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Länder

Stoppt den „Grünen Kapitalismus“

Von Josep María Antentas, Esther Vivas | 07.02.2012

Wir retten die Märkte, nicht das Klima. So können wir das Resultat der 17. Vertragsstaatenkonferenz (COP17) zur Klimarahmenkonvention der UN (UNFCC) zusammenfassen, die in Durban, Südafrika, zwischen dem 28. November und dem 10. Dezember 2011 tagte.

Wir retten die Märkte, nicht das Klima. So können wir das Resultat der 17. Vertragsstaatenkonferenz (COP17) zur Klimarahmenkonvention der UN (UNFCC) zusammenfassen, die in Durban, Südafrika, zwischen dem 28. November und dem 10. Dezember 2011 tagte.

Es gibt einen auffallenden Kontrast zwischen der schnellen Antwort der Regierungen und internationalen Institutionen auf den Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2007-08, als man mit öffentlichen Geldern private Banken rettete, und andererseits der absoluten Reglosigkeit, die sie beim Klimawandel an den Tag legen. Doch sollte uns dies nicht überraschen, denn es sind in beiden Fällen die Märkte und ihre Verbündeten in den Regierungen, die davon profitieren.

Es gab zwei zentrale Themen beim Gipfel in Durban. Zum einen die Zukunft des Kyoto-Protokolls, welches 2012 ausläuft sowie die Möglichkeit zur Umsetzung von entsprechenden Mechanismen, um die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Zum anderen die Einführung des Grünen Klimafonds, welcher theoretisch das Ziel verfolgt, die ärmsten Länder im Umgang mit den Konsequenzen des Klimawandels durch Projekte der Entschärfung und der Anpassung zu unterstützen, wie auf dem vorangegangenen Gipfel in Cancún (Mexiko) beschlossen.
Nach Durban können wir sagen, dass die zweite Phase des Kyoto-Protokolls ohne Konsequenzen bleibt. Sie verschoben jedwede reale Maßnahme auf 2020 und strichen alle verbindlichen Regelungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Es waren die Repräsentanten der Länder mit den größten Ausstößen, allen voran die USA, welche sich für eine Vereinbarung aussprachen, die auf freiwilligen Reduzierungen basiert und sich jedweden verbindlichen Maßnahmen widersetzt. Das Kyotoprotokoll war bereits unzulänglich und seine strenge Umsetzung hätte nur zu einer geringen Verlangsamung der globalen Erwärmung geführt. Aber nun befinden wir uns auf einem Weg, der nur zu einer wesentlichen Verschlechterung der Situation führen kann.

CCS und Methan
CCS ist die englische Abkürzung für CO2 -Abscheidung und -Speicherung (Carbon Dioxide Capture and Storage, kurz CCS) ist die Abscheidung von Kohlenstoffdioxid (CO2) insbesondere aus Verbrennungs-Abgasen sowie dessen Injektion und behälterlose Lagerung in unterirdischen Gesteinsschichten auf unbegrenzte Zeit (CO2-Sequestrierung). (Quelle: Wikipedia).
Methan: Aufgrund des Klimawandels taut der Permafrostboden seit Jahren auf und gibt dabei große Mengen Methan an die Atmosphäre frei, die seit Jahrmillionen dort als Gashydrat unterhalb des Permafrosts im Boden gebunden waren. Dieses starke Treib­hausgas sorgt wiederum für eine Beschleunigung der Erderwärmung.

 

Für den Grünen Klimafonds, als einen ersten Schritt, versprachen die reichen Länder 2012 bis zu 30 Milliarden $ und bis 2020 pro Jahr 100 Milliarden $ beizutragen. Diese Summen sind absolut unzureichend. Außerdem wurden keine staatlichen Gelder dafür zugesichert. Folglich sind Tür und Tor offen für Privatinvestitionen, die über die Weltbank laufen würden. Wie bereits die Sozialbewegungen feststellen konnten, ist dies eine Strategie, um „den Grünen Klimafonds in einen gierigen Unternehmer-Fonds umzuwandeln“. Wieder einmal erzielen sie Profite durch die Klimakrise und die Umweltverschmutzung (Investmentbanken haben bereits eine Reihe von Finanzierungsinstrumentarien entwickelt, um in den sog. Markt für CO2, für Emissionen, etc. einzugreifen).

Ein weiteres Beispiel für die Kommerzialisierung der Atmosphäre war die Entscheidung der Vereinten Nationen die Abscheidung und Speicherung von CO2 als sog. „Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung“ anzuerkennen (s. Kasten). Dieses Verfahren erhebt noch nicht mal den Anspruch, Emissionen zu verringern. Es wird im Gegenteil sogar dazu beitragen, die Klimakrise ernsthaft zu verschärfen. Dies wird insbesondere die unterentwickelt gehaltenen Länder treffen, die Anwärter darauf sind, zu CO2-Friedhöfen zu werden.

Das Ergebnis des Gipfels bedeutet einen Aufschwung des Grünen Kapitalismus. Der südafrikanische Aktivist und Intellektuelle Patrick Bond drückte es wie folgt aus: „Die Tendenz in Richtung Kommodifizierung1 der Natur ist zum dominierenden philosophischen Standpunkt in der Umweltpolitik geworden.“ Durban lief nach demselben Schema ab, wie schon die vorangegangenen Gipfel von Cancún 2010 und Kopenhagen 2009, wo die Interessen der großen transnationalen Unternehmen, der internationalen Finanzinstitutionen und der Eliten der Finanzwelt aus Nord und Süd Priorität gegeben wurde gegenüber den kollektiven Bedürfnissen der Menschen und der Zukunft des Planeten.

In Durban stand nicht nur unsere Zukunft auf dem Spiel, sondern auch das Hier und Jetzt. Die Auswirkungen der Verwüstungen des Klimawandels sind bereits spürbar; einschließlich der Freisetzung von Millionen Tonnen Methan in der Arktis, ein Gas, welches zwanzigmal klimaschädlicher ist, als CO2 (s. Kasten). Hinzu kommen die schmelzenden Gletscher und Eiskappen, die wiederum für einen Anstieg des Meeresspiegels sorgen. Schon jetzt müssen immer mehr Menschen ihre Heimat deswegen verlassen. 1995 gab es ungefähr 25 Millionen Klimaflüchtlinge; diese Zahl hat sich jetzt verdoppelt. In 2050 könnte diese Zahl auf 200 Million bis 1 Milliarde Menschen angewachsen sein.
Alle Hinweise deuten darauf hin, dass wir auf eine unkontrollierte globale Erwärmung von mehr als 2°C zusteuern, bis zum Ende des Jahrhunderts könnte der Anstieg ungefähr 4°C betragen. Wissenschaftler­Innen sind der Auffassung, dass dies höchstwahrscheinlich unkontrollierbare Konsequenzen zur Folge haben wird, so z. B. einen sehr bedeutenden Anstieg des Meeresspiegels. Wir können nicht bis 2020 warten, um damit zu beginnen, Maßnahmen zu ergreifen.

Aber mit dem mangelnden politischen Willen, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, wird der Widerstand gegen diese Politik nicht zusammenbrechen. Inspiriert durch Occupy Wall Street und die Bewegung der Indignados2, welche durch Europa und die Welt hallte, trafen sich viele Aktivist­Innen und soziale Bewegungen in einem täglich stattfindenden Forum, wenige Meter von dem offiziellen Konferenzzentrum, als Initiative „Occupy COP 17“. Die Teilnehmer­Innenschaft reichte von den Landwirt­Innen, die für ihre Rechte kämpfen, bis zu Repräsentant­Innen von kleinen Inselstaaten, wie den Seychellen, Grenada und der Republik von Nauru (Ozeanien, Mikronesien), die von einem unmittelbar bevorstehenden Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind. Auch nahmen Anti-Schulden-Aktivist­Innen teil, die die Wiedergutmachung der ökologischen Schuld vom Norden an den Süden verlangen.

Die Bewegung für Klimagerechtigkeit zeigt die Notwendigkeit auf, unsere Leben und den Planeten gegen die Kommerzialisierung der Natur und der &ou
ml;ffentlichen Güter zu verteidigen. Der Kapitalismus und seine Eliten sind nicht imstande, eine geschlossene Antwort auf die sozio-klimatische Krise zu liefern, die uns durch ein produktivistisches und räuberisches System beschert wurde. Wenn wir die Klimakrise, mit allen ihren Konsequenzen, nicht verschärfen wollen, müssen wir dieses Sys­tem radikal ändern. Der weithin bekannte Klimaaktivist Nnimmo Bassey sagte sehr klar: „Der Gipfel verstärkte die Klima-Apartheid, in der die reichsten 1 % in der Welt entschieden haben, dass es annehmbar ist, die restlichen 99 % zu opfern.“

Die Autor­Innen
Josep María Antentas ist Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Viento Sur und Professor der Soziologie an der autonomen Universität von Barcelona.
Esther Vivas ist Mitglied des Zentrums für Untersuchungen über Sozialbewegungen (CEMS) an der Universität Pompeu Fabra. Sie ist Autorin des Buches „Aufstehen gegen Auslandsschulden“, EL Viejo Topo, 2008 und Mitherausgeberin u. a. der ebenfalls spanischsprachigen Bücher „Supermärkte, nein danke“ und „Wohin entwickelt sich Fair Trade“ sowie Mitwirkende beim CIP-Amerika-Programm (www.cipamericas.org). Sie ist auch Mitglied der Redaktion von Viento Sur.

 

 1    Zur Ware werden/ Kommerzialisierung; A.d.Ü
 2    Als Indignados (dt. Empörte) bezeichnen sich diejenigen, die 2011an den sozialen Protesten gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise im Spanischen Staat teilgenommen haben. A.d.Ü.:

Übers.: Tim Nießner

 

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