegsziele und Konkurrenten um Hilfe an. Die NATO verhandelt auch mit dem Iran über die Öffnung von Nachschubwegen für den Krieg in Afghanistan. „Die Versorgung des Militärs in Afghanistan kann ohne Einbeziehung Irans kaum noch sichergestellt werden“, so ein NATO-Militärexperte. Die zugesagte Unterstützung Russlands entblößt die Schwäche des Westens und ist mit Forderungen verknüpft. 2009 werden nach Angaben der britischen Militärführung die Weichen für die Zukunft Afghanistans, aber auch der NATO, gestellt. „Die NATO könne sich nicht erlauben in Afghanistan zu scheitern…“ verkündete James Jones, Sicherheitsberater von Obama.
Die Lage der Bevölkerung

Nach fast acht Jahre Besatzung ist die Lage in Afghanistan dramatisch. Am Stromnetz gibt es 2009 eine Anschlussrate von 6 %, nur 13 % der Bevölkerung haben Zugang zu sauberem Trinkwasser und 25 % der Schulen sind funktionsfähig.

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des United Nations Human Development Fund (des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen) bestätigt diese Sichtweise. Er weist nach, dass Afghanistan in jeder Kategorie zurückgefallen ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist geringer geworden, die Unterernährung hat sich ausgeweitet, die Zahl der Analphabeten ist gewachsen, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung vegetiert unterhalb der Armutsgrenze. Hunderttausende Menschen wurden durch den Krieg im eigenen Land zu Flüchtlingen. Die Besetzung hat nur viel Elend, aber keine Demokratie gebracht. Der Krieg war ein einziger Fehlschlag.

Afghanistan produziert jetzt 90 Prozent des Opiums auf der ganzen Welt, mehr als jedes andere Land. Der boomende Drogenhandel ist die direkte Folge der US-Invasion. Niemand wagt das zu bestreiten. Bush hat die größte Drogenfabrik der Welt geschaffen.
Gegenwärtig existieren keinerlei Pläne, wie das Leben der afghanischen Bevölkerung verbessert und die Warlords entmachtet werden könnten. Der Wiederaufbau ist zum Erliegen gekommen. Wenn die US-Streitkräfte in Afghanistan bleiben, wird die Situation in zehn Jahren noch genau so schlimm wie heute sein, aber noch mehr Menschen werden grundlos ihr Leben verloren haben. Die meisten Afghanen wissen jetzt, dass die versprochene Demokratie eine Lüge war. Die Besetzung hat die Armut nur noch drückender und die willkürliche Gewalt noch unerträglicher gemacht.

Es gibt keinen Aufbauplan für Afghanistan. Eigentlich gibt es überhaupt keinen Plan.
Die Stärke des Widerstands
Eine Studie des  ICOS (International Council on Security and Development) besagt, der Widerstand ist in 72 % des Landes „permanent“ verankert, in 21 % des Landes „substantiell“ und nur in 7 % ist er „leicht“ präsent. Die Aufständischen gehen methodisch und wohl überlegt vor. Sie haben bewiesen, dass sie unter härtesten Bedingungen überleben können und erringen immer noch taktische Siege über viel besser ausgerüstete Feinde. Sie sind hoch motiviert und halten ihre Sache für gerecht. Sie kämpfen ja auch nicht, um ein fremdes Land zu besetzen, sondern um ihr eigenes zu verteidigen. Das stärkt ihre Entschlossenheit und ihre Moral.
Die US-Besetzung ist nur eine weitere makabre Fußnote in der tragischen Geschichte dieses Landes. Sie ist Teil seiner größenwahnsinnigen geopolitischen „Weltstrategie“, die US-Macht in dieser Region zu positionieren, mit dem Ziel ihre Ressourcen zu kontrollieren. Bisher gibt es aber keine Anzeichen dafür, dass dieser Plan aufgeht.

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