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Länder

Auf Leoparden in den Jemen?

Von B. B. | 01.10.2011

Die zweihundert Leopard-Panzer, die die Bundesregierung dem Königreich Saudi-Arabien liefert, sind nicht nur ein glänzendes Geschäft für die deutsche Rüstungsindustrie. Sie ermöglichen der saudischen Diktatur auch die Intervention in den Jemen.

Die zweihundert Leopard-Panzer, die die Bundesregierung dem Königreich Saudi-Arabien liefert, sind nicht nur ein glänzendes Geschäft für die deutsche Rüstungsindustrie. Sie ermöglichen der saudischen Diktatur auch die Intervention in den Jemen.

Das reaktionärste Regime der arabischen Welt ist Saudi-Arabien. Kunstprodukt des englischen und amerikanischen Imperialismus nach dem 1. Weltkrieg ist Saudi-Arabien seiner Verfassung nach eine absolute Monarchie und versteht sich als konservativ-islamischer Gottesstaat. Die saudi-arabische Selbstherrschaft ist neben Israel der wichtigste Verbündete der USA in der Region. Während die „demokratischen“ Großmächte die Diktaturen in Syrien und vorher Libyen zu stürzen versuchen, bleibt das Regime in Saudi-Arabien, das im „Demokratie-Rating“ an 159. Stelle von 167 Staaten steht, fast gänzlich von Kritik verschont – weil der Imperialismus auf dessen Ölvorräte angewiesen ist.

Durch die arabische Revolution herausgefordert ist Saudi-Arabien nicht nur der „Finanzier der Konterrevolution“ (Süddeutsche Zeitung), sondern deren Hauptbastion. Dies zeigte sich an der Intervention in Bahrain im März 2011, als die Militärkolonnen von vier Monarchien des Golf-Kooperationsrates, bestehend aus 1200 Soldaten Saudi-Arabiens, Marineeinheiten Kuwaits, 45 Offizieren aus Katar und 800 Soldaten der VAR die Monarchie des Hamad bin Isa Al Chalifa vor der eigenen Bevölkerung retteten und damit der arabischen Revolution eine erste Schlappe bereiteten.
Gegen Aufstände im Jemen
Genügten zur Niederschlagung der Proteste in Bahrain 2000 ausländische Soldaten mit leicht gepanzerten Fahrzeugen, so dürfte ein solcher Einsatz gegen den Jemen erheblich schwieriger werden. Dort stehen sich nicht nur die Eliten des alten Regimes, gespalten in Anhänger­Innen und Gegner­Innen des Präsidenten Ali Abdullah Salih, feindlich gegenüber. Hinzu kommen noch die sich auf den Südjemen stützende demokratische und sozialistische Oppositionsbewegung, schiitische Aufständische im Nordjemen und Gruppen von al-Qaida. Während die Insel Bahrain mit ihren nur 1,2 Mio. Menschen eine Invasion erleichterte, dürfte der größtenteils gebirgige Jemen mit seinen 24,1 Mio. Einwohner­Innen einem Einmarsch Saudi-Arabiens, das auch nur 28,4 Mio. Bewohner­Innen zählt, vor große Probleme stellen. Zwar sind Kampfwagen in Bergen nicht einsetzbar, aber um die jemenitischen Straßen und Städte zu kontrollieren, bräuchte der „Hort der Konterrevolution“ schwere Panzer. Die Bundesregierung liefert sie und ermöglicht damit einen vorhersehbaren Krieg Saudi-Arabiens im Jemen.
Wenn der Bundestag debattiert …
Am 6. Juli war das Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien im Bundestag Thema, nachdem vorher der Bundessicherheitsrat den Deal abgesegnet hatte. Viel ist den Protokollen nicht zu entnehmen, berief sich die Bundesregierung doch auf ihr Recht zur „Geheimhaltung“. Um also das Geschäft mit der saudischen Diktatur möglichst geräuschlos über die Bühne zu bringen, wurde das parlamentarische Mäntelchen fallen gelassen und durch Methoden des diktatorischen Geschäftspartners ersetzt.

Auf Anfragen der parlamentarischen Opposition antwortete Staatssekretär Otto: „Jedermann hier im Hause ist bekannt, dass Saudi-Arabien auch eine regionale Schutzmacht, oder: eine regionale Großmacht im Verhältnis zum Iran darstellt. Wir haben die unterschiedlichen Sicherheitsinteressen, die in diesem Zusammenhang bestehen, abzuwägen“. Staatsminister von Klaeden ergänzte: „Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: Saudi-Arabien beteiligt sich an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. […] Die Möglichkeit eines geordneten Machtübergangs im Jemen durch den Golfkooperationsrat wäre ohne die Unterstützung Saudi-Arabiens undenkbar. […] Ich finde jedenfalls, dass wir mit Saudi-Arabien einen wichtigen strategischen Partner haben“.

In der Debatte wurden von der parlamentarischen Opposition so manche Widersprüche der Regierungspolitik aufgezeigt. Aber weder wurde die Rüstungsindustrie an den Pranger gestellt, noch die mögliche militärische Intervention im Jemen angesprochen.
Export- und Kassenschlager
Je nach technischer Ausstattung kostet heute ein „Leopard 2“ zwischen 3 und 12 Mio. Euro. Bei einem Gesamtpreis von 1,2 Milliarden Euro entsprechen die 200 an Saudi-Arabien gelieferten Leopard 2 einem Stückpreis von 6 Mio. Euro, was allgemein der Durchschnittspreis des Modells sein dürfte. Bei insgesamt 3 000 produzierten Leopard 2 hätten die Panzerproduzenten Krauss-Maffei-Wegmann, Rheinmetall und Hunderte andere Unternehmen rechnerisch ca. 18 Mrd. Euro Umsatz gemacht. Dagegen erscheinen die Entwicklungskosten des Panzers mit ca. 600 Mio. DM fast schon läppisch.

Aus wirtschaftlichen und politischen Interessen wurde der Leopard 2 exportiert nach: Chile (172 Stück), Dänemark (69), Finnland (139), Griechenland (183), Kanada (112), Katar (36), Niederlande (445), Norwegen (52), Österreich (114), Polen (128), Portugal (37), Schweiz (380), Schweden (160), Singapur (102), Spanien (327) und die Türkei (298).

Insgesamt hat die deutsche Rüstungsindustrie seit 1980 ca. 15 000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge verschiedenster Modelle gebaut. Bis 2016 ist der Bau weiterer 5 500 Panzerfahrzeuge geplant. Zwar ist besonders die Bundeswehr Großkunde der Rüstungswirtschaft, aber der Hauptteil des Panzergeschäfts geht in den Export. In diesem Bereich ist Deutschland heute Weltmarktführer, während es bei der Ausrüstung von Armeen schon 10 % Weltmarktanteil erreicht, hinter den USA mit 31 % und Russland mit 25 Prozent.
„European Defence Technological and Industrial Base“
Zur Strategie der Rüstungsindustrie gehört der Erhalt ihrer Profite und ihrer Kapazitäten. Die Europäische Verteidigungsagentur, zentrale „Denkfabrik“ zum Aufbau der europäischen Streitkräfte, erklärt die „European Defence Technological and Industrial Base“ zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Politik.

Jedoch sorgten der Mauerfall 1989 und die aktuelle Weltwirtschaftskrise für erhebliche Veränderungen. Durch den Zusammenbruch des Stalinismus entfiel das Feinbild Sowjetunion und wurde durch das Feindbild „islamischer Terrorismus“ ersetzt. Die von den NATO-Strategen erdachten Panzerschlachten in Europa erwiesen sich als Fieberfantasien, die durch eine neue Interventionsstrategie mit realen Gegnern rund um den Globus ersetzt wurde. Die Bundeswehr wurde reduziert und auf eine Berufsarmee umgestellt. Der
en Ausrüstung wird auf weltweite Einsätze ausgerichtet. Als Folge davon sind von den früheren 2 125 Leopard 2 heute nur noch ca. 400 Panzer bei der Bundeswehr im Einsatz.
Durch die geänderten Anforderungen kam es schon lange vor Beginn der Weltwirtschaftskrise 2008 zu einer Überproduktionskrise in der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie. Die Folge ist ein Konzentrationsprozess, der von der EU auf dem Weg zu eigenen europäischen Streitkräften, aber auch durch die Sparhaushalte infolge der Weltwirtschaftskrise vorangetrieben wird. Die Konkurrenten Nexter, BAE und Finmeccanica sind jedoch erheblich größer aufgestellt als die deutschen Rüstungsbauer Krauss-Maffei-Wegmann (gehört zu 49 % Siemens) und Rheinmetall. Ähnliches gilt für den Kriegsschiffbau.
Internationalismus vs. Lobbyismus
Die Europäische Kommission, der Europäische Verband der Luftfahrt, Raumfahrt und Verteidigungsindustrie und der Europäische Metall-Gewerkschaftsbund bildeten eine Kommission u. a. mit dem Ziel, Kosten in der Rüs­tungsindustrie zu senken. Hierzulande befürwortet die IG Metall den Umbau der Bundeswehr zur global operierenden Interventionsstreitmacht sowie Rüstungsexporte. Hinter dieser Lobbypolitik steckt der „Arbeitskreis Wehrtechnik und Arbeitsplätze“ der IG Metall, in dem Betriebsräte aus der Rüstungsindustrie zusammengeschlossen sind. Dass auf seinen Tagungen auch über „Frieden“ und „Abrüstung“ diskutiert wird, ist reines Ablenkungsmanöver. Bei der Schwäche der Antikriegsbewegung ist es kein Wunder, dass sich der „Rüstungsfilz“, jene gut bezahlten Gewerkschaftsbürokrat­Innen und Betriebsräte, vor den Karren „ihrer“ Rüstungskonzerne spannen lässt, um deren Interessen in Kampf gegen die Konkurrenz zu vertreten.

Eine internationalistische Perspektive, die die historischen Interessen der Arbeiter­Innenbewegung verteidigt, muss zwei Dinge miteinander verbinden: den Kampf für ein vereinig­tes sozialistisches Europa mit der Forderung nach Enteignung der Rüstungsindustrie und der Umstellung von Kriegs- auf zivile Produktion unter Kontrolle der Beschäftigten. 

 

Locker abkassiert
Die Panzer Leopard 1 bzw. Leopard 2 gehörten Jahrzehnte lang zu den größten Verkaufsschlagern der Rüstungsindus­trie.
Davon profitierten ca. 2 700 Unternehmen, u. a. die früheren bzw. heutigen Unternehmen Porsche, Ruhrstahl, Atlas-MaK, Luther-Werke, Jung-Jungenthal, Rheinstahl, Krauss-Maffei Wegmann, Daimler-Benz, Zeiss, Blohm & Voss, MTU Friedrichshafen, ZF, Rheinmetall, Drägerwerke, Anton Piller, Eberspächer, Diehl, ESW-Extel, ThyssenKrupp, Heckler & Koch, Bayer Chemie, LFK, IABG, FAUN, GEKE, Kärcher, Iveco, MAN usw.

 

 

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