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Spanien: Erfolg, Grenzen und Perspektiven des sozialen Widerstands

Von Jesus Rodriguez* | 01.12.2012

Um den Wechsel der politischen Periode verstehen zu können, den wir derzeit erleben, müssen wir genau hinschauen. Für die Analyse von Interesse sind nicht alleine wirtschaftliche Statistiken oder Zahlen zu Armut, Arbeitslosigkeit oder Reallohnverlust. Von Bedeutung ist vor allem die massive Beteiligung am gesellschaftlichen Protest gegen die Maßnahmen der verschiedenen Regierungen – zuerst der sozialdemokratischen PSOE (Partido Socialista Obrero Espanol) und jetzt der konservativen PP (Partido Popular).

Um den Wechsel der politischen Periode verstehen zu können, den wir derzeit erleben, müssen wir genau hinschauen. Für die Analyse von Interesse sind nicht alleine wirtschaftliche Statistiken oder Zahlen zu Armut, Arbeitslosigkeit oder Reallohnverlust. Von Bedeutung ist vor allem die massive Beteiligung am gesellschaftlichen Protest gegen die Maßnahmen der verschiedenen Regierungen – zuerst der sozialdemokratischen PSOE (Partido Socialista Obrero Espanol) und jetzt der konservativen PP (Partido Popular).

Der Generalstreik am 14. November2012 war ein Erfolg, und noch mehr waren es die enormen Demonstrationen, die ihn im ganzen Land begleitet haben. Sie hätten ohne den Aufruf zum Generalstreik, der ein zentraler Ausdruck des Klassenkampfes bleibt, nicht diese Wucht entwickeln können.

Dieser Erfolg ist umso höher zu bewerten, als die Angst vor Entlassungen und Arbeitslosigkeit (mit der alarmierenden Zahl von fast 6 Millionen Erwerbslosen) den Druck der Unternehmerseite verstärkt und die Feindseligkeit und Brutalität der Polizei ihn nicht verhindern konnte.
Ein großer Erfolg
Der Streik war auch ein Erfolg trotz der Desorientierung der Mehrheit der Gewerkschaftsführungen, die keinen langfristigen Kampfplan entwickeln. Sie bleiben Gefangene ihrer Logik des „sozialen Friedens“, ihrer falschen und zynischen Argumentation der gemeinsamen Verantwortung zu Beginn der Krise und schließlich ihrer Logik der gemeinsamen Opfer, um einen Ausweg aus der Krise finden zu können.

Diese katastrophale Orientierung hat große Zweifel, enormes Misstrauen und teilweise auch massive Empörung bei denen verursacht, die sich an den beiden vorausgegangenen Generalstreiks beteiligt hatten.
Nach dem ersten Generalstreik hatten die Gewerkschaftsführungen von CCOO (Confederacion Sindical de Comisiones Obreras, Abeiterkommissionen, KP-nah) und UGT (Union General de Trabajadores, sozialdemokratisch) einen Pakt zur „Rentenreform“ mit der früheren sozialdemokratischen Regierung geschlossen. Nach dem zweiten Generalstreik, am 29. März 2012, gab es keinen Plan, den Kampf weiterzuführen.

Eine Schwäche dieses dritten Generalstreiks ist, dass es noch keine verallgemeinerten Formen der Selbstorganisation von unten gegeben hat. Sie könnten um die Führung durch die in der Mobilisierung miteinander verbundenen Bereiche kämpfen. Dies muss eine der Aufgaben der AktivistInnen von Izquierda Anticapitalista (Antikapitalistische Linke) sein. Wenn wir diese Aufgabe nicht angehen, kann sich bei vielen KollegInnen in diesem Kampf auf mittlere Sicht Demoralisierung breit machen. Denn es ist offensichtlich, dass die Gewerkschaftsführungen versagen.

Der Generalstreik hat erneut sowohl den Verkehrssektor als auch die Industrie lahmgelegt. Die kleinen Ladenbesitzer haben ihn mehr als bisher unterstützt, wenn auch immer noch in begrenztem Umfang. Es gab Probleme, die Banken zu bestreiken. Die großen Kaufhäuser wurden von der Polizei geschützt.

Das Bewusstsein und die Organisierung der Angestellten im öffentlichen Sektor entwickeln sich sehr langsam, trotz der „Mareas“. Das sind Formen der Basisorganisation, die in den vorangegangenen Monaten einigen Widerstand gegen Mittelkürzungen und Entlassungen im öffentlichen Dienst entwickeln konnten.
Eine Perspektive entwickeln
Bemerkenswert war die Beteiligung der Jugend sowohl bei den Streikposten als auch an den Demonstrationen. Langsam beginnt sich eine neue Generation zu politisieren. Dies zeigt sich nicht nur in den Mobilisierungen der Studierenden, sondern auch dadurch, dass die Jugend Motor aller Initiativen einschließlich des Generalstreiks ist.
Izquierda Anticapitalista muss für eine neue Orientierung der Kämpfe streiten. Es ist wichtig, dass Erfolge erzielt werden, damit die Politisierung einer große Fraktion der arbeitenden Klasse möglich wird. Dies ist eine Voraussetzung, um sowohl die Sackgassen des Populismus als auch der Wahlorientierung des linksreformistischen Spektrums (KP,
Vereinigte Linke) vermeiden zu können. Letztere verfolgt derzeit eine doppelte Rhetorik und eine doppelte Praxis. Einerseits verbale Kritik an den harten Angriffen von oben und Beteiligung an den Mobilisierungen, andererseits Beteiligung an den Regionalregierungen, die die Austeritätspolitik wie in Andalusien umsetzen.

*Mitglied von Izquierda Anticapitalista
Übersetzung aus dem Französischen: H.N.

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