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Innenpolitik

Hochgefährlicher 3. Juni: Knüppel gegen soziale Bewegung

Von Trixi Blixer | 01.07.2006

Bei der bundesweiten Demonstration gegen Sozialabbau am 3. Juni in Berlin kam es trotz „rot/rotem“ Senat zu massiven Polizeiübergriffen auf die TeilnehmerInnen. Die DemonstrantInnen, die aus der ganzen BRD am Pfingstwochenende in Berlin gegen die neoliberale Politik des Sozialabbaus protestierten, waren nicht nur dem strömenden Regen ausgesetzt, sondern auch einer gewaltbereiten und freudig eingreifenden Polizei ausgeliefert.

Bei der bundesweiten Demonstration gegen Sozialabbau am 3. Juni in Berlin kam es trotz „rot/rotem“ Senat zu massiven Polizeiübergriffen auf die TeilnehmerInnen.

Die DemonstrantInnen, die aus der ganzen BRD am Pfingstwochenende in Berlin gegen die neoliberale Politik des Sozialabbaus protestierten, waren nicht nur dem strömenden Regen ausgesetzt, sondern auch einer gewaltbereiten und freudig eingreifenden Polizei ausgeliefert. Mehrfach griffen Sondereinsatzkommandos die Demo mit Schlagstöcken und Pfefferspray an und versuchten, einzelne TeilnehmerInnen festzunehmen. V.a. der Block der Interventionistischen Linken (ein Bündnis aus Antifaschistische Linke Berlin, Organisierte Autonomie Nürnberg oder Fels) wurde Zielscheibe der Polizeiüber- und -eingriffe.

Wie schon in den vergangenen Jahren wiederholt festgestellt, ändert die Beteiligung der Linkspartei.PDS am Senat nichts an der Berliner Linie der Polizeieinsatzkräfte. Von Anfang an setzte die Polizei schikanöse Kleinstverordnungen durch: das Tragen von Seitentransparenten mit einer Länge über 1,50m oder Stahlkappenschuhe waren an diesem Tag auf der Demo verboten. Die sog. Antikonflikteinheit der Einsatzkräfte und die OrganisatorInnen der Demo versuchten anfangs eine Eskalation zu vermeiden – jedoch nutzt jede Verhandlung wenig, wenn an der nächsten Ecke schon die schnelle Eingreiftruppe bereit steht, um vorher markierte AktivistInnen aus der Demo zu ziehen. So schlugen sich bspw. am Hackenschen Markt und an der Oranienburger Str. die Berliner Einheiten in die total friedliche (und total durchnässte) Demo. Trotz des forschen Eingreifens kam es zum deutlichen Widerstand der TeilnehmerInnen, die es zeitweise schafften, die Polizei wieder aus dem Demozug zu drängen. Auch auf der Abschlusskundgebung eskalierte die Polizei die Situation und griff wiederholt prügelnd die Menschenmenge an. Nur der mehrfach scharfe Protest der Demoleitung und v.a. der Widerstand der TeilnehmerInnen konnte die Prügelszenen beenden. Dieser deutliche Widerstand gegen das Eingreifen der grünen Truppe konnte aber nicht verhindern, dass Einzelne verletzt und festgenommen wurden.
Schock!?!
Unter den DemoteilnehmerInnen waren, neben den erfahrenen AktivistInnen aus den linken Organisationen und Zusammenhängen, auch viele Demoneulinge. Diese waren regelrecht schockiert über das brutale und massive Vorgehen der Polizei. Auf den lokalen Montagsdemos oder auch auf den üblichen Gewerkschaftskundgebungen kommt es in weiten Teilen Deutschlands normalerweise nicht zu so massiven Übergriffen der Polizei. Bis an die Zähne bewaffnete Eingreiftruppen, die durchnässten Hartz IV-EmpfängerInnen gegenüberstehen, das ist ein Bild, das viele nicht gewöhnt sind. Es zeigt aber, wie unbeliebt die anhaltenden Proteste gegen Hartz IV bei der bürgerlichen Politik sind.  Inzwischen gibt es an vielen Orten Initiativen gegen den sozialen Kahlschlag, die oft klein aber äußerst zäh die Armutsspirale durch das Arbeitslosengeld II in der Öffentlichkeit thematisieren. Auch der Streik im öffentlichen Dienst hat sein Übriges dazu getan, die Angriffe auf die Arbeitszeiten und Löhne zu bekämpfen. Initiativen, Bündnisse und die neu Aktivierten aus den letzten Streiks stellen gemeinsam eine neue Basis für eine breite Bewegung gegen Sozialabbau und den Angriff auf die Rechte der Lohnabhängigen dar. Die große Koalition des Abbaus fürchtet genau eine solche mögliche breite Solidarisierung unter den Lohnabhängigen und den Erwerbslosen.

Wie schon bei der Demo „Agenturschluss!“ in Nürnberg gegen die Einführung des Arbeitslosengeldes II wurde deshalb mit Repression auf die sich bildende Bewegung reagiert. Und da trifft es dann auch Menschen, die bis dato nicht die „üblichen“ Opfer der staatlichen Unterdrückungspolitik waren: klassenkämpferische GewerkschafterInnen, engagierte Hartz IV-EmpfängerInnen oder aktive RentnerInnen.

Der Presseprecher der Demo und des Erwerbslosenforums Deutschland, Martin Behrsing, verurteilt deutlich die Angriffe auf die Demo: „Wir fordern den Berliner Innensenator Erhard Körting (SPD) auf, Stellung zu diesen Vorfällen zu beziehen. Hier wurde nicht mehr die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt und es gab keinen Anlass, der diese Aktionen auch nur im Geringsten rechtfertigte. Wenn dies jetzt die neue Linie ist, wie gegenüber friedlichen Hartz-IV Demonstranten vorgegangen wird, müssen sich die Verantwortlichen nicht wundern, wenn zukünftig zu ähnlichen Mitteln von Seiten der Betroffenen gegriffen wird. Die verbalen Attacken maßgeblicher Unionspolitiker gegenüber Arbeitslosen wurden nun durch gewaltsame Attacken durch die Staatsgewalt ausgeweitet. Die Abgeordneten der Berliner Linkspartei sollte dringend hierzu Stellung beziehen, schließlich hat bundesweit die Linkspartei zu diesem Protest aufgerufen, der durch das Verhalten der Berliner Polizei und dessen obersten Dienstherren so Ausgang gefunden hat“.

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