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Innenpolitik

Der Verrat der Grünen

Von B. B. | 01.07.2011

Während die Mehrheit der Bevölkerung den schnellen Atomausstieg will, votiert die große Mehrheit des Bundestags für die Fortschreibung des Atomprogramms bis 2022. Dazu gehören auch Die Grünen, die damit ihre Forderung nach Ausstieg bis 2017 aufgeben.

Während die Mehrheit der Bevölkerung den schnellen Atomausstieg will, votiert die große Mehrheit des Bundestags für die Fortschreibung des Atomprogramms bis 2022. Dazu gehören auch Die Grünen, die damit ihre Forderung nach Ausstieg bis 2017 aufgeben.

Die Katastrophe in Fukushima und die Proteste der Anti-Atom-Bewegung erreichten, dass CDU und CSU ihre im September 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke bis 2036 auf das Jahr 2022 zurücknahmen. Auch SPD und Grüne, die mit dem Atomgesetz von 2002 die Laufzeit für Atomkraftwerke bis zum Jahr 2023 festgelegt hatten, änderten ihre Positionen.

Die SPD forderte nun den Ausstieg bis 2020, Die Grünen bis 2017. Während sich die CDU/CSU um 14 Jahre bewegt hat, „bewegten“ sich die SPD um 3 Jahre und Die Grünen um 6 Jahre. Anders ausgedrückt: Jede der drei Kernschmelzen in Fukushima war der SPD eine Reduzierung der Laufzeit um ein Jahr, den Grünen um zwei Jahre wert. Und selbst das nur in Worten. Wenn sie für Merkels „Atomkonsens“ votieren, stimmen SPD und Grüne sogar für eine um ein Jahr kürzere Laufzeit als mit ihrem Atomgesetz vom Jahr 2002.
Von den 530 anwesenden Bundestagsabgeordneten von CSU, CSU, FDP, SPD und Grünen stimmten 513 MdB der Forschreibung des Atomprogramms bis 2022 zu. Das sind 97 Prozent, während kanpp über 50 % der Bevölkerung für einen schnellen Atomausstieg ist. Das zeigt in dieser zugespitzten Frage, dass das Parlament keineswegs die Interessen der Bevölkerung, geschweige denn der Arbeiter­Innenklasse vertritt.
Parlamentarische Mechanismen
Die Anti-Atom-Bewegung hätte auch eine schnellere oder sofortige Abschaltung erreichen können. Doch das sollen die  Mechanismen des Parlamentarismus verhindern. Weil „für uns Grüne der breite Konsens möglichst aller politischen Parteien im Bundestag für den Ausstieg aus der Hochrisikotechnologie Atom ein Wert an sich (ist)“, haben die Grünen mit CDU/CSU und SPD gemeinsam gestimmt. In der Abschaltung einiger Schrottmeiler sehen Die Grünen einen „epochalen Sieg der Grünen“ und einen „historischen Durchbruch“. Tatsächlich stimmen sie für die Fortschreibung des Atomprogramms um 11 Jahre bis zum Jahr 2022.

Damit verraten Die Grünen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung, die Ziele der Anti-Atom-Bewegung und ihre eigene Ausstiegsoption bis zum Jahr 2017. Auch Gregor Gysi warf ihnen Verrat ihrer eigenen Ziele vor. Dass Die Grünen für ihren Marsch durch die Institutionen alles zu opfern bereit sind, kann nach Hartz IV und dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan nicht mehr überraschen (s. dazu auch die Buchbesprechung auf S. 12).
Den Ausstieg dem Konsens geopfert
Während die Anti-Atom-Bewegung die sofortige Abschaltung der AKW gegen die Energiekonzerne und gegen die Regierung durchsetzen will, streben Die Grünen den „gesellschaftlichen Konsens“ an. Was sie darunter verstehen, äußerte kürzlich Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Deutschland stehe mit dem „grünen Jahrhundertprojekt vom ökologischen Umbau der Wirtschaft […] vor einem neuen Zeitalter“ und übernehme damit „klimapolitisch“ und „industriepolitisch die Führung in Europa“. Ein „breiter gesellschaftlicher Konsens“ sei „für dieses Projekt“ von „zentraler Bedeutung“. Aus dieser Sicht ist für Kretschmann ein „All-Parteien-Konsens“ beim angeblichen Atomausstieg „wichtiger als der geforderte schnelle Ausstieg bis zum Jahr 2017“. Damit fällt für Herrn  Kretschmann auch „eine wesentliche Hürde“ für eine Bundesregierung „Schwarz-Grün“ (Tagesspiegel 13.6.2011).

Angesichts der sozialen Lage in Griechenland, Portugal, Spanien, Irland oder England könnte mensch Kretschmanns Perspektive als größenwahnsinnig abtun. Aber auch die KapitaleignerInnen, selbst geschockt durch Fukushima, beim  Atomausstieg tief gespalten, im eigenen Land wirtschaftlich im Aufwind, durch das Anhalten der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise verunsichert, brauchen Visionen. Und weil die FDP nur Durchhalteparolen bietet, werden Die Grünen als moderne grün-neoliberal-ökologische Partei für das Kapital immer interessanter.
Die Konsenspolitik von Grünen und SPD verhindert nicht nur eine Regierungskrise. Selbst  der Chef der RWE Deutschland AG Neuhaus diskutierte kürzlich mit der Vertreterin der Grünen Bundestagsfraktion Bärbel Höhn.  Neuhaus: „Wir müssen dieses Land gemeinsam umbauen. Ich freue mich über einen möglichen Konsens. Wir sind bereit, das mit anzugehen“. Die Grünen in NRW und RWE vereinbarten einen nächsten Gesprächstermin.
Grüne spalten Anti-Atom-Bewegung
Bisher versuchten Die Grünen, die sich oft genug als parlamentarischer Arm der Ökologie-Bewegung aufspielten, sich bei allen Anti-Atom-Protesten als Partei an die Spitze zu setzen. Heute versuchen sie innerhalb der Bewegung, die Atompolitik der Bundesregierung CDU/CSU als einen „historischen Sieg der Anti-AKW-Bewegung“ zu verkaufen. Noch gefährlicher ist die Illusion der Grünen, dass „der Kampf der Pro-Atomparteien dagegen zu Ende ist“. Da aber die große Mehrheit der Anti-Atom-Bewegung an der sofortigen Abschaltung festhält, läuft die Politik der Grünen auf die Spaltung der Anti-Atom-Bewegung hinaus.

 

AKW am Netz bis…
Atomgesetz 2002:
Neckarwestheim 2 bis 2023

Laufzeitverlängerung 2010:
Neckarwestheim 2 bis 2036

„Atomkonsens“ 2011:
Neckarwestheim 2 bis 2022

 

 

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