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Betrieb & Gewerkschaft

Zieht Siemens jetzt auch seine EDV-Tochter SBS über den Tisch?

Von Korrespondent Carlo | 01.11.2006

1 500 von 10 000 KollegInnen in Deutschland bei Siemens Business Services (SBS) mit den Geschäftsgebieten EDV-Consulting, Softwareentwicklung und Systembetreuung stehen auf der Abschussliste: Angeboten werden ihnen ein Aufhebungsvertrag mit Abfindung oder der Übertritt in eine Transfergesellschaft. Die restlichen KollegInnen sollen einem Ergänzungstarifvertrag unterworfen werden, dessen Ziele Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung beinhalten.

1 500 von 10 000 KollegInnen in Deutschland bei Siemens Business Services (SBS) mit den Geschäftsgebieten EDV-Consulting, Softwareentwicklung und Systembetreuung stehen auf der Abschussliste: Angeboten werden ihnen ein Aufhebungsvertrag mit Abfindung oder der Übertritt in eine Transfergesellschaft. Die restlichen KollegInnen sollen einem Ergänzungstarifvertrag unterworfen werden, dessen Ziele Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung beinhalten.

Gerade in dieser Sparte müssen die KollegInnen permanent weitergebildet werden. Doch die Versäumnisse des „Arbeitgebers“ bei der kontinuierlichen Weiterqualifizierung der Beschäftigten werden nun den Betroffenen angelastet. Von einem Konzept, in welche Richtung es gehen soll, welche Qualifikationen gebraucht und aufgebaut werden sollen, ist nichts zu sehen.
Vor dem Hintergrund einer schlechten wirtschaftlichen Lage, einem Zusammengehen von SBS mit vier ausländischen Tochtergesellschaften zu einem neuen größeren Siemensbereich SIS und der Insolvenz der ehemaligen Tochter BenQ sehen Siemens und der IGM-Vorstand eine vage Möglichkeit, mit einem Ergänzungstarifvertrag die SBS zu „retten“ und zu „sanieren“.
Voraussetzung ist laut Siemens die Umsetzung des so genannten Turnaround-Programmes, das bis Frühjahr 2007 1,5 Milliarden Euro sparen soll. In Zusammenhang damit verweist Siemens auf laufende Verhandlungen mit der IG Metall-Führung und der für SBS zuständigen Tarifkommission mit dem Ziel, „den für die Regionalorganisation Deutschland bestehenden Ergänzungstarifvertrag auch auf die bisherige SBS anzuwenden.“
„Ergänzungstarifvertrag“
In diesem „Ergänzungstarifvertrag“ soll sich nach dem Willen von Siemens die Wochenarbeitszeit um zwei Stunden erhöhen. Dazu sollen das Urlaubsgeld und das anteilige 13. Monatseinkommen durch eine leistungs- und ergebnisbezogene Erfolgsbeteiligung (LeE) ersetzt werden, die anfänglich null wäre. Alle KollegInnen sollen neu eingruppiert werden, wobei es zu Absenkungen der Monatseinkommen kommen kann, die nach dem Willen der „Arbeitgeber“seite nur teilweise ausgeglichen werden sollen. Hauptproblem dabei ist, dass sich SBS als Gegenleistung bislang nicht zu einer belastbaren Beschäftigungs- und Standortsicherung bereit erklärt hat.

Ob die „Sanierung“ gelingen wird, stellen viele KollegInnen aufgrund der gemachten Erfahrung bei BenQ nun in Frage. Sie möchten sich nicht (mehr) wie Indianer behandeln lassen, die für jedes Stück Land, das sie abgeben mussten, neues wertloses Papier erhielten.

Durch die neue Abbauwelle, die dadurch entstehenden Kosten für Abfindungen und aufgrund der allgemeinen Verunsicherung und Demotivierung der anderen Beschäftigten sehen sie die Arbeitsplätze bei SBS eher gefährdet als gesichert.
Fortschrittliche KollegInnen wie bei SBS Braunschweig haben daher folgende Forderungen an einen eventuellen Ergänzungstarifvertrag:

  • –    Ohne Leistung des „Arbeitgebers“ keine Gegenleistung der KollegInnen
  • –    Zeitliche Befristung von eventuellen Regelungen
  • –    Keine Erhöhung der Arbeitszeiten, stattdessen temporäre Arbeitszeitverkürzungen, wie sie der Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag vorsieht, um die Arbeitsplätze im Gegenzug zu zeitlich befristeten Gehaltseinbußen zu erhalten
  • –    Beteiligung aller IGM-Mitglieder bei der Abstimmung zum Tarifvertrag
  • –    Kontrolle der Wirtschaftszahlen

Die GewerkschaftsaktivistInnen bei SBS sind sich einig, dass die sehr schwache Vernetzung und Unterstützung der Belegschaften da Hauptproblem bilden. Die Aufgabe der Gewerkschaft wäre es, überbetriebliche Solidarität zu organisieren. Ansätze hierzu gibt es an einigen Standorten wie in Frankfurt.

Die Diskussion über die Verteilung der Arbeit auf möglichst viele Schultern – zurzeit allerdings noch unter Inkaufnahme von Lohnverzicht – ermöglicht es, den AktivistInnen das lange vernachlässigte Thema der Arbeitszeitverkürzung wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Wenn sich die Manager von Siemens schamlos eine 30%ige Gehaltserhöhung genehmigen und gleichzeitig Tausende von Arbeitsplätzen vernichten, wird es Zeit, das Verbot von Entlassungen zu fordern, wie es Ver.di schon bei Tarifverhandlungen ins Spiel brachte.

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