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Innenpolitik

Rente mit 67: Zurück ins 19. Jahrhundert!

Von Thadeus Pato | 01.03.2007

Virginia Woolf lässt in ihrem Roman „Mrs. Dalloway” einen Oberhausabgeordneten im englischen Parlament den Vorschlag einbringen, den (arbeitslosen) Bevölkerungsüberschuss zur Auswanderung nach Kanada zu veranlassen. Deutschland hingegen könnte inzwischen ein paar KanadierInnen brauchen: Die Bevölkerung schrumpft und das wird von der Regierung jetzt als wohlfeiles Argument benutzt, das Rentenalter auf 67 Jahre anzuheben.

Virginia Woolf lässt in ihrem Roman „Mrs. Dalloway” einen Oberhausabgeordneten im englischen Parlament den Vorschlag einbringen, den (arbeitslosen) Bevölkerungsüberschuss zur Auswanderung nach Kanada zu veranlassen.

Deutschland hingegen könnte inzwischen ein paar KanadierInnen brauchen: Die Bevölkerung schrumpft und das wird von der Regierung jetzt als wohlfeiles Argument benutzt, das Rentenalter auf 67 Jahre anzuheben.
Das Totschlagargument heißt dabei „demographische Entwicklung“: Aufgrund des Geburtenrückgangs käme die Rentenversicherung in eine zunehmende Schieflage und deshalb müssten die Beschäftigten länger arbeiten, um die Renten finanzieren zu können – so Arbeitsminister Franz „Rosstäuscher“ Müntefering.

Wenn sie das wenigstens könnten. Offiziell betrug das durchschnittliche Renteneintrittsalter im Jahr 2004 bei den Männern 63,1 und bei den Frauen 63 Jahre. Auf den ersten Blick erscheint dabei erstaunlich, dass sich seit 2000 der Beginn des Rentenbezugs um ein Jahr verschoben hat – damals begann die Rente bei den Männern mit 62, bei den Frauen mit gut 61 Jahren. Aber das Renteneintritts­alter ist schon lange nicht mehr gleichbedeutend mit dem Ende des Berufslebens. Die „Lücke zwischen dem Ende des Berufslebens und der Rente“ wächst ständig, und sie heißt in der Regel schlicht Arbeitslosigkeit. Ausgerechnet die „SPD Arbeitsgemeinschaft 60 plus“ stellt empört fest: „In 60 Prozent der Betriebe in Deutschland werden keine Menschen über 50 Jahre beschäftigt. Das unfreiwillige Ausscheiden aus dem Berufsleben erfolgt in keinem Industrieland so früh wie in Deutschland. Kein Industrieland der westlichen Welt beschäftigt so wenig ältere Arbeitnehmer wie die Bundesrepublik Deutschland.“
Geschönte Statistik
Merkwürdigerweise zeigt die Arbeitslosenstatistik aber in den letzten Jahren ausgerechnet in der Altersgruppe zwischen 58 und 64 einen rückläufigen Trend, in der Gruppe zwischen 50 und 58 dagegen einen ansteigenden. Dieses Paradox lässt sich leicht auflösen. Die Hans Böckler-Stiftung formuliert es so: „Unter Einbeziehung des Leistungsbezugs nach § 428 SGB III nimmt seit 2003 die Zahl älterer Beschäftigungsloser deutlich zu, und zwar unabhängig von demographischen Effekten. Mehr als 70 Prozent aller Leistungsbezieher zwischen 58 und 64 Jahren beziehen im Jahr 2003 ihre Lohnersatzleistung ´unter erleichterten Voraussetzungen´. Somit spielt dieses arbeitsmarktpolitische Instrument, das Arbeitslosen ab 58 Jahren einen frühzeitigen, von der Arbeitslosenstatistik nicht erfassten Ausstieg aus dem Erwerbsleben ermöglicht, eine zunehmende Rolle beim Altersübergangsgeschehen.“

Oder, weniger elegant formuliert: Man streicht diejenigen, die sowieso keine Chance mehr auf einen Job haben, einfach aus der Statistik und bezahlt ihnen ein paar Euro Stütze.
Worum geht es?
Worum es nicht geht, ist, tatsächlich die Menschen bis 67 arbeiten zu lassen. Das zeigen die eben zitierten Zahlen deutlich: kein Unternehmer will sie haben. Man will ihnen schlicht den Rentenbezug um zwei Jahre kürzen. Dabei wird auch noch eine „Wahlmöglichkeit“ gelassen: Zwei Jahre später Rente oder sogenannte „Abschläge“, sprich Rentenkürzung.
Wir erinnern uns: Die 1889 in Deutschland eingeführten Altersrente bekamen die Beschäftigten zunächst ab dem 70. Lebensjahr. 1916 wurde dann das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre gesenkt. Frauen haben seit 1957 die Möglichkeit, bereits mit 60 Jahren ohne Abschläge in Rente zu gehen. Letzteres wurde per Gesetz 1992 und 1996 bereits wieder gekippt – und jetzt soll die Rente mit 67 kommen. Man darf gespannt sein, wann sich CDSPU zur endgültigen Modernisierung der Rentenversicherung entschließen: Rente mit 70 – so wie 1889.

 

Rentenbesteuerung
Ab 2005 wurde noch die Besteuerung der Renten auf 50% angehoben. Mit einer jährlicher Zunahme um 2% steigt sie weiter bis 2020 auf 80% und anschließend jährlich um 1% bis 2040 auf 100%. Hauptsächlich trifft dies zunächst RentnerInnen im mittleren und oberen Bereich. In 33 Jahren werden aber alle Renten einschließlich sonstiger Einkommen, die über der Freigrenze liegen voll versteuert.
Der steuerfreie Beitrag für die Altersvorsorge wurde ab 2005 auf 60% bis zur Höchstgrenze von 12 000 Euro angehoben. Er steigt jährlich um 2% bis 2025 auf 100% und 20 000 Euro Höchstgrenze. Für die Beschäftigten bedeutet es: Was zunächst weniger Steuer ist – die in die private Versicherung fließen soll – wird bei der Rente später abgezogen.
Korrespondent Mannheim

 

 

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