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Betrieb & Gewerkschaft

Ihr Ziel: Löhne senken

Von Konrad Reich | 01.01.2004

Seit dem von der IG Metall abgebrochenen Streik für Arbeitszeitverkürzung in Ostdeutschland, gilt vielen Politikern und Wirtschaftsbossen als ausgemachte Sache, dass „die Deutschen“ zu wenig arbeiten. Arbeitszeitverlängerung steht stattdessen auf der Tagesordnung und wird als Botschaft breit über die Medien transportiert.

Seit dem von der IG Metall abgebrochenen Streik für Arbeitszeitverkürzung in Ostdeutschland, gilt vielen Politikern und Wirtschaftsbossen als ausgemachte Sache, dass „die Deutschen“ zu wenig arbeiten. Arbeitszeitverlängerung steht stattdessen auf der Tagesordnung und wird als Botschaft breit über die Medien transportiert.

CDU-Chefin Merkel fordert in der „Welt am Sonntag" die Arbeitszeit in Westdeutschland auf Ost-Niveau zu verlängern und bringt es auf den Punkt: „Wir müssen tendenziell für dasselbe Geld länger arbeiten". Zuvor hatte sich bereits ihr CSU-Rivale Stoiber für eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit um zwei bis drei Stunden ausgesprochen. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Teufel erklärte, er halte eine Wochenarbeitszeit von 41 Stunden für alle Beschäftigten für zumutbar. Konsequenterweise haben er und sein hessischer Kollege Koch dann auch die Arbeitszeitverlängerung für die Landesbeamten bereits in Gesetze gießen lassen. Da lassen sich die CDU-Mittelständler nicht lumpen und fordern in Person von Hartmut Schauerte im „Tagesspiegel" zwei Stunden Mehrarbeit pro Woche und den Verzicht auf einen Feiertag.

Soviel Modernität und Neujustierung kann die SPD nicht ohne eigenen Beitrag lassen. Bundeswirtschaftsminister Clement setzt sich deshalb im „Handelsblatt" für längere Arbeitszeiten ein und erstellt gleich einen neuen Masterplan mit Aufgaben für alle politischen Akteure. Die Tarifvertragsparteien dürften Wochen- und Lebensarbeitszeiten nicht länger als Tabu betrachten. Aufgabe des Bundes sei es, die tatsächliche Lebensarbeitszeit dem gesetzlichen Renteneintrittsalter von 65 Jahren anzupassen. Die Länder müssten über die Zahl der Feiertage nachdenken. Der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend sekundiert ihm im „Tagesspiegel": „Wir brauchen mehr atmende Tarifverträge, die auch Arbeitszeiten bis zu 45 Stunden pro Woche zulassen".
Rotzfreche Kapitalvertreter
Auch die Kapitalvertreter kommen aus den Kulissen, wo sie bislang nur als Stichwortgeber fungiert haben. Vorneweg wie immer BDI-Präsident Rogowski, der im „Handelsblatt" dafür plädiert, die Wochenarbeitszeit pauschal auf 38 bis 40 Stunden anzuheben und dabei noch Schwankungen von mindestens (!) fünf Stunden nach unten und oben offen zu halten. DIHK-Präsident Braun setzt noch eins drauf und empfiehlt als Weg aus der Krise 500 Stunden im Jahr länger zu arbeiten. Die Beiden scheinen allerdings mehr in ihrer Rolle als Minenhund und Tabubrecher gefragt zu sein.

Ernst zu nehmender ist da der Arbeitgeberpräsident Hundt, der das Thema Arbeitszeitverlängerung geschickt mit seiner Position zu einer Veränderung des Günstigkeitsprinzips in der Diskussion über Tarifautonomie verbindet und für betriebliche Öffnungsklauseln ohne Zustimmung der Tarifvertragsparteien plädiert.

Den ernsthaftesten Angriff fahren allerdings derzeit die Metallarbeitgeber, die in die beginnende Tarifrunde die Frage der Arbeitszeit einbringen. Gesamtmetall-Präsident Kannegiesser sagte im „Tagesspiegel", den Arbeitgebern gehe es nicht um eine grundsätzliche längere Arbeitszeit. „Wir reden nicht generell von 40 Stunden… wir brauchen betriebliche Differenzierungsmöglichkeiten beim Arbeitszeitvolumen nach oben und nach unten." Kannegiesser stellt sich das so vor, dass es – je nach Vereinbarung der Betriebsparteien – eine längere Arbeitszeit mit teilweisem oder ohne Lohnausgleich geben könnte. Auch ein Prämiensystem sei denkbar. In der Bundesrepublik sei der Lebensstandard nur zu halten, wenn bei konstantem Einkommen mehr gearbeitet werde. Und wenig später im „Kölner Stadt-Anzeiger" ergänzt er noch die Arbeitgeberforderung nach einem Arbeitszeitkorridor zwischen 30 und 40 Stunden. Auch das Problem, dass der Manteltarifvertrag gar nicht gekündigt ist, sieht Kannegiesser im „Handelsblatt" nicht. Man setze darauf, in der Lohnrunde ein Einvernehmen über die Inhalte mit der IG Metall zu erzielen. Unter diesen Bedingungen gebe es dann kein formales Problem, die alten Tarifverträge durch neue Regelungen zu ersetzen.
IG Metall-Führung schlingert
Und das ist genau die Wellenlänge auf der Teile der IG Metall-Bürokratie empfangsbereit sind. So sagte Berthold Huber – immerhin zweiter Vorsitzender – dem „Tagesspiegel" „gegen einen Korridor spricht nichts", da es ihn faktisch bereits heute gebe. Im Übrigen sei eine Arbeitszeit über 35 Stunden jederzeit auch ohne Zuschläge bei einem Ausgleichszeitraum von bis zu 24 Monaten möglich. Und in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lautet seine Weihnachtsbotschaft am 18. Dezember: „Wenn einer zu mir kommt und die 18-Prozent-Quote ändern will, brauche ich keine zwei Stunden, um das mit dem zu klären….Das System flexibler Arbeitszeiten zu erweitern ist selbstverständlich mit der IG Metall zu machen. Da sind wir offen wie ein Scheunentor!…Da ist vieles denkbar." Die Erklärung des 1.Vorsitzenden Peters vom 25. 12. ist da nicht besser: Er erklärte sich bereit, über flexible Öffnungsklauseln zu verhandeln.

Hier stehen in der Tat die arbeitszeitpolitischen Scheunentore sperrangelweit offen. Die Ernte werden allerdings die Metallkapitalisten einfahren.

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