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Betrieb & Gewerkschaft

Privatisierung der Unikliniken: „… dann würden auch massenhafte Entlassungen anstehen.“

Von B. Behrends | 01.02.2007

Interview mit Stephan Gastmeier, Vertrauensmann der Gewerkschaft ver.di und Personalrat am Universitätsklinikum Essen über die Nachwirkungen des Streiks im Öffentlichen Dienst und die nicht abgewendete Privatisierung.

Interview mit Stephan Gastmeier, Vertrauensmann der Gewerkschaft ver.di und Personalrat am Universitätsklinikum Essen über die Nachwirkungen des Streiks im Öffentlichen Dienst und die nicht abgewendete Privatisierung.

Avanti: Wie ist die Stimmung heute 8 Monate nach dem 16wöchigen Streik?
Stephan Gastmeier: Die Stimmung ist angespannt. Der Tariferfolg ist weitestgehend umgesetzt, andererseits stehen kontinuierlich Angriffe der Arbeitgeber bzw. der Landesregierung auf der Tagesordnung.

Avanti: Was ist der Stand beim Tarifvertrag?
Stephan Gastmeier: Es fehlt nach wie vor die Unterzeichnung des Tarifvertrages durch den Finanzminister. Nach dem erfolgten Rechtsformwechsel der Universitäten in NRW zum 1.1.2007 soll nun Anfang Februar erst der Arbeitgeberverband gegründet werden, in dem die Universitäten und Unikliniken Mitglieder seien sollen. Die Zusicherung der Landesregierung den Tarifvertrag (TV-L) dann für den neuen Arbeitgeberverband gelten zu lassen, liegt ver.di zwar mündlich vor. Es gibt aber immer noch kein festes Datum.  In der Zwischenzeit beschäftigt uns aber auch das Thema Privatisierung.

Avanti: Euch droht die Privatisierung?
Stephan Gastmeier: Das zuständige Ministerium unter Minister Pinkwart (FDP) hat im letzten Jahr die Unternehmensberatung Roland Berger mit der Begutachtung der Universitätskliniken in NRW beauftragt. Das Gutachten sollte schon längst auf dem Markt sein, allerdings hat sich die Landesregierung bisher geweigert, das Ergebnis der Bevölkerung und den Beschäftigten zur Kenntnis zu geben. Das ist schon ein dicker Hund: Mit öffentlichen Geldern werden Gutachten in Auftrag gegeben, die dann in geheimen Kanälen verschwinden sollen. Wir gehen trotzdem davon aus, dass Privatisierungen in Zukunft angedacht sind.

Avanti: Welche Auswirkungen können sie haben?
Stephan Gastmeier: Das Land kann dann behaupten, die Haushaltskassen schonen zu können. Tatsächlich wäre eine Privatisierung der Unikliniken in NRW wie auch sonst überall eine massive Verschiebung steuerfinanzierter öffentlicher Einrichtungen hin in private Hände. Leidtragende wären in erster Linie die Beschäftigten. Wie auch in Hessen absehbar, würden dann auch massenhafte Entlassungen anstehen. Private Investoren brauchen unrentable Bereiche nicht. Sie entledigen sich zügig der unter öffentlicher Trägerschaft festgeschriebenen Verantwortung zur Krankenversorgung. Damit wären PatientInnen die nächsten Opfer einer Privatisierung der Unikliniken.

Avanti: Erschwert sie auch das einheitliche Handeln und die gewerkschaftliche Organisierung?
Stephan Gastmeier: Schon heute haben wir Probleme damit, dass einzelne Bereiche in Hände privater Betreiber übergegangen sind. Häufig werden ultrakurze befristete Arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Das macht die gewerkschaftliche Organisierung nicht leichter. Dazu kommt, dass viele der Beschäftigten im Vorfeld langzeitarbeitslos waren. Sie haben große Angst aufzufallen.

Avanti: Wie könnt ihr der Privatisierung entgegentreten?
Stephan Gastmeier: Schon jetzt wird viel diskutiert über die anstehenden Auseinandersetzungen. Momentan steht allerdings noch die Tarifsicherung im Vordergrund. Wenn es soweit ist, wird die Diskussion um Arbeitskampfmaßnahmen erneut auf der Tagesordnung stehen. Es wird dann auch unsere Aufgabe sein, nicht nur die Beschäftigten, sondern auch PatientInnen und ihre Angehörigen, AnwohnerInnen und andere Betroffene als Partner mit ins Boot zu nehmen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns gut schlagen werden.

Avanti: Vielen Dank.

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