TEILEN
Innenpolitik

Warum Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm?

Von Artur, Duisburg | 01.05.2007

Fast einhelliger Konsens in kapitalismuskritischen und marxistischen Gruppen und Organisationen ist, dass gegen den G8 Gipfel in Heiligendamm zu protestieren sei. Die Frage des „Warum“, des Zieles und des Ergebnisses dieser Proteste wird bei fast allen Aktivitäten meist nur am Rande diskutiert.

Fast einhelliger Konsens in kapitalismuskritischen und marxistischen Gruppen und Organisationen ist, dass gegen den G8 Gipfel in Heiligendamm zu protestieren sei. Die Frage des „Warum“, des Zieles und des Ergebnisses dieser Proteste wird bei fast allen Aktivitäten meist nur am Rande diskutiert.

Wenn manche hoffen, durch massiven Protest den Gipfel zu sprengen und unmöglich zu machen, gehört dies wohl eher in den Bereich der Träume. Wer glaubt, den durch sozialen Kahlschlag, Rentenklau und Steuererhöhungen (natürlich nicht für das Kapital) finanzierten Millionen teuren Zaun in Heiligendamm zu überwinden, überschätzt seine Möglichkeiten (noch). Die Gesamtkosten werden auf 100 Millionen € veranschlagt; man gönnt sich ja sonst nichts. Der „informelle Austausch“ findet nicht in einer allseits zugänglichen Jugendherberge statt, sondern in einer hoch gesicherten Nobelhotelanlage. Der Grad der Sicherungsmaßnahmen verhält sich zu Stammheim oder Fort Knox wie diese zu einer Sparkassenfiliale in einem deutschen Provinzdorf. Aber Polizei und BGS werden schon für einen „störungsfreien“ Ablauf dieser Veranstaltung sorgen. Selbstredend bewegen sich die Ordnungshüter auf gesetzmäßig abgesichertem Terrain. Dafür haben SPD und PDS durch das „Sicherheits- und Ordnungsgesetz“ (SOG) in Mecklenburg u. a. mit Hinweis auf die G8-Veranstaltung gesorgt (s. Avanti Nr. 142, "Die Leichen im Keller der Linkspartei (Teil 2)").
Angst wovor?
Einziger Sinn und Zweck dieses jeder demokratischen Legitimation entbehrenden Treffens besteht darin, dem Rest der Welt die Zähne zu zeigen. Ach ja, „Schwellenländer“ wie Mexiko dürfen generös am Katzentisch Platz nehmen, wenn sie sich dann als willfährig erwiesen haben. Die feudalen Fürsten könnten großzügig ein paar Brosamen unter den Tisch fallen lassen.
Wie groß muss die Angst dieser Gruppe von Vasallen des Kapitals, der WTO und des IWF eigentlich sein? Sie glaubt sich hinter „Sicherheitsmaßnahmen“ verstecken zu müssen. Angst wovor? Angst vor der Wahrheit, die sie tausendfach verbogen haben? Angst vor Diskussion? Angst zur Verantwortung gezogen zu werden wegen der tätigen Beihilfe und Mitwisserschaft an Krieg, millionenfachen Hungertod, Zerstörung der Welt durch Umweltverpestung, Folter und Mord, Vergiftung der Lebensmittel durch rücksichtslosen Einsatz von Gentechnologie, Pestiziden und pharmazeutischer „Nutztier“haltung, den Raub der Lebensgrundlage künftiger Generationen? Angst ja, aber ein schlechtes Gewissen? Ach was!
Klassische Protestformen
Natürlich weiß jeder halbwegs erfahrene politisch denkende und erfahrene Mensch, dass die klassischen Protestformen kein Umdenken bei PolitikerInnen des Schlages Merkel, Müntefering, Bush, Blair, Chirac usw. bewirken. Maximal zeigen diese Vasallen „Verständnis“, verweisen aber zügig auf „Sachzwänge“ (welche eigentlich?), „gefährdete Arbeitsplätze“ (alle in Lohn und Brot? Unsinn!) „Globalisierung ist nicht aufzuhalten“ (doch!). Diese und andere sinnfreien Worthülsen sprudeln nur so heraus wie das morgendliche Zähne putzen. Dass damit die Profitinteressen des Kapitals mit seinen Kriegs treibenden, Welt zerstörenden und Menschen vernichtenden Folgen nicht im geringsten berührt werden, versteht sich.

Trotzdem: Es gilt Flagge zu zeigen, zu zeigen: Mit mir nicht! Selbstverständlich gehört dazu Mut. Aber nur wenn wir selbst Mut zeigen, können wir andere, die ähnlich denken, aus der Lethargie führen und ermutigen, sich zu äußern, wie auch immer. 50 oder 100 Schlauköpfe sind nicht in der Lage, eine Umwälzung zu einer menschenwürdigen, sozialistischen Demokratie herbei zu führen. Voraussetzung ist immer ein fest verankertes politisches (Klassen)bewusstsein bei der überwiegenden Mehrheit in der Bevölkerung. Alles andere birgt die Gefahr des Staatsterrorismus in sich.
„Objektive“ Berichterstattung
Keiner sollte sich der Illusion hingeben, die Medienkonzerne würden eine auch nur halbwegs objektive Berichterstattung über Heiligendamm und die Proteste erfolgen lassen. Schließlich ist Sinn und Zweck der bürgerlichen Medien nicht die objektive Information, sondern die Kapitalrendite. Zur Kostensenkung werden die Medien mit vorgefertigten Texten, Bildern und Bildbeiträgen gefüttert, die, wie üblich, ohne Angabe der Quelle gedruckt, gesendet oder ins Netz gestellt werden. Wetten, dass schon heute fertige oder halbfertige Beiträge von PR-Agenturen zu „aktuellen Nachrichten“ vom Gipfel in Heiligendamm vorliegen?

Dass heute mehr als vierzig Prozent aller im Netz, im TV und in den Printmedien verbreiteten Beiträge von bestellten und bezahlten PR-Agenturen stammen, bestreiten weder Verleger- noch Journalistenverbände. Ergänzt durch die Hofberichterstattung devoter „JournalistInnen“ wissen wir, was auf uns zukommt. Wer glaubt, dass die Informationen über Heiligendamm und den Gegenveranstaltungen auch nur halbwegs objektiv, fair oder gar wohlwollend sein könnten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Gegenöffentlichkeit
Dagegen gilt es eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen: Neben Flugblättern, eigenen Zeitungen sind Informationsveranstaltungen ein probates Mittel. Sie verfolgen mehrere Ziele: Zusammenführen unterschiedlicher Gruppen, Information der BesucherInnen, Verbesserung der Kommunikation und Mobilisierung. Mit anderen kann die ohnehin begrenzte Kraft gebündelt werden. Ein Beispiel ist hier die Veranstaltung in Essen am 19./20. Mai (www.g8-buendnis-rheinruhr.de). Hier arbeiten verschiedene Gruppen wie ATTAC, Sozialforen, ImmigrantInnengruppen, Antifa, NLO, RSB, DKP u.a. zusammen. Der gemeinsame Protest gegen den G8-Gipfel ist ein weiterer Baustein zur Schaffung einer außerparlamentarischen Opposition. Diese Bündnisarbeit baut auf der Mitarbeit in BI, Betrieb & Gewerkschaften, Sozialforen usw. Der tägliche Widerstand ist und bleibt das wichtigste Element unserer politischen Arbeit.

Artikel teilen
Kommentare auf Facebook
Ähnliche Artikel
Zur Startseite