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Innenpolitik

Zum Vereinigungsprogramm WASG und L.PDS: Sozialliberale Hirten für die linke Herde!

Von Oskar Kuhn | 01.03.2007

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Unter diesem Titel kann die programmatische Vorstellung der Spitzen von WASG und Linkspartei.PDS plakativ zusammengefasst werden. Seit dem 10. Dezember 2006 liegen die programmatischen Eckpunkte als gemeinsamer Beschluss der Vorstände vor. Die Eckpunkte liefern das programmatische Fundament für die Mitte 2007 angestrebte Verschmelzung der beiden Parteien zur Linkspartei durch Beitritt der WASG zur L.PDS.

Unter diesem Titel kann die programmatische Vorstellung der Spitzen von WASG und Linkspartei.PDS plakativ zusammengefasst werden. Seit dem 10. Dezember 2006 liegen die programmatischen Eckpunkte1 als gemeinsamer Beschluss der Vorstände vor. Die Eckpunkte liefern das programmatische Fundament für die Mitte 2007 angestrebte Verschmelzung der beiden Parteien zur Linkspartei durch Beitritt der WASG zur L.PDS.

Die Fusion der beiden Organisationen bestimmt natürlich das Programm. „Die programmatischen Eckpunkte widerspiegeln das Maß an Gemeinsamkeit, das sich WASG und Linkspartei.PDS auf dem Wege zu einer neuen Partei erarbeitet haben. Diese Gemeinsamkeit ist ein ausreichend stabiles Fundament, um darauf eine neue Partei der Linken zu begründen. Wir werden unterschiedliche Traditionen, Erfahrungen und Kompetenzen jener Kräfte bewahren und erschließen, die gemeinsam unsere neue Partei bilden2.“
Der vorliegende Entwurf unterstreicht dieses Zitat durch einen unbestimmten, nicht verpflichtenden Charakter. Wir finden auf knapp zwölf Seiten fünf Kapitel inklusive einer Nachbemerkung:

  1. Gemeinsam für eine andere Politik
  2. Eine andere Welt ist nötig
  3. Unsere Alternative: Soziale, demokratische und friedensstiftende Reformen zur Überwindung des Kapitalismus
  4. Für einen Richtungswechsel
  5. Nachbemerkung

Es ist eine Schale ohne Kern. Die kontroversen, hochaktuellen Fragen wurden einfach in die Nachbemerkungen des Entwurfes verbannt.
Der Anspruch der Linkspartei wird folgendermaßen formuliert: „Gemeinsam wollen wir eine Partei, wie es sie in Deutschland noch nicht gab – Linke einigend, demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und antipatriarchal, offen und plural, streitbar und tolerant, antirassistisch und antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend. Wir sind Teil der europäischen Linken, der sozialen und Friedensbewegungen.“3
Orientierung aufs Parlament
Die Linkspartei hat jedoch ihr politisches Gesicht durch die bisherige Praxis bereits enthüllt. Wirtschaftspolitische Überlegungen aus den Handbüchern kapitalistischer Rentabilität und keynesianischem Krisenmanagement, parlamentarische Fixierung, Beteiligung an bürgerlichen Regierungen und in dieser Logik Umsetzung sozialpolitischer Repression der herrschenden Klasse gegenüber den Lohnabhängigen.

Zwei Organisationen mit gemeinsamen parlamentarischem Kern, einem etablierten Parteiapparat und einflussreicher Politprominenz geben sich ein programmatisches Gesicht. Wem Worte reichen, der wird hier bedient: Die AutorInnen haben sich zweifellos Mühe gegeben, linke Traditionen und Terminologien zu bedienen. Klassengesellschaft, Sozialismus und Marx-Zitate sind vorhanden. Aber die Mitglieder und Interessierten finden hier lediglich einen Wertekatalog und keine politische Handlungsanleitung vor. Das Programm ist ein Nebeneinander aus historischen Betrachtungen, soziologischen Beobachtungen, moralischen Kategorien und politischen Phrasen. Es dient in erster Linie dem Interessenausgleich vorhandener innerparteilicher Machtblöcke und der Illusion einer gleichberechtigten pluralen Sammlungsbewegung.
Der spannendste Teil des Entwurfes sind die Nachbemerkungen. Hier finden wir alle ungeklärten Punkte, deren klare Beantwortung unserer Ansicht für eine zeitgenössische linke, sozialistische und klassenkämpferische Organisation unabdingbar sind:

  • •    Die Aufhebung kapitalistischer Eigentumsverhältnisse,
  • •    demokratische und soziale Gestaltung der „Globalisierung“,
  • •    bedarfsorientierte soziale Grundsicherung oder bedingungsloses individuelles Grundeinkommen,
  • •    internationale Militäreinsätze im Auftrag und unter Kontrolle der UN
  • •    Welche Bedeutung hat der Bezug auf Klasseninteressen und -kämpfe für die Politik der Linkspartei?
  • •    Wie ist das Verhältnis zwischen außenparlamentarischer und parlamentarischer Arbeit zu gestalten?
  • •    Unter welchen Bedingungen kann sich eine linke Partei an einer Regierung auf Landes- bzw. Bundesebene beteiligen?

All diese Fragen sind trotz realer Erfahrungen ungeklärt und der Entwurf weicht einer notwendigen Positionierung aus.
Unsere Anforderung und Erwartung an ein Programm bzw. Programmentwurf sind dagegen klar: Anleitung zum Handeln! Es geht weniger darum, allgemeine theoretische Auffassungen zu formulieren. Vielmehr ist das Programm dazu da, die Bilanz der weltwirtschaftlichen und politischen Erfahrungen der letzten Periode zu ziehen und darauf aufbauend Strategie und Taktik auszurichten. Dabei sind folgende Tatsachen unbedingt zu beachten:

  1. Eine Partei, die wie die Linkspartei nicht systematisch die Lage der Weltwirtschaft und Politik zum Ausgangspunkt ihrer Bilanz macht, ist nach fester Überzeugung der revolutionären Marxistinnen und Marxisten von Anfang an in die nationalbornierte Sackgasse geraten. Der Widerspruch zwischen dem Wachstum der Produktivkräfte der Weltwirtschaft und den ihre Entwicklung hemmenden nationalen Schranken ist und bleibt einer der zentralen Probleme unserer Zeit.
  2. Der Internationalismus der Linkspartei erschöpft sich in dieser Logik in verbalen Bekundungen und der ausdrücklichen Definition als Teil der (parlamentarischen) europäischen Linken. Europäischer Supranationalismus als Antwort auf Punkt 1 ist keine Lösung!
  3. Wirtschaft und Politik sind gesellschaftliche Verhältnisse und somit Kategorien des Klassenkampfes. Wer, wie die Linkspartei real und im Entwurf, Wirtschaft und Politik als Sachfragen behandelt, geht niemals über die Schranken der bürgerlichen Gesellschaft hinaus und degradiert die Menschen zum Spielball scheinbar unpersönlicher Kräfte.
  4. Insbesondere der Staat wird zum Adressaten und Akteur politischer Veränderung. Die Selbsttätigkeit der ArbeiterInnenklasse als zentrale Vorraussetzung sozialistischer Bewegung und Entwicklung findet bei der Linkspartei nicht statt. Der Mensch ist halt schlecht und muss vor sich selbst geschützt werden. Den Charme dieser pseudopsychologischen Banalität als notwendiger Mechanik im bürgerlichen Klassenbetrug verströmt auch der Entwurf.

Revolutionäre Sozialistinnen
und Sozialisten sollten den Programmentwurf und die kommende Programmdiskussion der Linkspartei trotzdem dazu nutzen, klassenkämpferische Fragmente aufzugreifen und in konkrete Vorschläge für die örtliche und überörtliche Bündnisarbeit einzubringen. Außerdem haben wir mit unserem eigenen programmatischen Überlegungen und speziell der Methode der Übergangsforderungen geeignete Instrumentarien zur Intervention in die Programmdiskussion.

1    Der genaue Titel lautet: „Programmatischen Eckpunkte – Entwurf des programmatischen Gründungsdokuments der Partei DIE LINKE“. Im folgenden Entwurf genannt.
2     Entwurf, Seite 1.
3     Ebenda

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