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Innenpolitik

Das Arbeits-Los gezogen: Arbeitslosigkeit im Osten Deutschlands – Die Zukunft des Westens

Von Arno N. | 01.01.2004

„In einer Gesellschaft, deren Freiheitsbeweis wesentlich auf der Behauptung beruht, jeder tüchtige Tellerwäscher könne Millionär werden, muss sich jeder schuldig fühlen, der nicht einmal Tellerwäscher wird.“

„In einer Gesellschaft, deren Freiheitsbeweis wesentlich auf der Behauptung beruht, jeder tüchtige Tellerwäscher könne Millionär werden, muss sich jeder schuldig fühlen, der nicht einmal Tellerwäscher wird.“

Die Chancen in Deutschland Tellerwäscher zu werden, liegen, und da wird niemand zweifeln, im Osten des Landes besonders gut. Die Arbeitslosenquote liegt dort meist doppelt so hoch, mancherorts sogar um das Dreifache des Bundesdurchschnittes erhöht. Rechnet man die Vorruheständler, „dem Markt nicht Verfügbare", die in „Qualifikation befindlichen Personen" sowie andere Statistikverschönerungen hinzu, können wir die offizielle Zahl getrost abwinken, wie wir übrigens auch die zwei Millionen Menschen nicht vergessen dürfen, die seit 1990 die blühenden Landschaften im Osten verlassen haben. Winke, winke, könnte man meinen, wenn nicht die Landesväter alle Nase lang ihr Lied anstimmten, man solle doch hier (im Osten) bleiben und aufbauen helfen.

Am besten als selbstständiger Tellerwäscher. Immerhin tauchen die in keiner Statistik auf. Im Oktober meldeten sich knapp 750 000 Menschen bundesweit von ihrem Arbeitsamt ab. Bundesanstalt-für-Arbeit-Chef Gerster jubelt dazu, es hätten davon „mehr als die Hälfte" keine Beschäftigung aufgenommen.

Gleichzeitig meldet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform einen Pleitenrekord für 2003 mit 40 000 Firmeninsolvenzen. 300 000 verlieren ihre Anstellung.
Zukunft Ostdeutschland?
Die Zukunft Deutschlands behaupten marxistische wie neoliberale Vordenker liegt in Ostdeutschland. Beide meinen fast das gleiche, doch ihre Interpretation könnte nicht verschiedener sein. Prekäre Arbeitsverhältnisse, d.h. Arbeitsverträge, die befristet sind, die für die Beschäftigten keine Gewissheit, keine Planung, keine Perspektiven bieten, günstigstenfalls „verlängert" werden. Ein tariffreier Acker wird neoliberal bereitet, ohne Flächentarif, ohne Mindestlöhne, mit so genannten „Öffnungsklauseln". Der deindustriealisierte Osten, der ökonomisch wie sozial „abgewickelt" wurde, der am Tropf der westlichen Konsumkonzerne hängt, ohne produktiv von Nöten zu sein, aber als Verbraucherparadies nützlich erscheint, dient als Freilandversuch neoliberaler Wunschträume.

Gerade der von der Politik selbst geschaffene Total-Blackout Arbeitslosigkeit Ost, dient als Pressmittel, alle nur „erdenklichen Bemühungen zu unternehmen" (Schröder), um das Problem Arbeitslosigkeit „in den Griff zu bekommen". Die Schärfe des Kampfes zeigte sich deutlich im Metall-Arbeitskampf im letzten Sommer. Die Niederlage der IG Metal in Sachsen war in Wirklichkeit eine verlorene Schlacht, die ganz Deutschland erschütterte. Denn alles was im Osten geschieht, so die marxistischen Kritiker, trifft letztendlich alle. Der Osten ist quasi ein Modell, ein Probierfeld neoliberaler Experimente. Gelingen die hier, kommen sie garantiert auch in den Westen. Denn da schlägt das wirtschaftliche Herz des großmächtigen Exportweltmeisters. Da schlägt letztlich Europa. Da soll die USA geschlagen werden. Im Osten geht also weiterhin die Sonne auf. Letztendlich.

 

Arbeitslos im Osten
Nach der Annexion Ostdeutschlands sind dort von damals 9,8 Mio. Arbeitsplätzen (1989) bis heute netto 4 Mio. Arbeitsplätze vernichtet worden. Die Erwerbsquote war noch 1992 mit 86,7% recht hoch. Im Jahr 2001 betrug sie nur noch 78,6%. Offiziell beträgt dort die Arbeitslosigkeit 17,5% (im Jahr 2001, seitdem steigt sie wieder). Sie wäre noch sehr viel höher, fände nicht seit 1990 eine dramatische Abwanderung statt. 1989 lebten dort noch 16.8 Mio. Menschen, heute sind es noch 15,1 Mio. Vor allem junge und qualifizierte Kräfte sind abgewandert. Hinzu kommt ein hoher Pendlerüberschuss von 220 000 Personen.

D. B.

 

 

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