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Länder

Bangladesh und der Klimawandel

Von Thadeus Pato | 21.01.2012

Vom 14. November bis 2. Dezember 2011 fand in Bangladesh eine „Klimakarawane“ statt, die unter Beteiligung ausländischer Delegierter vom Norden des Landes bis in die Sundarbans, die Mangrovenwälder des Südens, führte.

Vom 14. November bis 2. Dezember 2011 fand in Bangladesh eine „Klimakarawane“ statt, die unter Beteiligung ausländischer Delegierter vom Norden des Landes bis in die Sundarbans, die Mangrovenwälder des Südens, führte.

Veranstaltet wurde die Karawane (South East Asian Caravan 2011 – Climate Change, Gender and Food Sovereignity; Südostasiatische Karawane 2011 – Klimawandel, Gleichberechtigung und Nahrungsmittelsouveränität) von den Schwesterorganisationen Bangladesh Krishok Federation (BKF) und der Bangladesh Kishani Sabha (BKS), zwei der größten Bauerngewerkschaften des Landes.

Bangladesh war und ist seit seiner Gründung 1971 nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen das damalige Westpakistan eines der ärmsten Länder der Erde. Das Land ist mit 160 Millionen Einwohnern und gut tausend Einwohnern pro qkm der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Erde. Fährt man durch das Land, so sticht das ins Auge: Jeder Zentimeter Fläche wird landwirtschaftlich genutzt.
Aber Bangladesh ist auch das Land, das bereits jetzt am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Der größte Teil des Landes ist Schwemmland: die Flüsse Brahmaputra, Ganges und Meghna bilden ein riesiges Delta, der gesamte Süden ist eben und liegt nur knapp über dem Meeresspiegel, auch Dhaka, die Hauptstadt, liegt nur 6 Meter darüber.

Die Bedrohung ist real: Bei einem Anstieg des Meeresspiegels von nur einem Meter, was nach den aktuellen Szenarien, betreffend den Temperaturanstieg und die dadurch hervorgerufene Schmelze der arktischen Eisschilde, in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten ist, würden 17 % der gesamten Fläche des Landes überschwemmt. Dem wäre durch Küstenschutzmaßnahmen zwar beizukommen, aber Bangladesh ist auch noch davon geprägt, dass die politische Klasse, von der es regiert wird, eine der korruptesten der Welt ist, und so kommen die Gelder nur zu einem Bruchteil da an, wo sie gebraucht werden.

Bereits jetzt sind die Auswirkungen des Klimawandels un­übersehbar. Durch die Abholzung der Wälder im Himalaja einerseits und das verstärkte Abschmelzen der Gletscher andererseits kommt es immer häufiger zu verheerenden Überschwemmungen. Paradoxerweise gibt es gleichzeitig aber auch periodischen Wassermangel, weil Indien für Bewässerungsprojekte große Staudammprojekte hochgezogen hat und damit Bangladesh zeitweise den Wasserhahn zudreht.

Und es kommt noch etwas hinzu: Folge des Klimawandels sind unter anderem auch häufigere und heftigere Wirbelstürme, die vom Meer aus die Küstenregion verwüsten. Die Zerstörungen des Zyklons Sidr von 2007 sind an der Küste immer noch sichtbar.
Und so ist in Bangladesh der Klimawandel kein abstraktes Thema, sondern eine konkrete und tägliche Bedrohung gerade für die Landbevölkerung – fast 70 % der Bevölkerung leben in irgendeiner Weise von der Landwirtschaft, und 15 Millionen Menschen im Süden des Landes müssten bei einem Meeresspiegelanstieg von einem Meter ihr Land verlassen.
Die Veranstalter­Innen
Bangladesh Krishok Federation (BKF – Bauern- und Landlosengewerkschaft) ist die größte Bauernbewegung in Bangladesh.  Gegründet wurde sie 1976 von einer kleinen maoistischen Partei, der CPB-ML, die aus den Spaltungen der (heute an wechselnden Regierungskoalitionen mit den herrschenden bürgerlichen Parteien beteiligten) Kommunistischen Partei Bangladeshs hervorgegangen war. BKF führte zwischen 1977 und 1991 auf verschiedene Weise den Kampf um Land für die landlosen Kleinbauern. Sie organisierte Hungerstreiks, Sit-ins, öffentliche Veranstaltungen, Umzingelungen der örtlichen Behörden, Demonstrationen und Straßenblockaden. Immer gab es dann Versprechungen, die nicht eingehalten wurden. Als dann 1987 ein neues Landgesetz kam, das die Verteilung von unbebautem Staatsland an Landlose vorsah, gab es einen Aufschwung der Bewegung, und als die Regierung keine Anstalten machte, das Gesetz in die Realität umzusetzen, wurde ein Ultimatum gestellt, und 1992 besetzten schließlich Tausende landloser Bäuerinnen und Bauern 22 000 Hektar Land. Trotz Attacken seitens der benachbarten Großgrundbesitzer und der Behörden, bei denen mehrere Menschen starben, gelang es, das Land zu halten, und seitdem wurden insgesamt 76 000 Hektar Land besetzt und an über 100 000 Landlose verteilt.

BKF und BKS sind mit über zwei Millionen Mitgliedern die größten Gewerkschaften der Landlosen und Kleinbauern und organisieren auch die am stärksten unterdrückte Gruppe Bangladeshs, die Adivasis, die ursprünglichen Einwohner­Innen. Dass es zwei Organisationen gibt, hat seinen Grund darin, dass die Gründer­Innen die Notwendigkeit einer gesonderten Organisation der Frauen erkannten, die wie all­überall ihre spezifischen Probleme haben, auch und gerade in einer vom Islam geprägten Gesellschaft. Einfluss, Bedeutung und Größe gewannen sie bei den von ihnen organisierten Besetzungen von Staatsland, das an die Landlosen verteilt wurde, und das trotz zwischenzeitlich teilweiser Vertreibung und Wiederbesetzung bis heute verteidigt werden konnte.
Die Ziele der Karawane
Die Probleme der Kleinbauern in Bangladesh sind im Prinzip die gleichen wie die der Bauern im angrenzenden Indien: Landraub, Wassermangel, Verschuldung oder auch das Eindringen internationaler Saatguthersteller wie Monsanto, die ebenso wie die Regierung, die die Exportorientierung und damit die industrielle Landwirtschaft fördert, sukzessive dem diversifizierten und nachhaltigen Landbau den Garaus machen wollen.

Die Karawane hatte deshalb nicht nur zum Ziel, über den Klimawandel und seine Konsequenzen zu informieren, sondern auch die Frage der Nahrungsmittelsouveränität mit der lokalen Bevölkerung zu diskutieren: Diversifizierter, für die lokale und regionale Versorgung geeigneter, nachhaltiger Anbau versus exportorientierte industrialisierte Produktion, wie z. B. die Krabbenzucht im Süden, wo dafür Salzwasser in flache Becken geleitet und damit der Boden versalzen wird. Bangladesh ist dadurch zum fünftgrößten Krabbenexporteur weltweit aufgestiegen, aber die Kleinproduzenten sind vollständig abhängig von den Händlern, die ihnen die Brut liefern (in der Regel aus großen Zuchtanstalten in Thailand), von denen sie das Futter beziehen und an die sie zu deren Preisen verkaufen müssen. (Die Parallelen zu deutschen Hühnermastbetrieben sind un­übersehbar …). Und auf diesen Böden, wenn sie erst einmal versalzen sind, wächst für Jahre nichts anderes. Aber auch die Saatgutmultis drängen mit ihren gentechnischen Produkten in den Markt.

Der dritte Punkt, der auf allen Versammlungen, Workshops und Seminaren während der Karawane behandelt wurde, war die Geschlechterfrage, bevorzugt in Verbindung mit dem Problem des Klimawandels. Die besondere Betroffenheit der Frauen wird offenb
ar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass 80 % der Todesopfer der letzten Zyklone Frauen waren: Die waren zuhause, hatten keine Transportmittel, mussten sich um die Kinder kümmern und lernen in der Regel auch nicht schwimmen …
Die Karawane
Die Teilnehmer­Innen kamen in erster Linie aus Bangladesh, aber es waren auch eine Reihe von Gästen aus der Region und aus Industrieländern dabei: Aus Indien und Nepal waren Vertreter­Innen der dortigen Mitgliedsorganisationen von Via Campesina (auch BKF/BKS sind Mitglieder) gekommen, ebenso aus Sri Lanka und Pakistan. Hinzu kamen Klimaaktivist­Innen aus Australien, England, Schottland und Deutschland.

Es ging auf teilweise abenteuerlicher Route mit dem Bus über Land, jeden Tag wurden in einem anderen Ort öffentliche Veranstaltungen, teils auch Demonstrationen, Workshops und Seminare veranstaltet. Den Strom lieferte ein mitgebrachter Generator – in den meisten kleineren Orten gibt es keine Stromversorgung –, gewaschen wurde sich an der obligaten Handpumpe, übernachtet meist auf dem Fußboden in den Klassenräumen der örtlichen Grundschule.
In Dhaka beteiligte sich die Karawane auf halbem Wege am dort gerade stattfindenden Südasiatischen Sozialforum, bevor es in den Süden ging.

Überall wurde die Karawane herzlich und gastfreundlich aufgenommen, die Diskussionen waren lebhaft und die Beteiligung der Landbevölkerung beeindruckend: Bis zu 1 000 Menschen nahmen an den abendlichen Veranstaltungen teil, einschließlich der örtlichen Lehrer aus den öffentlichen und in manchen Fällen aus den Koran­schulen, bei einer Versammlung war auch der Ortspolizist erschienen und beteiligte sich an der Diskussion.

Und so wurde die Karawane zu einem positiven Kontrastprogramm zu dem gleichzeitig stattfindenden Desaster des Klimagipfels in Durban/Südafrika. Während dort von den üblichen Verdächtigen und Klimaverbrechern jegliche wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz hintertrieben wurden und allenfalls technische „Lösungen“ im Vordergrund standen, ging es bei den Diskussionen im Rahmen der Karawane um Solidarität, Klimagerechtigkeit und nachhaltige Agrarpolitik als Schlüssel für einen wirklichen Ausweg aus der Bedrohung.
Diese Klimakarawane war ein Anfang, und die damit begonnene Kampagne wird weitergehen: In zwei Jahren ist eine weitere Karawane geplant, die dann von Bangladesh über Indien bis nach Nepal führen soll. Inzwischen aber gilt es, den Kampf für soziale und Klimagerechtigkeit in den einzelnen Ländern voranzutreiben – hier und anderswo.

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