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Länder

Wie der Herr Assad einmal Recht bekam

Von Thadeus Pato | 01.09.2011

Gerade erst hatte die ominöse „Internationale Gemeinschaft“, in Fachkreisen auch als internationale Gemeinheit bekannt, den syrischen Präsidenten zum Ende der Gewalt gegen die Protestwelle in seinem Land aufgefordert, da platzte in Großbritannien die Bombe. Der soziale Sprengstoff, den, beginnend mit Margaret Thatcher, seitdem alle britischen Regierungen über Blair bis Cameron fleißig angehäuft hatten, war hochgegangen.

Gerade erst hatte die ominöse „Internationale Gemeinschaft“, in Fachkreisen auch als internationale Gemeinheit bekannt, den syrischen Präsidenten zum Ende der Gewalt gegen die Protestwelle in seinem Land aufgefordert, da platzte in Großbritannien die Bombe. Der soziale Sprengstoff, den, beginnend mit Margaret Thatcher, seitdem alle britischen Regierungen über Blair bis Cameron fleißig angehäuft hatten, war hochgegangen.

Der syrische Botschafter bei der UNO, Bashar Djaafari, zog umgehend eine Parallele zu den Unruhen im eigenen Land: Hier wie dort handele es sich um Bandenkriminalität. Ganz so Unrecht, wie die empörten Zeitungskommentatoren meinen, hat er nicht.
Globalisierte Wut …
Das, was sich jetzt in Großbritannien an Wut und Frustration Bahn bricht, reiht sich ein in den Tsunami von Rebellionen und sozialen Protesten, der den Globus in den letzten Monaten überrollt. Und die Ursachen sind im Grundsatz überall die gleichen. Seit den achtziger Jahren wurde versucht, der lang andauernden Verwertungskrise des Kapitals seitens der mit der Verwaltung der Misere betrauten nationalen Agenturen der Bourgeoisie, gemeinhin als „Regierungen“ bezeichnet, mit den immer gleichen Mitteln beizukommen: Verschuldung, Abbau sozialer Leistungen (soweit noch vorhanden), Prekarisierung, Globalisierung und nicht zuletzt Krieg.

Es hat alles nichts geholfen. Mit der sogenannten Finanzkrise von 2008 wurde die Rechnung für diese Strategie präsentiert. Aber zahlen sollen nun erneut die, die bereits den zwanzigjährigen Aufschub des voraussehbaren Crashs mit Lohnkürzungen, Rentenklau und zunehmender Privatisierung der Gesundheitsversorgung wie des Bildungssystems bezahlt haben – von den Folgen des ungehemmten Raubbaus für Umwelt und Klima ganz zu schweigen. Sie sollen erneut die Profitraten retten – nicht nur die Regierung in Großbritannien hat bereits die nächste Runde in dem Feldversuch „wie viel Armut verträgt der Mensch“ eingeläutet. Und China fordert öffentlich von den USA weiteren Sozialabbau, um seine gehorteten US-Staatsanleihen nicht endgültig abschreiben zu müssen.

Die „Indignados“ im Spanischen Staat, die streikenden Arbeiter­Innen in Griechenland, die Aufstände in der arabischen Welt, die Massendemonstrationen in Israel, die Straßenkämpfe der Schüler­Innen und Student­Innen in Chile und jetzt die gewaltsamen Proteste in den Metropolen Großbritanniens – das alles sind die logischen und verständlichen Folgen der Jahre, nach denen von dem Versprechen, dass der Kapitalismus Wohlstand für alle schaffen werde, nur eines übrig geblieben ist, nämlich der ganz gewöhnliche Kapitalismus selbst, in dem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.
… und die übliche Antwort
Und wenn sich die aufgestaute Erbitterung Bahn bricht, dann handelt es sich nach der Lesart derer, die die herrschenden Zustände zu verantworten haben, um „kriminelle Machenschaften“, denen mit den Methoden begegnet wird, wegen derer mensch soeben noch die Herren Mubarak, Ghaddafi, Assad und Konsorten an den Pranger gestellt hat: Überwachung, Polizei, Massenverhaftungen bis hin zum elfjährigen Migrantenkind, Schnellgerichte.

Merke: Wenn die Sozialsysteme, oder was von ihnen noch übrig ist, zerstört werden, wenn wie in Spanien 45 % der unter Fünfundzwanzigjährigen arbeitslos sind und nach neueren Untersuchungen in der gesamten EU 20 %, wenn in Deutschland der Spitzensteuersatz gesenkt wird oder wenn wie in Chile eine vernünftige Universitätsbildung nur der bekommt, der mehr als 1000 Dollar im Monat bezahlen kann, dann ist das nicht kriminell. Wenn aber die Betroffenen auf einmal dazu übergehen, das einzufordern, was ihnen in den Sonntagsreden der damit beauftragten Werbeträger des besten aller Systeme, den Merkels, Camerons, Obamas, Zapateros unentwegt versprochen wurde, dann kommt die Polizei, oder, wenn das nicht reicht, die Armee, wie es der britische Premier am 11. August androhte.
In einem Interview mit der „Tagesschau“ hat der in Cambridge lehrende Philosoph Raymond Geuss die Situation treffend charakterisiert. Er sagte: „Im Grunde ist das System am Ende. Im Rahmen dieses ökonomischen Systems in Großbritannien ist keine Lösung möglich“. Allerdings ist es nicht, wie er meint, mit einer durchgreifenden „Umverteilung“ getan. Die Frage ist nicht, ob durchgegriffen werden muss, sondern, gegen wen. Im Gefängnis in Großbritannien und anderswo sitzen nach den Protesten schlicht die Falschen. Bashar Djafaari hat folglich nur etwas verwechselt: Nicht die Menschen auf der Straße  in London wie in Damaskus sind die Kriminellen. Die sitzen in der Regierung.

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