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Innenpolitik

Bericht aus Mindanao

Von Ian Parker, Surigao del Norte | 18.01.2012

An Weihnachten erreichte uns der folgende Bericht eines Genossen der britischen Sektion der IV. Internationale zur komplexen Situation auf Mindanao, Philippinen: Die Überschwemmungen auf Mindanao, der südlichen Hauptinsel der Philippinen, waren desaströs, brachten enormes Leid und es gibt keine Aussicht auf baldige Hilfe durch die Behörden.

Eine kleine Gruppe von uns reiste am Samstag den 17. Dezember in dem Minivan einer der Universitäten (an denen wir unterrichtet haben) durch die Provinz Bukidnin und anschließend durch Cagayan de Oro an der Nordküste. Diese Provinz ist zusammen mit Iligan eine der am schlimmsten getroffenen Regionen. Der Taifun Washi erreichte das Gebiet in den frühen Morgenstunden und im Inneren von Malabay waren die Wasser- und Elektrizitätsversorgung bereits betroffen, bevor wir aufbrachen. Während der Nachtstunden, in der die Mobilfunknetze und andere Kommunikationswege außer Funktion waren, konnten die Menschen die Verwüstung zwar nicht sehen, aber sie konnten sie spüren. Über 10 000 Häuser wurden durch den Taifun und die Sturmfluten beschädigt und Hunderttausende Menschen in den dreizehn Provinzen von Mindanao kämpfen mit den Folgen, von denen mehr als 40 000 in Notfallunterkünften untergebracht werden mussten. Auf unserer Reise entlang der Küste in die Provinz Surigao del Norte sahen wir über die Ufer getretene Flüsse und überschwemmte Felder, aber das ganze Ausmaß begannen wir erst im Laufe des Sonntag und Montag zu verstehen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden der nationalen Katastrophenbehörde zufolge 950 Tote und 50 Vermisste gezählt, mit den meisten Opfern in Städten in Cagayan de Oro und Iligan.

Alle außerhalb Mindanaos, die darüber nachdenken, wie sie helfen könnten, sollten dabei die Schwierigkeiten berücksichtigen, denen sich Hilfs- und Wohltätigkeitsorganisationen gegenübersehen und die den Rahmen für die Wiederaufbauarbeit bilden. Zunächst wird das Ausmaß der Katastrophe in den philippinischen Zeitungen herunter gespielt durch nur kleine Artikel auf den Titelseiten, die von Berichten über die andauernden Korruptionsskandale aus und um Manila (auf der Nordinsel von Luzon) in den Schatten gestellt werden. Außerdem werden Ereignisse auf Mindanao in anderen Teilen der Philippinen mit Misstrauen und auch Angst behandelt – angetrieben durch Berichte in der nationalistischen Presse. Dies ist die Lage trotz der heldenhaften Anstrengungen der lokalen JournalistInnen (die weltweit zu den am meisten durch gezielte Tötung bedrohten zählen). Auf Mindanao selbst sind die Fernsehbilder von Tod und Verwüstung schrecklich.

Die politische Situation hier ist sehr komplex. Die indigene Bevölkerung der Lumad wird durch die lokalen Behörden manchmal gönnerhaft behandelt (bspw. ermutigt mit Gesängen und Tänzen ihre eigenen Versionen der Weihnachtsfeierlichkeiten zu begehen, die auf den Philippinen im September beginnen), meistens wird sie jedoch schlecht behandelt, ihres Landes beraubt und dann gezwungen, die Rechte der neuen Landbesitzer zu respektieren (dies ist der aktuelle Weg der derzeitigen Präsidentin Aquino). Dieser Teil der Bevölkerung von Mindanao ist verwickelt in Landstreitigkeiten mit der muslimischen Bevölkerung des Südens der Insel, wo bewaffnete Gruppen operieren, unter denen sich Fundamentalisten befinden, die ihrerseits Menschen hassen, die sie „die Roten“ nennen.

Außerhalb Mindanaos gibt es eine weitverbreitete Islamophobie, die die Regierung sogar noch provoziert, obwohl sie zu einer „Weihnachts-Waffenruhe“ aufruft und obwohl sie jüngst in Kuala Lumpur (im benachbarten Malaysia) Gespräche mit islamistischen Gruppen aufnahm. Aber zur gleichen Zeit stellen die Fundamentalisten eine tödliche Bedrohung für die progressiven Kräfte dar. Außerdem gibt es eine auf Mindanao aktive aufständische maoistische Gruppe, die „New People’s Army“ (NPA), die als bewaffneter Arm der KP operiert. Ein paar Tage vor dem Eintreffen des Taifuns gab es Berichte über eine neue Welle von Angriffen dieser Gruppe in der Provinz Surigao del Sur auf Polizeistationen, um Waffen in ihren Besitz zubringen und über Brandanschläge auf Fahrzeuge ausländischer Unternehmen (von denen Del Monte und Dole besonders bekannte Betreiber von Obstplantagen sind). Die NPA weist die zynischen Aufrufe zu einer Weihnachts-Waffenruhe zurück und verweist auf die fortgesetzten Belästigungen der lokalen Gemeinschaften (ebenso wie auf das Verschwinden von Aktivisten, das auf den Philippinen nicht nur auf Mindanao geschieht). Außerdem greift die NPA Aktivisten anderer linker Gruppen an – wenn sie diese für Feinde hält, tötet sie diese sogar in Hinterhalten oder wenn sie in durch Rivalen kontrollierte Gebiete eindringt.

Spenden erwünscht
Für diejenigen, die spenden wollen: Bitte gebt an, dass die Spende für die Flutopfer auf den Philippinen verwendet werden soll und sendet das Geld an:
2011Crédit Lyonnais, Agence de la Croix-de-Chavaux (00525), 10 boulevard Chanzy, 93100 Montreuil, France.
Die Kontonummer des ESSF ist 445757C, und die internationalen Bankverbindungsdaten sind: IBAN: FR85 3000 2005 2500 0044 5757 C12;
BIC/SWIFT: CRLYFRPP;
Kontoinhaber: ESSF.


Hier in Mindanao inmitten der Ereignisse ist (aus der Krise der alten kommunistischen Bewegung) eine neue demokratische Bewegung entstanden, die auf verschiedenen politischen Feldern aktiv ist und mit den Lumad zusammenarbeitet und mit denjenigen Muslimen, die im Zuge des Kampfes für Unabhängigkeit und Landrechte beginnen, mit dem Fundamentalismus zu brechen. Dabei hat sie enorme Fortschritte gemacht. Die Revolutionary Workers Party – Mindanao (RWP-M) [Sektion der IV. Internationale] hat sich im Landesinneren und in Städten wie Cagayan de Oro organisiert und ist nun auch sehr aktiv in Iligan. Sie hat zu Fragen der Nahrungsmittelsicherheit gearbeitet – das Recht der lokalen Gemeinschaften zu entscheiden, was angebaut wird und wie es zu ihrem eigenen Nutzen und nicht zu dem internationaler Konzerne verwendet wird – und bezeichnet sich nun selbst als „ökosozialistisch“. Sie arbeitet zu Lesben- und Schwulenrechten (und LGBT-Aktivisten führen gemeinsam mit diesen Genossen politische Diskussionen und sind auch gemeinsam aktiv in dem praktischen, physischen Schutz vor der NPA und islamistisch-fundamentalistischen Gruppen auf Mindanao). Dies bringt die RWP-M auch in Konflikt mit der katholischen Amtskirche, die versucht, das Fortpflanzungs-Gesundheitsgesetz zu blockieren, das sich derzeit im Schneckentempo durch das Parlament bewegt. Die RWP-M ist eine ökosozialistische Gruppe, die von feministischem Geist erfüllt ist und mit feministischen Gruppen zusammenarbeitet. Sie sieht sich der sehr schwierigen Aufgabe gegenüber, eine Balance zu finden zwischen der Verteidigung ihrer eigenen Gemeinschaften und des Engagements in dem schleppenden Friedensprozess (etwas, das ihr täglich den Zorn rivalisierender Gruppen einbringt).

Es gibt derzeit ein hohes Risiko, dass gut gemeinte Initiativen zur Unterstützung der Flutopfer durch UnterstützerInnen außerhalb Mindanaos wie jede andere Katastrophenhilfe auch in von der
Regierung kontrollierte Aktionen geleitet werden und dass so diejenigen übergangen werden, die wirklich unter der Katastrophe leiden und die nun selbst aktiv werden, bspw. unterstützt durch die RWP-M. Die Organisation „Europe solidaire sans frontieres“ (ESSF) handelt solidarisch mit den fortschrittlichen Kräften auf Mindanao und Ihr könnt durch Spenden an ESSF helfen.

Mindanao, 21 Dezember

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