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Länder

Schöner einkaufen mit Euro-Bonds

Von Jakob Schäfer | 01.09.2011

Der Präsident der EU-Kommission José Barroso hat inzwischen schon eingestanden, dass es sich nicht mehr nur um eine Krise der EU-Peripherie handelt. In Wirklichkeit aber ist es eine Krise der Weltwirtschaft.

Der Präsident der EU-Kommission José Barroso hat inzwischen schon eingestanden, dass es sich nicht mehr nur um eine Krise der EU-Peripherie handelt. In Wirklichkeit aber ist es eine Krise der Weltwirtschaft.

Deswegen musste jetzt mehr geschehen, als nur den nächsten Schutzschirm aufzustellen (oder zu vergrößern). Vor allem die Herrschenden in Deutschland (etwas modifiziert gilt das auch für Frankreich) wittern in dem neuen Handlungszwang eine Chance, mittel- und langfristig die Gewichte zu verschieben und die eigene Stellung innerhalb der EU zu stärken. Deswegen die intensive Debatte über eine europäische Wirtschaftsregierung versus Einführung von Euro-Bonds. Beiden Varianten gemeinsam ist, dass sie nur umgesetzt werden, wenn sie mit einem (mindestens partiellen) Souveränitätsverlust der Schuldnerländer einhergehen.  Die europäische Wirtschaftsregierung hätte den großen Vorteil, dass damit direkter und brutaler den Ländern mit den größten Schwierigkeiten (vor allem den PIIGS-Staaten: Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien) eine Sparpolitik aufgezwungen werden könnte, die den Sozialabbau vorantreibt und gleichzeitig die dortige Industrie in wenigen Jahren als Konkurrenten (fast) vollständig ausschalten würde. Das Dumme daran: Es würde dem deutschen Kapital nur kurzfristige Gewinnmöglichkeiten eröffnen, denn wenn die kaufkräftige Nachfrage in diesen Ländern noch mehr zusammenbricht, nutzt auch das Ausschalten der dort ansässigen Konkurrenz nichts mehr.

Euro-Bonds haben zurzeit in deutschen Kapitalkreisen nur eine geteilte Anhängerschaft, weil dies die hiesigen Zinsen anheben würde und auf jeden Fall den Trend zur sogenannten Transferunion stärken, zumindest politisch fördern würde. Genau das will das deutsche Kapital in seiner Mehrheit (noch) nicht, und die schwarz-gelbe Regierung traut sich dies nicht (vor allem aus wahltaktischen Gründen). Dabei ist dies in der Logik der neoliberalen Politik (nämlich erst mal nur Zeit gewinnen!) heute die näher liegende Variante. Denn die Wirtschaftsregierung lässt sich nicht innerhalb weniger Monate etablieren; die Euro-Bonds schon.

Der Vertrauensverlust der Märk­te in die reale wirtschaftliche Entwicklung (nicht nur, aber gerade auch in der EU) lässt es einfach nicht zu, dass monatelang oder jahrelang nicht gehandelt wird. Aufgrund der Dynamik der Wirtschaftskrise kann die Frage der Euro-Bonds deswegen sehr schnell zur Schicksalsfrage der schwarz-gelben Koalition werden und der nächsten großen Koalition ins Amt verhelfen.
Zeit gewinnen?
Die Euro-Bonds würden die griechischen und anderen Anleihen kurzfristig besser absichern, aber grundlegend ändert das natürlich nichts an den Wirtschaftsdaten. Im letzten Quartal (II/2011) wies das Wirtschaftswachstum der BRD gerade mal ein minimales Plus von 0,1 % auf. Viel schneller, als manche erwartet hatten, wirkt sich das international geschwächte Wirtschaftswachstum (vor allem in der EU, in die ein Großteil der BRD-Exporte geht) und die stag­nierende inländische Kaufkraft auf die Absatzmöglichkeiten der deutschen Industrie aus. Die Auswirkungen des aktuellen Börsencrashs werden noch hinzukommen. Für die nächste Zeit stellt sich die Krise erst mal als eine Chance für die deutsche Industrie und das anlagehungrige Kapital dar. Bei der Bewilligung des zweiten Pakets von Krisenkrediten für Griechenland (21.7.2011) wurde erzwungen, dass das dortige Kürzungs- und Sozialabbauprogramm verschärft wird  und dass das Privatisierungsprogramm forciert wird. Es droht ein regelrechter Ausverkauf griechischen Staatsvermögens, und zwar zu Ramschpreisen. Teile der griechischen Infrastruktur, Gebäude und Grundstücke sollen verscherbelt werden. Als Vorbild dient die deutsche Treuhand. Ein paar Beispiele: Die Lotteriegesellschaft Opa soll für 1 Mrd. € verkauft werden. Der Clou: Sie bringt einen jährlichen Reingewinn von 1 Mrd. €! Die Deutsche Telekom will für 400 Mio. € ihren Anteil an der griechischen OTE von 30 auf 40 Prozent erhöhen (der Wert dieser Transaktion: 700 Mio. €; vor 3 Jahren mussten für die 30 % noch 4 Mrd. hingeblättert werden); Fraport will 55 % des Flughafens von Athen übernehmen, RWE will DEH (das staatliche griechische Energieversorgunsunternehmen) übernehmen usw.

Aber auch all diese Chancen sind etwas Relatives, denn wenn sich die Wirtschaftskrise akut zuspitzt, wird das nur wenig bringen.
So oder so wird man die Arbeiter­Innenklasse noch mehr zu schröpfen versuchen. Die Gegenwehr ist deswegen politisch recht kompliziert, weil auf der einen Seite die Gewerkschafen europaweit völlig versagen und auf der anderen Seite die Rechtspopulisten in einigen sogenannten Geberländern (Finnland, Österreich, Niederlande) mit rechten Parolen gegen Stützungsmaßnahmen mobilisieren und dabei den Rassismus pushen.

 

Ratingagenturen
In der Öffentlichkeit, seitens der Regierungschefs und der Mainstreammedien, wird der Einfluss der Ratingagenturen auf die steigenden Zinsen für Länder wie Griechenland usw. beschworen. Ratingagenturen sind unnötig. Die Agenturen handeln im Interesse ihrer Besitzer: Blackrock, Fidelity Investments, Capital Investors, Morgan Stanley, Allianz. Das sind die größten Vermögensverwalter der Welt. Sie kaufen auch Staatsanleihen und haben dabei folgende Interessen: 1. Die Staaten sollen möglichst hohe Schulden haben. 2. Sie sollen möglichst hohe Zinsen zahlen. 3. Sie sollen möglichst lange zahlen. 4. Die Rückzahlung soll sicher sein.
Solange der Euro nicht aufgegeben wird (und dafür gibt es zurzeit keine Anzeichen), haftet die EU praktisch für diese Schulden. So hatte Irland 2009, als die Blase schon anfing zu platzen, noch die Bestnoten AAA und wurde erst danach abgestuft. Es sollte erst mal weiter Geld dort reinfließen, bevor man mit der Herabstufung die Zinssätze anheben konnte. Vor diesem Hintergrund bedeutet „Rettung“ immer nur Rettung der Interessen der Anleihekäufer­Innen.
Wären die Bewertungen durch die Banken anders, wenn es die Ratingagenturen nicht gäbe? So oder so legen sie die Zinsen zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens oder eines Staates nach „Marktlage“ fest. Auch das Ansinnen, den „drei großen Agenturen der USA“ (Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) eine EU-eigene entgegenzusetzen, würde an den Mechanismen nichts ändern, denn schließlich sind auch die heute dominierenden „drei Großen“ international verflochten. Fitch z. B. ist zu 60 % im Besitz von Fimalac, einer französischen Finanzholding.   Im Schnitt fertigt jede Beschäftigte der „drei Großen“ pro Arbeitstag etwa vier Ratings an. Die Ratingagenturen sind sehr profitable Abzocker und zu einem kleinen Grad Beschleuniger der Krise, aber nie und nimmer di
e Verursacherinnen derselben.

 

 

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