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Länder

SPANIEN I: Rekordjäger

Von Thadeus Pato | 14.10.2012

Am 10. 9. hatte der „Spiegel“ einen unrühmlichen Rekord zu vermelden: Eine Länderanalyse der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für die „Financial Times Deutschland“ hatte ergeben, dass neben Griechenland Spanien die höchste Arbeitslosenquote der Welt aufwies. 24,5% der Spanier waren ohne Job, bei den unter 24jährigen lag die Quote bei sage und schreibe 53%.
Folgt mensch der veröffentlichten Meinung, dann sind für das Desaster in erster Linie der Banken- und der Immobiliensektor verantwortlich. Aber das ist ebenso falsch, wie es für die gesamte sogenannte „Schulden“- oder „Finanz“-Krise falsch ist.

 

Am 10. 9. hatte der „Spiegel“ einen unrühmlichen Rekord zu vermelden: Eine Länderanalyse der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für die „Financial Times Deutschland“ hatte ergeben, dass neben Griechenland Spanien die höchste Arbeitslosenquote der Welt aufwies. 24,5% der Spanier waren ohne Job, bei den unter 24jährigen lag die Quote bei sage und schreibe 53%.
Folgt mensch der veröffentlichten Meinung, dann sind für das Desaster in erster Linie der Banken- und der Immobiliensektor verantwortlich. Aber das ist ebenso falsch, wie es für die gesamte sogenannte „Schulden“- oder „Finanz“-Krise falsch ist.

 

Seit dem Sturz des Franco-Regimes hat es tatsächlich ein rasantes Wirtschaftswachstum gegeben. Unter dem Sozialdemokraten Felipe Gonzales wurde Spanien seit 1982 zur fünftgrößten Wirtschaft Europas. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf wuchs auf mehr als das Vierfache.
Bankenkrise?
Aber zum einen war dieses Wachstum durch Transferzahlungen der EU (der Beitritt Spaniens erfolgte 1986) und zum anderen durch Verschuldung bedingt – insbesondere im Immobiliensektor, der fast ausschließlich auf Kredit- und Abschreibungsmodellen fußte.
Ferner wurden die Beschäftigungsverhältnisse immer prekärer: 1993 bereits waren 95% aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge Zeitverträge. Letztere machten 1993 30% und 1997, nach dem Einbruch von 1994 mit einer Arbeitslosigkeit von 24%, bereits 37% aller Verträge aus.
Das erklärt unter anderem, wie es so rasch zu einem solchen Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen konnte. Bei derartigen Beschäftigungsverhältnissen gibt es keinen Kündigungsschutz und auch keinen Sozialplan Es wird ebenso schnell gefeuert wie geheuert.
Ein weiteres Problem Spaniens ist auch die nach wie vor hohe Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, wodurch der gestiegene Ölpreis sich besonders verheerend auswirkte. Zwar ist Spanien inzwischen in Europa der größte Produzent von Strom aus Windkraft, aber Erdöl liefert nach wie vor 47,3% der Primärenergie, die fossilen Brennstoffe insgesamt rund 77,2%. Diese müssen weitgehend importiert werden.
Die Reaktion der Regierung war schlicht, die bisher geltende Laufzeitgrenze der Kernreaktoren von 40 Jahren aufzuheben.
Schließlich ist noch zu vermerken, dass es nach dem Beitritt zur EU einen nicht unerheblichen Ausverkauf der spanischen Industrie gab. Beispielhaft sei nur der Verkauf von SEAT an VW genannt.
Ende in Sicht?
Die von der EU-Bürokratie verordnete Strategie des Kaputtsparens hat auch Spanien dahin gebracht, wo Griechenland bereits ist: kurz vor der Pleite. Seit 2007 sinkt das Bruttosozialprodukt kontinuierlich und immer schneller.
Dieses Jahr wird ein Minus von mindestens 1,8% erwartet. Und die Höhe des zu erwartenden Haushaltsdefizits wurde im September zum vierten Mal in diesem Jahr nach oben korrigiert. Mit der EU war eine Absenkung auf 6,3% vereinbart worden. Im Mai musste Ministerpräsident Rajoy die Prognose von ursprünglich 8,5 auf 8,9% anheben, und Ende September kam heraus, dass die neuesten Berechnungen bei 10% liegen.
Daran wird auch das neueste „Sparpaket“ nichts ändern. Es wird die Binnenkonjunktur noch mehr abwürgen und die Einnahmen des Staates weiter verringern, denn in Spanien ist es ebenso wie in der restlichen EU: Die Reichen werden kaum zur Kasse gebeten, und das wachsende Arbeitslosenheer kann nicht bezahlen. Spanien wird wohl oder übel auch unter den „Rettungsschirm“ schlüpfen müssen, der mit dem Wort Zwangsjacke wohl richtiger bezeichnet wäre.
Die Sparorgien haben nämlich die Schulden nicht gesenkt, im Gegenteil. Vom ersten zum zweiten Quartal 2012 stiegen die Schulden von Staat, Regionen und Gemeinden um 3,8% und haben mit 75,9% den höchsten Stand erreicht, seitdem entsprechende Erhebungen eingeführt wurden.
Nun könnte mensch ja argumentieren, dass Spanien damit eher noch moderate Zahlen aufweist. In Deutschland liegt die Gesamtverschuldung mit 83% des Brutosozialprodukts deutlich darüber.
Aber Spanien hat noch eine andere, mindestens genau so große Baustelle,  nämlich die private Verschuldung. Und die ist das eigentliche Problem. Bei den Unternehmen liegt sie bei 192%, bei den Banken bei 111% und bei den Privathaushalten immerhin noch bei 87%.

Das spanische Wirtschaftswunder war auf Pump aufgebaut, nicht auf realem Wachstum. Und deshalb wissen weder Rajoy noch Draghi, wie die Schulden bezahlt werden sollen. Wer das Ganze bezahlen soll, dazu haben sie allerdings klare Vorstellungen, das hat das neuerliche Sparprogramm gezeigt. 

 

 

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