TEILEN
Innenpolitik

Vereinigung WASG – L.PDS: Regierungsbeteiligung als Parteiprogramm

Von B.B. | 01.04.2007

{mosimage} 

In Dortmund fanden am 24./25. März die Parteitage der L.PDS und der WASG statt, die die Verschmelzung zur neuen Partei Die Linke absegnen sollten. Mit der Annahme der „programmatischen Eckpunkte” wird die Regierungsbeteiligung offiziell zum Programm der neuen Partei erhoben. Die neue Partei „Die“ Linke gibt sich einen Namen, nach dem es eigentlich außerhalb ihrer Reihen keine anderen Linken mehr geben dürfte. Sicherlich wird innerhalb der Gesamtlinken die Vereinigung von L.PDS und WASG überwiegend positiv gesehen, kann damit doch die eigene Zersplitterung teilweise überwunden werden.

In Dortmund fanden am 24./25. März die Parteitage der L.PDS und der WASG statt, die die Verschmelzung zur neuen Partei Die Linke absegnen sollten. Mit der Annahme der „programmatischen Eckpunkte” wird die Regierungsbeteiligung offiziell zum Programm der neuen Partei erhoben.

Die neue Partei „Die“ Linke gibt sich einen Namen, nach dem es eigentlich außerhalb ihrer Reihen keine anderen Linken mehr geben dürfte. Sicherlich wird innerhalb der Gesamtlinken die Vereinigung von L.PDS und WASG überwiegend positiv gesehen, kann damit doch die eigene Zersplitterung teilweise überwunden werden. Diese Botschaft wird auch bei einer Schicht politisierter Lohnabhängiger ankommen, war die „Einheit“ (der Aktion, nicht der Partei!) zur Durchsetzung der eigenen Forderungen schon immer positiv besetzt. Gysi-Lafontaine schüren die Vereinigungsstimmung.
Keine Einheit der Linken
Die Verkündung einer „neuen Linken“ soll möglichst viele heimatlose Linke an die neue Partei binden. Doch allein schon der Weggang des Netzwerks Linke Opposition (NLO) zeigt, dass Die Linke nicht „die Linke“ ist. Der Vereinigungs- und Alleinvertretungsanspruch scheiterte bereits im Ansatz. Ausgehend von der Unterteilung der Gesamtlinken in ein reformistisches (L.PDS, WASG und DKP), maostalinistisches (MLPD), trotzkistisches (SAV, Linksruck, RSB und isl), sozialistisches (NLO) und autonomes Lager, repräsentiert Die Linke nicht einmal das ganze Lager des Reformismus. Die versteinerte DKP bleibt größtenteils außerhalb, auch wenn eine beweglichere Minderheit zur neuen Partei übergeht. MLPD und Autonome schließen sich nicht der neuen Partei an. Von der WASG entfernt hat sich das NLO. Aber immerhin 80 Prozent des trotzkistischen Spektrums ist Teil der Vereinigung. Der Reformismus bündelt seine Kräfte; dem Trotzkismus droht in der neuen Partei die Zersetzung.
Aber eine Einheitspartei?
Eine einzige Partei kann nie politischer Ausdruck der ganzen ArbeiterInnenklasse sein, die doch (wie uns die Theoretiker der L.PDS bzw. WASG nicht aufhören zu belehren) im neuen Jahrtausend sogar so vielfältig und heterogen sei, dass nicht länger von einer Klasse gesprochen werden könne.

Immerhin organisierte die SPD um 1891 und vor 1914 neben einer immer stärker werdenden reformistischen Strömung auch eine bedeutende revolutionär-marxistische Tendenz. Die vereinigte KPD um 1920 umfasste rechtskommunistische bis ultralinke Strömungen. Selbst die nach 1945 gegründeten lokalen „Arbeiterparteien“ organisierten u.a. auch revolutionär gesinnte ArbeiterInnen. Die Gründung von sozialistischen Einheitsparteien war nicht bloß eine schlechte Karikatur davon, sondern seit Mitte der 30er Jahre strategischer Bestandteil der Volksfrontpolitik. Die stalinistische SED begünstigte nicht etwa nur wie die bebelsche Sozialdemokratie die langsame Zersetzung der revolutionären Strömungen. Sie gründete auf der Auslöschung der revolutionären Tendenz innerhalb der Arbeiter­Innenbewegung überhaupt.

Im Unterschied zur SED beruht die Verschmelzung von L.PDS und WASG nicht auf stalinistischer Kontrolle. Bürokratisch gelenkt und kontrolliert war sie jedoch von Anfang an. Wie bei der SED existiert keine revolutionäre Tendenz innerhalb der neuen Partei. Was mit halbwegs revolutionärem Anspruch in Die Linke eintrat und dort verbleibt, hat sich selbst politisch entmündigt. Die Strömung der Antikapitalistischen Linken (AKL), die sich jetzt in die „weiteren Auseinandersetzungen um die strategische Ausrichtung der neuen Partei einbringen“ will, ist nur ein schlechter Abklatsch alter reformistischer Traditionen (s. Kasten). Sie ist nicht einmal in der Lage, in die Parteitagsdiskussionen einen eigenen sozialistischen Programmentwurf einzubringen.
Die Mitgliederentwicklung
Die Mitgliederentwicklung der Linkspartei spricht nicht gerade für einen neuen linken Aufbruch. 1995 kam die PDS auf 114 940 Mitglieder. Zehn Jahre später hatte sich die Gesamtmitgliedschaft auf 61 270 Mitglieder halbiert. Zusammen mit den 11 535 Mitgliedern der WASG – wenn alle eintreten würden –  käme die neue Partei Die Linke auf insgesamt 72 805 Mitglieder. Das würde dem Stand der PDS von 2002 entsprechen.

Besonders dramatisch war und ist die Lage der PDS in Ostdeutschland. Dort sank sie von 112 953 Mitgliedern im Jahr 1995 auf 55 146 im Jahr 2005. Nur in Brandenburg verlor die PDS weniger als die Hälfte der Mitgliedschaft. In Westdeutschland stieg dagegen die Zahl der PDS-Mitglieder im gleichen Zeitraum von 1905 auf  5 956 an. Weitere Verluste durch Austritte und Tod hätten die PDS nicht etwa zur Existenz als zukünftige ostdeutsche Regionalpartei verdammt, sondern aus ihr eine bundesweite Partei auf niedrigem Niveau gemacht.

In Ostdeutschland kommen zu den 55 146 L.PDS-Mitgliedern nur 1 642 von der WASG hinzu. In Westdeutschland vereinigen sich die 5 956 der L.PDS mit den 9 893 der WASG, was rechnerisch zusammen 15 849 ergeben würde. Das kann weder die krassen Verluste der L.PDS umkehren, noch belegt es eine neue Dynamik. Dabei ist noch zu beachten, dass die komplette Infrastruktur im Westen von der „kleinen“ L.PDS und nicht von der „großen“ WASG in die Ehe eingebracht wird. Sicherlich muss erst einmal der Vereinigungseffekt für Die Linke abgewartet werden. Wenn aber selbst die DKP in ihrer Hochzeit 40 000 Mitglieder in Westdeutschland zählte, dann lässt sich allein aus den Mitgliedszahlen kein neuer Aufbruch für Die Linke ablesen.
Mögliche Wahlerfolge
Erfolgreich könnte Die Linke bei Wahlen abschneiden. Doch wird sie durch die Vereinigung der L.PDS mit der WASG ihre Ergebnisse in Ostdeutschland als dort relativ erfolgreiche Wahlpartei nur wenig steigern können. Im Westen geben die Wahltermine die Chancen vor. Ein spektakuläres Wahlergebnis ist sicherlich bei der nächsten Landtagswahl im Saarland zu erwarten. Erreicht dort Die Linke mit Oskar Lafontaine ein ähnlich gutes Resultat wie mit den 18,5 % der Stimmen bei der Bundestagswahl 2005, könnte das Auswirkungen auf weitere Wahlen in Westdeutschland haben. Aber die saarländische Landtagswahl – und die dort mögliche Diskussion über eine Regierungsbeteiligung (!) – steht erst 2009 ins Haus. Bis dahin muss Die Linke in Westdeutschland kleinere Bröt
chen backen.
Ob die ersten großen Wahlerfolge für Die Linke die Schwierigkeiten für den Aufbau einer Außerparlamentarischen Opposition erhöhen, hängt von der Schnelligkeit ab, mit der sich die neoliberale Politik der neuen Partei in Stadt und Land diskreditiert.
Regierungsbeteiliger an der Macht
Die „programmatischen Eckpunkte“ der vereinigten Partei enthalten zwar ein paar sozialistische und klassenkämpferische Formeln. Aber nicht der Kapitalismus wird bekämpft, sondern seine neoliberalen Auswüchse.  Als Weg wird eine klassenunspezifische „Demokratisierung“ empfohlen, die sich bei näherem Hinsehen als die bekannte parlamentarische Sackgasse der Reformierung des bürgerlichen Staatsapparates erweist. Die angestrebte „Überwindung des Kapitalismus“ entpuppt sich als dessen sozialdemokratische Gestaltung „mit menschlichem Antlitz“.

Es hätte eine spannende Debatte werden können, ob sich bei der Vereinigung die Programmatik der L.PDS oder die der WASG durchsetzt, ob sich Die Linke sozialistisch-reformistisch oder bloß anti-neoliberal positioniert. Eine wirkliche Diskussion findet aber nicht nur deshalb nicht statt, weil sowieso immer dieselben alten Stamokap-Theoretiker Joachim Bischoff, Michael Brie und Axel Troost alle Programmentwürfe schreiben und sich die AKL auf ein paar Änderungsanträge beschränkt.
Die Kontroverse „sozialistischer Reformismus“ vs. „Anti-Neoliberalismus“ wird spätestens dann uninteressant, wenn zukünftige Regierungsbeteiligungen zum Programm erhoben und in die „Eckpunkte“ hineingeschrieben werden. Dann hat nämlich die Fraktion der neoliberalen Berliner Mitregierer – mit Hilfe des Apparates von Gysi-Bisky und Lafontaine-Ernst – die Partei Die Linke auch offiziell übernommen. Mit der programmatischen Festschreibung von „alternativen“ Regierungsbeteiligungen verkommt die Theorie zur Rechtfertigung der eigenen Praxis im Berliner Senat. Damit erweist sich der kapitalistische Neoliberalismus in Stadt- und Landesparlamenten als stärker als der theoretische Anti-Neoliberalismus oder als die Utopie der Überwindung des Kapitalismus auf dem Weg von Reformen. Das ist die klassische Dynamik des Reformismus, seit 1898 mit Millerand zum ersten Mal ein Sozialist in eine bürgerliche Regierung eintrat.
Revolution und Reform
RevolutionärInnen sind nicht gegen Reformen. Diese sind aber nichts anderes als Nebenprodukte des Klassenkampfes. Selbst das Verhindern neoliberaler Konterreformen ist nicht über die Parlamente sondern nur durch den Klassenkampf möglich, wie die Mobilisierung von zweimal 3 Millionen Menschen gegen das CPE-Gesetz für BerufseinsteigerInnen in Frankreich zeigte. Die Linke, die so vehement auf Reformen setzt, wird diese über Mitbestimmung, Parlamentarismus, Wahlwahn und bürgerliche Regierungsbeteiligungen, d.h. über eine Politik der Klassenzusammenarbeit, nicht erreichen können. Wenn sie scheitert, dann scheitert Die Linke nicht an der Revolution, sondern an der Reform, an ihren eigenen Ansprüchen und auf ihrem ureigensten Gebiet.

 

Änderungsantrag der Antikapitalistischen Linken
Die Antikapitalistische Linke hat mehrere Änderungsanträge zu den Parteitagen eingereicht. Hier der Antrag „zur Verankerung von Mindestbedingungen für Regierungsbeteiligung“. Die kursive Formulierung stammte ursprünglich von Klaus Ernst, Katja Kipping, Lothar Bisky, Felicitas Weck, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine.
Änderungsvorschlag
Regierungsbeteiligung: Sie ist für DIE LINKE ein Mittel politischen Handelns und gesellschaftlicher Gestaltung, wenn dafür die notwendigen Bedingungen gegeben sind und wenn DIE LINKE sich mit alternativen linken Projekten öffentlich erkennbar profiliert. Maßstäbe für Regierungsbeteiligungen sind die Verbesserung der Lage von Benachteiligten und die Verstärkung politischer Mitbestimmung, die Durchsetzung alternativer Projekte und Reformvorhaben. Sie muss die Veränderung der Kräfteverhältnisse nach links und die Einleitung eines Politikwechsels fördern. Sie wird aber „nur unter Beachtung ihrer Grundsätze Koalitionen mit anderen Parteien eingehen. Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen nicht privatisiert werden. Der Personalabbau in Bund, Ländern und Gemeinden muss generell gestoppt und ebenso die Kürzung sozialer Leistungen verhindert werden. […]

 

 

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite