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Geschichte und Philosophie

A never ending story …

Von Gabriel Lévy | 01.12.2009

Replik auf Helmut Dahmers Artikel „Der Hitler-Stalin-Pakt und seine Folgen“ in der Avanti vom Oktober 2009.

Replik auf Helmut Dahmers Artikel „Der Hitler-Stalin-Pakt und seine Folgen“ in der Avanti vom Oktober 2009.

Genosse Helmut versucht noch einmal (siehe seinen Artikel „Vor 70 Jahren: Der Pjatakow-Radek-Prozess und Stalins Holocaust“ in Avanti vom Februar 2007) eine völlige Symmetrie zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion unter Stalin herzustellen. Es stört ihn nicht, für seine Behauptung zwei Zeugen heranzuführen, Léo Trotzki und James Burnham (Fußnote 3 und 4), die diametral gegenteilige Meinungen in dieser Frage vertraten.

Trotzki schrieb im „Manifest der IV. Internationale zum imperialistischen Krieg und zur proletarischen Weltrevolution“1 : „Viele kleinbürgerliche Radikale, die eben noch bereit waren, die Sowjetunion als eine Achse für die Sammlung der `demokratischen` Kräfte gegen den Faschismus zu betrachten, haben plötzlich, als ihre eigenen Vaterländer von Hitler bedroht wurden, entdeckt, dass Moskau, das ihnen nicht zu Hilfe kam, eine imperialistische Politik verfolgt und dass es keinen Unterschied zwischen der UdSSR und den faschistischen Ländern gibt. `Lüge!` wird jeder klassenbewusste Arbeiter entgegnen – es besteht ein Unterschied (…) Der klassenbewusste Arbeiter weiß, dass ein erfolgreicher Kampf für die vollständige Befreiung undenkbar ist ohne die Verteidigung der bereits erreichten Errungenschaften.

Die IV. Internationale kann die UdSSR nur durch die Methoden des revolutionären Klassenkampfes verteidigen. Die Verteidigung der Sowjetunion fällt im Prinzip zusammen mit der Vorbereitung der proletarischen Weltrevolution. Wir lehnen die Theorie vom Sozialismus in einem Land, jenes Hirngespinst des ignoranten und reaktionären Stalinismus, kategorisch ab. Nur die Weltrevolution kann die UdSSR für den Sozialismus retten. Aber die Weltrevolution bringt die unausweichliche Auslöschung der Kreml-Oligarchie mit sich“.

In einem Brief an die Opposition innerhalb der SWP der USA (Burnham, Schachtmann, Abern) „Eine kleinbürgerliche Opposition in der Socialist Workers Party“, vom 15. Dezember 1939 schrieb Lew Davidowitsch weiter: „Die Opposition enthüllte, dass unsere Formel der `bedingungslosen Verteidigung der UdSSR`, die Formel unseres Programms, `verschwommen, abstrakt und altmodisch (!?)` sei. Leider erklären sie nicht, unter welchen künftigen `Bedingungen` sie bereit sind, die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen. Um ihrer neuen Formel wenigstens ein Körnchen Sinn zu geben, versucht die Opposition, die Sache so darzustellen, als ob wir bis jetzt die internationale Politik der Kreml-Regierung mit ihrer Roten Armee und GPU `bedingungslos` verteidigt hätten. Alles wird auf den Kopf gestellt! In Wirklichkeit haben wir die internationale Politik des Kremls seit langer Zeit nicht verteidigt, nicht einmal bedingt, besonders seit der Zeit, als wir offen erklärten, dass man die Kreml-Oligarchie durch einen Aufstand niederwerfen muss! Eine falsche Politik verstümmelt nicht nur die gegenwärtigen Aufgaben, sondern zwingt einen auch, seine eigene Vergangenheit in falschem Licht darzustellen“.In seiner erbitterten Polemik gegen Eastmann, Burnham und Schachtmann in Verteidigung des Marxismus betonte Trotzki stets, dass es sich bei der Sowjetunion nicht, wie Dahmer es ausdrückt, um einen „totalitären“ Staat, sondern um einen aus der Oktoberrevolution entstandenen degenerierten Arbeiterstaat handelte. Er ließ keinen Zweifel daran, dass im Falle eines Krieges zwischen der Sowjetunion und Nazideutschland, den er voraussah, die Vierte Internationale bedingungslos und militärisch auf der Seite der Sowjetunion zu stehen habe.

Wohlgemerkt wurden alle diese Texte von Trotzki nach dem von Dahmer zitierten Text von Trotzki über „das Zwillingsgestirn Hitler-Stalin“ verfasst. Lew Davidowitsch hat vom „Zwillingsgestirn“ Stalin-Hitler gesprochen. Er tat es aber, bevor das ganze Ausmaß der Verbrechen des Zweiten Weltkrieges, insbesondere die Shoah, bekannt wurde.

Auch das Zitat des polnischen Schriftstellers Gustaw Herling in der Fußnote 7, halte ich für sehr unglücklich und irreführend:
 „Ich denke voll Grauen und Scham an das durch den Bug geteilte Europa; diesseits beteten Millionen sowjetischer Sklaven für ihre Befreiung durch die Hitlerarmeen und jenseits lebten Millionen in deutschen Konzentrationslagern, deren letzte Hoffnung die Rote Armee war“.

Was hatten die Menschen von den Hitlerarmeen im besetzten Europa zu erwarten? Die Menschen in der Ukraine, zum Beispiel, die anfänglich die Wehrmacht mit Blumen empfingen, besannen sich schnell eines Besseren. Nur Terror und Vernichtung waren an der Tagesordnung. Eine Niederlage der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg hätte nicht nur für lange Zeit die Versklavung der slawischen Völker, sondern auch die Vollendung der Shoah bedeutet. Ich würde auch wahrscheinlich nicht da sein, um diese Erwiderung zu schreiben.

Die Rote Armee setzte aber mit riesigen Menschenopfern, die Sowjetunion hatte 20 Millionen Opfer durch den Krieg zu beklagen, durch ihren Sieg nicht nur dem Genozid, sondern dem zweiten Weltkrieg ein Ende. Deshalb ist die Parole immer noch Spassibo! Danke!

Dies hat niemals für die Vierte Internationale eine Zustimmung zu den Racheakten der Alliierten an der deutschen Bevölkerung (Bombenterror über den Städten, Vertreibung der Deutschstämmigen aus Polen oder der damaligen Tschechoslowakei) bedeutet. Wir haben stets diese Verbrechen und Exzesse verurteilt. Unser Projekt war die Befreiung und die Zerschlagung Nazideutschlands durch die deutsche ArbeiterInnenklasse selbst.

Nichtsdestotrotz blieb die Zerschlagung Nazideutschlands ein kategorischer Imperativ. Dafür haben viele deutsche, belgische, französische GenossInnen und viele Andere, darunter die Herausgeber der Zeitung „Arbeiter und Soldat“ (gerichtet an die Soldaten der Wehrmacht im besetzten Frankreich) in der besten Tradition des proletarischen Internationalismus, ihr Leben geopfert.

1     Angenommen bei der Notkonferenz der IV. Internationale, abgehalten vom 19. bis 26. Mai 1940 in New York

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