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Innenpolitik

Berlin hebt Ladenschluss auf: Total flexibel mit „rot-rot“

Von Trixi Blixer | 01.01.2007

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Als erstes Bundesland hat das SPD-/Linkspartei.PDS-regierte Berlin den Ladenschluss von Montag bis Samstag komplett aufgehoben. Damit hat sich die Landesregierung zur Speerspitze der Flexibilisierung im Einzelhandel gemacht. Ausgerechnet die Linkspartei.PDS knickte bei der Frage der Ladenöffnungszeiten jetzt ein.

Als erstes Bundesland hat das SPD-/L.PDS-regierte Berlin den Ladenschluss von Montag bis Samstag komplett aufgehoben. Damit hat sich die Landesregierung zur Speerspitze der Flexibilisierung im Einzelhandel gemacht.

Ausgerechnet die Linkspartei.PDS knickte bei der Frage der Ladenöffnungszeiten jetzt ein. Wie sich auch schon beim Ausstieg des Landes Berlin aus dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes oder bei den Privatisierungen der öffentlichen Krankenhäuser zeigte, ist die Regierungsbeteiligung der L.PDS in keiner Weise eine Garantie dafür, dass sich das Land Berlin nicht an der neoliberalen Umbaupolitik beteiligt. Im Gegenteil, fast könnte mensch meinen, dass die L.PDS ihre Regierungsfähigkeit gerade damit unter Beweis stellen möchte, dass sie sich an der rigiden Sparpolitik beteiligt. Gewählt wurde sie aber, und daran muss an dieser Stelle noch einmal erinnert werden, weil die große Koalition von CDU und SPD unter Bürgermeister Diepgen das Land quasi in den Bankrott getrieben haben. Profitiert haben dabei viele, vor allem die Banken. Verloren haben dabei die BewohnerInnen von Berlin, die jetzt nachhaltig für die fehlgeschlagene Politik blechen dürfen, v. a. bekommen sie immer weniger Sozialleistungen und Kulturgüter für ihre Steuergelder.
Konzepte der L.PDS
Die L.PDS, die im Zuge der Finanzkrise als linke Alternative gewählt wurde, stimmt seit ihrer Regierungsbeteiligung in den neoliberalen Chor ein: Es muss privatisiert werden (bei der L.PDS halt sozialverträglich), die Tarifverträge sind unter solchen Bedingungen nicht mehr zu halten, neue Investoren müssen angelockt werden (dann wird die Lage irgendwann schon besser), Bildung und Kultur sind schlicht zu teuer – und jetzt, um Berlin „attraktiv“ zu halten, wird der Arbeitsmarkt flexibilisiert. Statt, wie der Sozialismus im Namen der L.PDS vermuten ließe, auf konsequente Umverteilung zu setzen und mit den Gewerkschaften eine gemeinsame Klassenkampfstrategie zu entwickeln, setzt die L.PDS wie alle anderen Regierungsparteien auf das übliche kapitalistische Programm.

So ist auch das Konzept der Partei mit dem Sozialismus im Namen recht kurzsichtig und damit lediglich für die UnternehmerInnen interessant: V. a. wenn das Land interessant für Unternehmen und TouristInnen wird, kommt Geld in die Kassen. Beim Tourismus ist Berlin inzwischen die dritt meist besuchte Stadt in der EU. Und Berlin setzt dabei auf das Image der Shopping-Metropole. Wohin das Geld aus den öffentlichen Kassen allerdings wieder verschwindet, bleibt bei diesem Konzept unangetastet. Zum größten Teil werden die Einnahmen nämlich gleich als Zinsen für die Schulden an die Banken weitergeleitet – die verdienen sich an der Finanznot dabei auch noch eine Platinnase!

Während also die BerlinerInnen immer ärmer werden, setzt die Landesregierung auf zahlungskräftige BesucherInnen. Wer ein solches Konzept verfolgt, in dessen Logik sind die bis dato regulierten Ladenöffnungszeiten einfach nur ein Hindernis.
Rund um die Uhr
Die Landesregierung hat demzufolge im November beschlossen, dass ab jetzt alle Geschäfte in Berlin von Montag bis Samstag zukünftig rund um die Uhr öffnen dürfen. Auch der Sonntag ist nicht mehr geschützt – an allen Adventssonntagen  und  zusätzlich an sechs Sonntagen im Jahr dürfen die Geschäfte von 13 bis 20 Uhr öffnen. Das einzige „Zugeständnis“ ist, dass Angestellte mit Kindern auf Verlangen von der Arbeit nach 20 Uhr und am Sonntag freigestellt werden müssen.

Mit diesem Gesetz ist es der L.PDS und der SPD gelungen, die Nacht zum Regelarbeitstag zu machen. Damit sind die Angestellten im Einzelhandel und in der Folge alle Beschäftigten von der Abschaffung der Ladenöffnungszeiten betroffen. Auch an diesem Beispiel wird wieder einmal deutlich, dass es wirklich nur um die Profite für die UnternehmerInnen geht und überhaupt nicht um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen!

 

PDS rechtfertigt Freigabe
Protest gegen die Freigabe der Ladenöffnungszeiten durch den SPD-L.PDS-Senat gab es auch innerhalb der Linkspartei … aus anderen Landesverbänden, wie Hamburg oder Sachsen-Anhalt.
Für die Berliner L.PDS ist der Ladenschluss Nebensache – es ging darum, den neuen Koalitionsvertrag mit der SPD zu unterschreiben. Trotz der herben Wahlniederlage im September ist die Neuauflage der Koalition vom Landesparteitag im November mit nur 11 Gegenstimmen beschlossen worden. Dort wurde die Kritik am Ladenschluss von der Sozialsenatorin Knake-Werner mit den Worten weggewischt: Die Linke könne nun einmal nicht „nachträglich die verlorenen Schlachten der Gewerkschaften gewinnen“.
Ver.di hat seit Oktober 2006 im Berliner Einzelhandel 1.200 neue Mitglieder gewonnen. 2007 sollen „für die Tarifrunde Forderungen“ entwickelt werden. Das klingt nicht gerade so, als ob die ver.di-Führung entschlossen wäre, trotz des Verrats der L.PDS die Schlacht gegen die Ladenöffnung noch zu gewinnen. Das Weihnachtsgeschäft wurde jedenfalls durch keinerlei Aktionen gestört …
R. Lux
Tarifbestimmungen
In Berlin sind die Öffnungszeiten nun an allen Werktagen freigegeben. Davon betroffen sind rd. 60 000 Beschäftigte. Bestimmung aus dem Berliner Manteltarifvertrag (MTV):
„Mehrarbeit, desgleichen auch Nacht­‑, Sonn- und Feiertagsarbeit ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Sie ist auf Veranlassung der Betriebsleitung nur vorübergehend in Fällen einer dringenden geschäftlichen Notwendigkeit nach Anhörung des Betriebsrates zulässig“.
Der MTV für den Berliner Einzelhandel regelt darüber hinaus

  • • einen Zeitzuschlag von 20 % für Spätöffnungsarbeit ab 18:30 Uhr und Samstagsarbeit ab 15:00 Uhr,
  • • 50 % Zuschlag für Nachtarbeit ab 20:00 Uhr,
  • • 120 % Zuschlag für Sonntagsarbeit,
  • • 150 % Zuschlag für Feiertagsarbeit.“

Die Unternehmer haben den MTV gekündigt. Alle diese Zuschläge stehen heute zur Disposition.

D. B.

 

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