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Brasiliens neue Präsidentin: Die Wahlen und die PSoL

Von Thadeus Pato | 01.12.2010

Dass die Kandidatin der regierenden Arbeiterpartei (PT), Dilma Rousseff, die Präsidentschaftswahlen gewann, war keine Überraschung. Aber eine Überraschung war das Abschneiden der Kandidatin der Grünen, Marina Silva, in der ersten Runde. Denn das kostete Rousseff die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang und zwang sie in eine Stichwahl. Plinio Sampaio de Arruda, der Kandidat der PSoL, errang einen Achtungserfolg.

Dass die Kandidatin der regierenden Arbeiterpartei (PT), Dilma Rousseff, die Präsidentschaftswahlen gewann, war keine Überraschung. Aber eine Überraschung war das Abschneiden der Kandidatin der Grünen, Marina Silva, in der ersten Runde. Denn das kostete Rousseff die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang und zwang sie in eine Stichwahl. Plinio Sampaio de Arruda, der Kandidat der PSoL, errang einen Achtungserfolg.

Der amtierende Präsident Lula, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte, schickte Dilma Rousseff ins Rennen, eine gewendete ehemalige Guerillera, während die Rechte mit Jose Serra auf einen Vertreter der „Modernisierer“ in der brasilianischen Bourgeoisie setzte, der dem neoliberalen Lager zuzurechnen ist. Der Kandidatin der Grünen Partei, Marina Silva, wurden nur Aussenseiterchancen eingeräumt, und nach den letzten Umfragen vor der Wahl wurde ein Durchmarsch von Rousseff im ersten Wahlgang erwartet.

Die PSoL (Partei Sozialismus und Freiheit), die in der letzten Präsidentschaftswahl mit der Ex-Senatorin Heloisa Helena einen Überraschungserfolg eingefahren hatte (6 %) und damals Lula gegen alle Erwartungen in die Stichwahl zwang, war in sich gespalten. Heloisa Helena weigerte sich, erneut für das Präsidentschaftsamt zu kandidieren, weil sie sich in ihrem Bundesstaat Alagoas Chancen auf einen Senatorinnenposten ausrechnete. Daraufhin beschloss die Partei mehrheitlich, Plinio Sampaio de Arruda aufzustellen. Heloisa Helena allerdings plädierte für eine Wahlunterstützung für Marina Silva.
Das Ergebnis
Die Überraschung im ersten Wahlgang war das Abschneiden der Grünen Marina Silva, die mit knapp 20 % der Stimmen Dilma Rousseff die absolute Mehrheit verhagelte, und damit für eine zweite Runde sorgte. Serra landete mit 33 % auf dem zweiten Platz. Plinio Arruda de Sampaio erzielte mit knapp 1 % ein angesichts der Lage in der PSoL akzeptables Ergebnis.
Marina Silva ist keine Linke. Sie ist von ihren Positionen her am ehesten mit den deutschen Grünen vergleichbar, vertritt also einen „grünen Kapitalismus“. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass sie ihre wesentlichen Stimmengewinne nicht in den am meisten von der desaströsen Umweltpolitik der Lula-Regierung bedrohten Gebieten erzielte, sondern, wie Jose Serra, in den industrialisierten Zentren. Rousseff dagegen punktete in erster Linie in den ländlichen Regionen.

Für die Stichwahl hatte Marina Silva übrigens keine Empfehlung abgegeben. Aber das Ergebnis der Stichwahl, bei der Rousseff mit 55 % gegen Serra (44 %) obsiegte, zeigte, daß die Mehrheit ihrer Wähler­Innen für die Kandidatin der PT stimmten.
Das Abschneiden der PSoL
Der Streit um die Präsidentschaftskandidatur geriet in der PSoL zur Zerreissprobe – nicht nur wegen der Weigerung Heloisa Helenas, erneut anzutreten, was für die Partei das Beste gewesen wäre, sondern auch, weil sie öffentlich für die Unterstützung Marina Silvas eintrat (dabei war sie allerdings nicht allein, der wiedergewählte Abgeordnete Ivan Valente von der Strömung APS z. B. unterstützte Silva ebenfalls).

Immer noch ist die PSoL mehr eine Bündnisorganisation als eine wirkliche Partei, und die verschiedenen traditionellen Strömungen kämpfen um ihren Einfluss. Durch die Wahl haben sich die Gewichte sichtbar verschoben: Heloisa Helena scheiterte in Alagoas (mit einem allerdings sehr guten Resultat). Insgesamt hat die PSoL wie bisher drei Abgeordnete im Bundesparlament bekommen. Hinzukommen zwei Senator­Innenposten (vorher einer) und vier (bisher drei) Abgeordnete in den Parlamenten der Bundesstaaten.
Von den Strömungen innerhalb der PSoL hat der MES seine Abgeordnete Luciana Genro verloren und ist in einer Krise, weil er seine Politik um dieses Mandat herum aufbaute. Der MTL, der mit MES und Heloisa Helena zusammenarbeitete, hat zugewonnen, wobei innerhalb dieses Blockes zunehmende Differenzen aufgetreten sind. Die APS hat deutlich an Gewicht gewonnen. ENLACE („Verbindung“), die Strömung, der die Genoss­Innen der Vierten Internationale angehören, hat zwar mit Joao Alfredo einen Abgeordneten verloren (wenn auch mit einem excellenten Resultat), aber sich insgesamt eher stabilisiert und ist relativ optimistisch.
Insgesamt ist das Resultat der PSoL angesichts der Lage in Brasilien einerseits und den internen Problemen im Vorfeld der Wah­len positiv: Ihr Einfluss ist nicht geschrumpft, und eventuell bieten die internen Kräfteverschiebungen die Chance für eine Neuausrichtung. Für die Stichwahl hatte die PSoL die Parole ausgegeben, der Rechten, d. h. Serra, keine Stimme zu geben, aber sie rief nicht zur Wahl Rousseffs auf. Plinio Arruda de Sampaio für seinen Teil hat erklärt, daß er ungültig wählen werde.

Heloisa Helena hat nach ihrer Wahlniederlage in Alagoas und angesichts der Differenzen mit der PSoL-Mehrheit ihren Rücktritt aus der Leitung der Partei erklärt. Das ist angesichts der Kritik aus den eigenen Reihen nur zu verständlich: Am 19.11. veröffentlichte die Zeitung Pagina 13 ein internes Kritikpapier prominenter PSoL – Mitglieder aus der Provinz Alagoas, in dem scharfe Kritik am Verhalten Helena Heloisas im Wahlkampf geäußert wird.

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