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Länder

SPANIEN II: Der Widerstand wächst

Von Thadeus Pato | 28.10.2012

„Daß du dich wehren mußt, wenn du nicht untergehen willst, wirst du doch einsehen“, so schrieb Bertold Brecht. Und die SpanierInnen tun es derzeit nach Kräften – nicht nur mit den Massendemonstrationen in Madrid und der Bewegung der „Indignados“, sondern auch in den Betrieben und auf dem Land. Ob es dabei nach den Regeln des formalen Rechts zugeht, kümmert sie zunehmend weniger.

 

„Daß du dich wehren mußt, wenn du nicht untergehen willst, wirst du doch einsehen“, so schrieb Bertold Brecht. Und die SpanierInnen tun es derzeit nach Kräften – nicht nur mit den Massendemonstrationen in Madrid und der Bewegung der „Indignados“, sondern auch in den Betrieben und auf dem Land. Ob es dabei nach den Regeln des formalen Rechts zugeht, kümmert sie zunehmend weniger.

Am 24. März kam es zum ersten landesweiten Generalstreik, zu dem die beiden großen Gewerkschaften, CCOO (Comisiones Obereras) und UGT, aufgerufen hatten.

Streiks
Kurz danach kündigte die Regierung zugunsten eines Hilfsprogramms für das notleidende Kreditinstitut „Bankia“ die Streichung von 63% der Subventionen für die Kohleförderung an. Mit Recht gingen die Bergarbeiter davon aus, dass dies das Aus für die noch verbliebenen 40 Zechen bedeuten würde. Am 31. Mai zogen 12.000 Kohlekumpel samt ihren Familien nach Madrid und wurden dort bei ihrer Demonstration von der Polizei hart attackiert.
In Asturien, dem Bergbaugebiet, kam es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Die Bergleute blockierten Autobahnen und setzten sich in ausgedehnten Straßenschlachten gegen die Sicherheitskräfte mit Stahlrohren, Feuerwerkskörpern und Steinschleudern zur Wehr.
Sie hatten keine Wahl. In den letzten 20 Jahren hatten bereits 40.000 Menschen im Bergbau ihre Arbeit verloren und die jetzige Kürzung bedeutete das endgültige Aus für die restlichen 8.000 Arbeitsplätze unter Tage und weitere 17.000 davon abhängige Beschäftigte. Mehrere Schächte wurden besetzt, in zweien davon verbarrikadierten sich die Kumpel unter Tage.
Sozialisierungen
Andalusien ist eine der von der Krise am stärksten betroffenen Regionen. In manchen Orten beträgt die Arbeitslosigkeit über 50%. Aktivist­Innen der andalusischen Gewerkschaft SAT, die die LandarbeiterInnen vertritt, sorgten im August mit einer exemplarischen Aktion für Aufsehen. Sie räumten einen Supermarkt der Kette Mercadona aus und verteilten die Lebensmittel an Bedürftige. Am nächsten Tag nahmen sie sich eine Filiale der Kette Carrefour vor, die es vorzog, dies als „freiwillige Spende“ zu etikettieren.
Trotz Kritik der großen Gewerkschaftsdachverbände kündigte SAT an, weitere „Zwangsenteignungen“ vorzunehmen und verwies auf die Arbeitslosenquote von 34% in der Region. Außerdem stehen viele Arbeitslose buchstäblich vor dem Nichts: Der Anteil der Erwerbslosen, die überhaupt noch staatliche Leistungen erhalten, ist in den letzten Jahren von 78% auf 65% gesunken, wie das „Wall Street Journal“ vermeldete.
Alternativen
Ein Dorf gibt es in Andalusien, in dem eine Beschäftigungsquote von 100% und ein Einheitslohn von 1.200 Euro existiert. Es handelt sich um Marinaleda. Bürgermeister Gordillo, der auch an der Supermarktaktion teilnahm, bezeichnet sich selbst als „Antikapitalisten, Pazifisten, Öko und Utopisten“. Er ist seit 1979 regelmäßig mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt worden. Er  hat durchgesetzt, dass praktisch alles im Dorf in Genossenschaften organisiert ist – einschließlich des Wohnungsbaus.
Angefangen hatte diese Entwicklung mit dem Kampf um das einem Franco-General gehörende Land. Nach 12 Jahren Kampf setzten sich die DorfbewohnerInnen durch. Seitdem existiert auf diesen 1200 Hektar die Genossenschaft „El Humoso“. Die Produkte werden in einer Konservenfabrik im Dorf, die ebenfalls eine Genossenschaft ist, abgefüllt.
Jede Familie bekommt ein Haus, das gemeinsam gebaut und mit 15 Euro monatlich abbezahlt wird – verkaufen kann es der Besitzer nicht, nur vererben.
Marinaleda zeigt, wie mensch aus der Krise kommen kann – oder besser gar nicht hineingerät: mit Solidarität, Gemeineigentum und Widerstandsgeist.

Übrigens: Die am weitesten rechts stehende Partei, die im Dorf Mitglieder hat, ist die Sozialdemokratie. 

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