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Innenpolitik

Rechtsextremismus: Die drei von der Brandstelle

Von Thadeus Pato | 01.12.2011

In seinem 2003 erschienenen Kriminalroman „Die blaue Liste“ beschäftigte sich der Autor Wolfgang Schorlau mit den Vorgängen um den Tod des ehemaligen Treuhand-Chefs Rohwedder und kam anhand der Fakten zu einem Szenario, das alle die, die an einen demokratischen Rechtsstaat in der BRD glauben, zu extrem fanden, als dass sie es wahrhaben wollten: Innerhalb der Exekutive hatte im Verbund mit dem Großkapital eine rechte Seilschaft die Drecksarbeit erledigt (samt Erschießung von Wolfgang Grams, um einen Sündenbock zu haben), um den Ausverkauf der Ex-DDR gewinnbringend exekutieren zu können. Fiktion?

Was hat das mit den drei von der Brandstelle in Eisenach/Zwickau zu tun? Das Interessante an den in allen Gazetten von Spiegel bis BILD gestellten Fragen zu dem bemerkenswerten Sachverhalt, dass in Deutschland seit 14 Jahren eine rechtsradikale Mördertruppe unbehelligt ihr Unwesen treiben konnte, ist, dass es im Wesentlichen die falschen Fragen sind, die gestellt werden. Deshalb wollen wir einmal den Damen und Herren von der Boulevardjournaille ebenso wie den um Fassung ringenden Politikern, Polizisten und Verfassungsschützern ein wenig auf die Sprünge helfen.

Wieso wurden die (angeblich nur drei) Neonazis nicht bereits 1997 oder 1998 verhaftet, als bei ihnen Waffen und Sprengstoff gefunden wurden? Eine „Panne“? Nehmen wir einmal an, es hätte sich um den Verdacht des Islamismus oder des Linksterrorismus gehandelt. Wäre das da ebenso gelaufen? Nein? Warum nicht?

Warum wurden praktisch alle Mitglieder der RAF/RAF Nachf. jeweils innerhalb weniger Jahre gefasst, wenn sie sich nicht vorher in die DDR oder sonstiges Ausland absetzten, die drei Faschos aber erst, als sie einen stümperhaften Banküberfall unternahmen?

Wieso wusste angeblich niemand etwas von dem breiten Unterstützernetzwerk, das sich jetzt so langsam abzeichnet? Ist es nicht so, dass die gesamte Neonaziszene laut Verfassungsgericht derart mit Informanten und Mitarbeitern des Staatsschutzes durchsetzt ist, dass nicht mehr unterscheidbar ist, welche Parolen von der NPD und welche vom Verfassungsschutz stammen? Ist es glaubhaft, dass zwar die NPD für den Staatsschutz ein offenes Buch ist (an dem er laut BVG in gewisser Weise mitgeschrieben hat), aber die jetzt offensichtlich gewordenen Verbindungen zwischen Ersterer und der militanten Faschoszene völlig unbemerkt geblieben sind?
Auf dem rechten Auge blind?
Das Perfide an der derzeitigen Berichterstattung ist, dass die Fakten zwar zitiert, die Schlussfolgerungen aber als Nebelwerferei zelebriert werden. Das hat Methode. Es wird durchgehend der Eindruck erweckt, es handele sich um eine Mischung aus Stümperei der Behörden, Perfidie der TäterInnen (die haben einfach keinen Bekennerbrief geschrieben!) und Kommunikationsdefiziten zwischen Polizei, Kripo und Verfassungsschutz. Zumindest Letzteres scheint zu stimmen: Der Verfassungsschutz hat ein solches Defizit produziert, z. B. in Person des Mitarbeiters (Spitzname: „Klein-Adolf“), der ganz zufällig in Kassel in dem Internetcafé saß, dessen Besitzer seinerzeit ermordet wurde, sich aus dem Staub gemacht hatte und mühsam ausfindig gemacht werden musste. Als er sich als Kollege herausstellte, ließ man dann ganz schnell die Finger von ihm. Es könnte einem dabei das alte deutsche Sprichwort einfallen: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Aber damit täte man dem einen oder anderen Polizisten sicher Unrecht. Die unter Sonnenstaat-Herold, dem BKA-Präsidenten der Siebziger, so gerühmte „Rasterfahndung“? Fehlanzeige.

Natürlich war der Verfassungsschutz, wenn man das Ausmaß seiner Infiltrierung der NPD in Betracht zieht, die praktisch mit allen rechtsradikalen Gruppierungen institutionell oder personell Verbindungen hat, nicht auf dem rechten Auge blind. Im Gegenteil: Er muss eigentlich ausgesprochen hellsichtig gewesen sein.

Die Krokodilstränen, die jetzt allerorts vergossen werden, für echt zu halten, kann nur dem in den Sinn kommen, der fest und unverbrüchlich daran glaubt, dass der jetzt eilfertig allerorten zur Schau getragene „Antifaschismus“ kein konjunkturelles Phänomen ist, sondern durchweg ernst gemeint. Wie würde denn zum Beispiel diese These zu den derzeit bekannten Tatsachen passen: Dass es schlicht zumindest in Teilen des Sicherheitsapparates eine stillschweigende Duldung bestimmter rechtsradikaler Aktivitäten gegeben hat, oder anders gesagt, dass die Behörden doch nicht so unfähig sind, wie derzeit dargestellt, sondern schlicht unwillig? Und dass das auch von politischer Seite gedeckt wurde?

Vielleicht kann ja die inhaftierte Frau aus dem Trio genauere Auskunft geben. Eine unschätzbare Zeugin ist das, auf die man gut achtgeben muss. Bei Wolfgang Schorlau übrigens geht es den Zeugen häufig sehr schlecht.

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