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Wahlen ohne Wahl in Portugal

Von MiWe | 01.07.2011

Die portugiesischen Parlamentswahlen vom 5. Juni waren von Anfang an als offene Farce angelegt.

Die portugiesischen Parlamentswahlen vom 5. Juni waren von Anfang an als offene Farce angelegt.

Steuersenkungen zugunsten der Unternehmen und Reichen sowie Privatisierungen zum Wohle des (Auslands)kapitals und die Bankenrettung nach Ausbruch der Krise haben die portugiesischen Staatskassen konsequent geleert. Dadurch stieg die Außenverschuldung des Landes ganz erheblich. Die EU-Finanzminister machten daraufhin die Gewährung weiterer Finanzhilfen von der strikten Einhaltung weiterer Austeritätsmaßnahmen zulasten der Lohnabhängigen und einfachen Bevölkerung abhängig. Ja sie gaben sogar den zeitlichen Ablauf für die Durchführung der Sparpolitik ganz penibel vor. Die staatstragenden Parteien – von der rechtskonservativen CDS bis hin zur Sozialdemokratie mussten sich im Vorfeld auf die widerspruchslose Durchführung dieser „Reformen“ im Eildurchgang und ungeachtet des Wählerwillens verpflichten.

Insofern waren die Wahlen zur bloßen Makulatur geworden und entsprechend gering die Resonanz unter dem ärmeren und prekarisierten Teil der Bevölkerung (die Nichtwähler stellten mit 42 % die relative Mehrheit der Wahlberechtigten). Diejenigen, die zur Wahl gingen, bevorzugten dann gleich das Original – die traditionell bürgerlichen Parteien als die authentischeren Sachwalter – und straften die Sozialdemokratie mit einer historischen Niederlage ab. Die Regierung Sócrates hatte schließlich im vorauseilenden Gehorsam die Sparprogramme durchgeführt und sich damit hinreichend diskreditiert.

Enttäuschend war das Gesamtstimmenergebnis für die Linke. Die KP konnte im Bündnis mit ihren Vorfeldstrukturen zwar ihre Stammwählerschaft mobilisieren und gegenüber den Vorwahlen 2009 einen zusätzlichen Parlamentssitz erobern. Und selbst die nur noch als historisches Relikt aus bewegten Zeiten der Nelkenrevolution dahinsiechende PCTP/MRPP maostalinistischer Herkunft konnte ihr Ergebnis recht deutlich auf 1,13 % verbessern. Beide Parteien verfingen mit ihrer arg nationalistischen Rhetorik wohl bei einem dafür empfänglichen Teil der Betroffenen – ein äußerst zweifelhafter Erfolg, da dies Potenzial jederzeit nach rechts kippen kann.
Einbruch
Einen richtigen Einbruch hingegen erlebte der Linksblock – ein seit über 10 Jahren bestehendes ursprüngliches Bündnis aus der portugiesischen Sektion der IV. Internationale, einer ex-maoistischen Organisation und KP-Dissidenten, das seit seiner Gründung kontinuierlichen Auftrieb als Kristallisationspunkt der antikapitalistischen Kräfte erlebt hatte. Seine Wählerschaft hat sich in absoluten Stimmen nahezu halbiert (5,19 %), und nur noch acht statt zuvor sechzehn Abgeordnete ziehen ins Parlament ein. Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein – Fernando Rosas als einer der historischen Führer spricht von einer volatilen (wechselbereiten) Wählerbasis. Aber zweifellos sind strategische Fehlentscheidungen, nämlich die kaum kaschierte perspektivische Ausrichtung auf eine Allianz mit der PS ohne Sócrates, ausschlaggebend. Jüngstes Beispiel dieser Politik ist die Unterstützung des (unterlegenen) PS-Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen. Bei aller (parlamentarischen) Umtriebigkeit erscheinen auch manche Initiativen, wie etwa das Audit zur Außenverschuldung – zu sophistisch bzw. abgehoben, um den durch existenzielle Nöte geplagten Portugiesen als realistische Alternative zu erscheinen. Sehr viel handfester kommt dann schon die von Spanien herüberschwappende Bewegung der „Indignados“ daher, die sich auch in den größeren Städten Portugals zunehmend manifestiert.

Eine detaillierte Bewertung beider Phänomene – des Einbruchs des mit uns verbundenen Linksblocks sowie des Aufschwungs der Bewegung auf den öffentlichen Plätzen (nach Nordafrika inzwischen in ganz Südeuropa zu beobachten) – steht noch aus.

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