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Kultur

Afrika im Kino

Von Trixi Blixer | 01.07.2005

In den letzten Monaten sind zwei Filme ins Kino gekommen, die sich mit afrikanischen Diktaturen und Kriegen beschäftigen: der Fiction-Film "Die Dolmetscherin" und die wahre Geschichte "Hotel Ruanda".

Endlich werden neben den rei-??nen Thrillern, die ausschließ-??lich psychodramatische Kriminalfälle darstellen, wieder Filme produziert, die sich mit realen Auseinandersetzungen beschäftigen. Diktaturen in Afrika oder auch die ethnisierten Konflikte von Rebellengruppen gehören jedenfalls nicht zu den üblichen Themen des großen Kinos.
Der Völkermord an den ruandischen Tutsi ist so bis jetzt kaum Teil des kritischen Kinos gewesen. 1994 wurden ca. 1 Million Tutsi durch die Hutu-Milizen ermordet – einer der größten Massenmorde nach der Naziherrschaft. Es wurde höchste Zeit, dass die Geschichte des ruandischen Völkermords einem breiten Publikum erzählt wird. Einen Kinofilm über dieses Thema zu drehen ist nicht nur schwierig, sondern auch eine heikle Gratwanderung zwischen der notwendigen Emotionalität und einer Reduktion auf den Einzelfall. Der irische Regisseur Terry George hat das mit seinem Drama "Hotel Ruanda", der Verfilmung der wahren Geschichte des Hotel-Managers Paul Rusesabagina, trotzdem geschafft.
Ein klein bisschen Menschlichkeit
Paul Rusesabagina (Don Cheadle), Manager eines exklusiven Hotels in Kigali, ist Hutu und mit Tatiana (Sophie Okonedo), einer Tutsi, verheiratet. Als der ruandische Präsident nach Abschluss eines Friedensvertrags mit den Tutsi angeblich von Tutsi-Rebellen ermordet wird, eskaliert die Lage im Land. Hutu Milizen ziehen durch die Straßen und ermorden wahllos Menschen, die sie für Tutsi halten. Um seine eigene Familie in Sicherheit zu bringen, nimmt Paul sie und einige Tutsi-NachbarInnen in das von Blauhelmen gesicherte Hotel mit. Dort gewährt Paul bis zu 1000 Flüchtlingen Unterschlupf.
Der Film will keine realitätsgetreue Darstellung der furchtbaren Massaker liefern. Die unaussprechlichen Verbrechen, die die Milizen mit der Machete an ihren ehemaligen Nachbarn begingen und die mit dem Tod von über 1 Million Menschen endeten, werden nicht explizit gezeigt. Sie bleiben aber immer im Hinterkopf der ZuschauerInnen präsent. Die Einblendung der ständigen Hassreden des Hutu-Radiosenders reicht aus, eine Vorstellung des Ablaufs dieses Genozids zu schaffen.
"Hotel Ruanda" ist aufgrund seiner Themenstellung explizit ein politischer Film. Er zeichnet ein deutliches Bild der Interessen der UN, nämlich den westlichen Einfluss und seine Staatsangehörigen zu retten. In Gesprächen, bspw. an der Bar mit der Figur des Kameramanns Denglish (Joaquin Phoenix), wird nicht nur die Rolle der Medien aufgegriffen, sondern auf die komplexe Ursache der ethnisierten Konflikte, die in der kolonialen Vergangenheit liegt, eingegangen.
UNO und eine afrikanische Diktatur
Pollacks fiktionaler Film "Die Dolmetscherin" spielt bei der UN in New York. Absolut zeitgemäß ist die Hintergrundstory, die sich mit der Wandlung des ehemaligen Hoffnungsträgers eines afrikanischen Landes zum machtbesessenen Diktator beschäftigt. Obwohl hier keine Namen genannt und ein Fantasie-Staat samt Fantasie-Sprache erfunden werden, kann man diese problemlos im Umfeld Zentralafrikas positionieren oder bspw. mit Robert Mugabe identifizieren.
Silvia Broome (Nicole Kidman) arbeitet als Dolmetscherin für die Vereinten Nationen in New York. Als sie eines Abends zufällig Ohrenzeugin eines Mordkomplotts gegen einen afrikanischen Staatschef wird, informiert sie die US-Behörden. Die stellen auch sofort den Agenten Tobin Keller (Sean Penn) ab – allerdings nicht zu ihrem Schutz, wie Silvia zunächst annimmt, sondern vielmehr um die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen zu überprüfen. Denn aufgrund ihrer politischen Vergangenheit gerät sie bald selbst ins Visier und damit unter Verdacht, hier vielleicht ganz eigene Interessen zu vertreten. Recht großen Raum nimmt dabei das Dilemma der UN ein: Auf der einen Seite wird zu euphorisch außerhalb jeder Machtverhältnisse geschildert, wie engagiert die MitarbeiterInnen der Vereinten Nationen sind. Auf der anderen wird jedoch recht deutlich kritisiert, dass die UN ggfls. auch mit mordenden Diktatoren zusammenarbeitet, wenn es in das Konzept passt. Pollacks Film hat gute Ansätze das aktuelle Zeitgeschehen in einem spannenden Kinofilm zu verarbeiten – trotzdem scheint die Story doch nur eine Hintergrundgeschichte zu bleiben, die einen Thriller umrankt.
Wo bleibt Afrika?
Bei beiden Filmen besteht, auch entgegen ihrer Intention, die Gefahr, dass der / die europäische ZuschauerIn im derzeit gängigen Afrikabild bestätigt wird: korrupte Politiker, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben und dafür ihre Volksgruppe instrumentalisieren und mit äußerster Brutalität gegen alle GegnerInnen vorgehen. Trotz dieser Gefahr der vereinfachten Interpretation, ist es richtig, die Realität, wie sie für viele afrikanische Länder zutrifft, auch im Kino zu zeigen. Beide Filme, so unterschiedlich sie auch sind, zeigen gleichzeitig, dass es auch unter den unmenschlichsten Bedingungen noch Widerstand und Menschlichkeit gibt.

TiPP!
Hotel Ruanda
Regie: Terry George; Drehbuch: Keir Pearson, Terry George; Schauspieler: Don Cheadle, Sophie Okonedo, Nick Nolte

Die Dolmetscherin
Regie: Sydney Pollack; Drehbuch: Martin Stellman, Brian Ward, Charles Randolph; Schauspieler: Nicole Kidman, Sean Penn, Catherine Keener

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