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Länder

Nach der Regierungsbildung – Niederlande: Doppelte Niederlage der Linken

Von Leo de Kleijn | 01.12.2010

Am 14. Oktober wurde Mark Rutte, nach vier Monaten Koalitionsverhandlungen, als neuer niederländischer Regierungschef vereidigt. Die neue Regierung aus liberaler VVD und konservativer CDA wird geduldet von der rechtspopulistischen PVV von Geert Wilders. Im folgenden Artikel spiegelt sich die Besorgnis über die schwere Niederlage der Linken wider. Der hier gekürzt vorliegende Artikel ist zuerst erschienen in  „Grenzeloos“, Zeitung der niederländischen Sektion der Vierten Internationale, SAP.

Am 14. Oktober wurde Mark Rutte, nach vier Monaten Koalitionsverhandlungen, als neuer niederländischer Regierungschef vereidigt. Die neue Regierung aus liberaler VVD und konservativer CDA wird geduldet von der rechtspopulistischen PVV von Geert Wilders. Im folgenden Artikel spiegelt sich die Besorgnis über die schwere Niederlage der Linken wider. Der hier gekürzt vorliegende Artikel ist zuerst erschienen in  „Grenzeloos“, Zeitung der niederländischen Sektion der Vierten Internationale, SAP.

Ein Kahlschlag im Umfang von 18 Milliarden Euro und ein Durchbruch für offene Islamophobie in der niederländischen Politik. Das ist „Rutte I“ in aller Kürze. Den Kahlschlag mittels dem die Kosten der Krise auf die Arbeiter­Innen, Studierenden und Sozialleistungsempfänger­Innen abgewälzt werden, verdanken wir der VVD. Die Islamophobie verdanken wir der PVV. Die CDA bekommen wir beinahe kostenlos. Diese Partei bekommt die schönen Posten, selbst nach ihrem Absturz von 41 auf 21 Sitze.
Es ist nicht die eigene Kraft der Rechten, die diese Rechts-Regierung ermöglicht hat. Der traditionell große Machtblock von links, die Gewerkschaften und die PvdA (Sozialdemokratie), haben diese doppelte Niederlage ermöglicht durch 30 Jahre Rückendeckung und 30 Jahre Befolgung der neoliberalen Logik. (…)
Das Versagen der Linken
Es ist beschämend, dass zwei Jahre nach dem Beginn der tiefsten Krise der neoliberalen Ökonomie überhaupt die VVD, PVV und CDA am 9. Juni mit 76 Sitzen (von 150) die Mehrheit im Unterhaus gewinnen konnten. (…) Denn das Mantra der VVD, „Weniger Staat, mehr privat“, hat gerade nicht zu einem nachhaltigen Wachstum geführt. Die Privatisierung und Vermarktung öffentlicher Dienste und Betriebe hat nicht für eine bessere und bezahlbare Pflege, engmaschigen öffentlichen Nahverkehr oder Verbesserung der Bildung gesorgt – im Gegenteil. (…)
Eine große Schande
Dass die Krise der neoliberalen Ökonomie nicht genutzt wurde, um das System im Kern anzugreifen und mit einer kühnen und ansprechenden linken Alternative aufzuwarten, ist nicht nur eine vertane Chance, es ist eine große Schande. Denn so konnten die VVD und die CDA die politische Debatte – nach der durch Wouter Bos (PvdA) veranlasssten Bankenrettung auf Kosten der Steuerzahler­Innen – schnell und einfach hinlenken auf das Thema Staatsdefizit und „notwendige“ Einsparungen. Und auch innerhalb dieser Diskussion hat die politische Linke in den Niederlanden völlig unzureichend entgegengewirkt. Die PvdA und die Grün-Linken akzeptierten den größten Teil der Kürzungen im Staatshaushalt und die Grün-Linken verkauften sich vor den Wahlen selbst als „Reformpartei par excellence“ mit ihren Plänen zu Einschnitten bei der Erwerbslosenversicherung und der weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarkts. Selbst die SP (Sozialistische Partei, in der die SAP ein kleiner Teil ist), die Partei, die von Anfang an prinzipiell gegen den Neoliberalismus Stellung genommen hatte, dachte, dass die Regierung es besser machen könnte „mit weniger Geld“. (…)
Doppelte Rechnung
Die Gewerkschaften stehen wie die Linken vor der Wahl: Wollen wir nun endlich weg von den Sümpfen, weg von den Kompromissen, die jedesmal eine Akzeptanz für die nachfolgenden Verschlechterungen für Arbeiter­Innen und Sozialleistungsempfänger­Innen bedeuten? Werden wir uns stattdessen endlich wehren und für unsere eigenen Alternativen kämpfen? Nach den Zerstörungsplänen für den großen Teil des öffentlichen Sektors, der Sozialsys­teme und für den Mindestlohn, bekommen wir noch eine zweite Rechnung präsentiert. Die Rede ist von der Islamophobie, die Spaltung und der gegenseitige Hass, der von Geert Wilders repräsentiert wird – und nun akzeptiert und toleriert von „Mitte-“Rechts. Auch diese Rechnung geht auf das Konto der Rückendeckung und des Mangels an Antworten von links. Es sind vor allem die marginalisierten Migrant­Innen mit geringen Einkommen und wenig Zukunftsperspektive, auf die Wilders abzielt. Dies sind aber auch genau die Menschen, die auch die Gewerkschaften und der größte Teil der politischen Linken in den vergangenen Jahren im Regen stehen lassen haben. (…)
Notwendige Einschnitte
Es ist klar, dass es, um einen tiefgreifenden Einschnitt zu erreichen, notwendig ist, dass aus der „linken Kirche“ wieder eine lebendige Bewegung wird, mit Träumen und Idealen. Ein Einschnitt, der tief in das eigene Fleisch der linken Bürokrat­Innen und der linken Eliten gehen muss, um die Linke wieder zu einer glaubwürdigen Emanzipationsbewegung zu machen. Und keine, die – auch nicht heimlich – mit Verachtung und Misstrauen auf das „klootjesvolk“ („Pöbel“) sieht, sondern bereit ist, Menschen wieder zu organisieren und eine ihnen eine Perspektive zu bieten für eine bessere Zukunft. (…)

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