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Innenpolitik

Gegen die Demontage von Grundrechten: Den Widerstand verbreitern!

Von D. Berger | 01.10.2007

Schäubles und Jungs Schießübungen bilden die aktuelle Speerspitze beim Abbau von BürgerInnenrechten und demokratischen Freiheiten. Bei der SPD ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie umkippt und dem angeblichen Sicherheitsbestreben weitere BürgerInnenrechte opfert. Schäubles und Jungs Forderungen und freche Ankündigungen sind mehr als nur ein medienwirksames Spektakel, um sich als die besseren ”Sicherheits”politiker zu profilieren und die SPD politisch in die Defensive zu drängen.

Schäubles und Jungs Schießübungen bilden die aktuelle Speerspitze beim Abbau von BürgerInnenrechten und demokratischen Freiheiten. Bei der SPD ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie umkippt und dem angeblichen Sicherheitsbestreben weitere BürgerInnenrechte opfert.

Schäubles und Jungs Forderungen und freche Ankündigungen sind mehr als nur ein medienwirksames Spektakel, um sich als die besseren ”Sicherheits”politiker zu profilieren und die SPD politisch in die Defensive zu drängen. Sie wollen diese Republik nachhaltig verändern, indem sie Grundrechte in Frage stellen, die Trennung von Militär und Polizei weiter durchlöchern, die informationelle Selbstbestimmung aushöhlen usw. Letztlich zielen sie damit auf eine Durchleuchtung der gesamten Bevölkerung und eine vorbeugende Ausschaltung nennenswerter Protest- und Widerstandspotenziale, die sich beim weiteren Sozialabbau und der massiven Verarmung breiter Bevölkerungsschichten regen könnten. Dazu dienen:
Vorratdatenspeicherung
Trotz eindeutiger Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil zur Volkszählung 1987) scheren sich die Herrschenden einen Dreck um die informationelle Selbstbestimmung. Sie zielen mit dem Kabinettsbeschluss vom 18.4.2007 auf eine Verpflichtung aller Anbieter von Kommunikationsdiensten (Internet- und Mailprovider, Telefongesellschaften usw.), alle Daten, vollkommen unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten, mindestens sechs Monate zu speichern (wer hat wann mit wem telefoniert, welche Internetseite besucht usw.). Die Löschung ist von niemandem zu überprüfen und Daten, die einmal erfasst wurden, werden mühelos mit anderen Daten verknüpft. Persönlichkeitsprofile und Beziehungsgeflechte lassen sich mit Hilfe der heute vorhandenen technischen Mittel für ganze Bevölkerungsschichten erstellen.
Online-Durchsuchungen
Auch die Online-Durchsuchungen sollen letztlich genau diesem Zweck dienen. Wenn der Staat auf den Rechnern der ihn interessierenden Personen Spionagesoftware (Trojaner) installiert, dann ist nicht nur das Briefgeheimnis endgültig abgeschafft. Allein die Einschüchterung soll schon viele Menschen davon abhalten, überhaupt politisch im Netz zu kommunizieren oder sich Informationen zu beschaffen. Solche verdeckten Online-Durchsuchungen wurden übrigens bereits seit 2005 auf Anordnung von Otto Schily durchgeführt, wie am 25.4.07 bekannt wurde.
Anti-Terror-Datei
Mit der Anti-Terror-Datei werden schließlich seit dem 31.10.06 („Gemeinsame Dateien-Gesetz“) Daten aus über 100 Datenbanken verschiedener staatlicher Stellen zusammengeführt. Wer einmal in diese Datei reingerutscht ist, wird so schnell nicht mehr rauskommen und was im Zweifelsfall mit einer solchen Person alles angestellt wird (auch ohne Gerichtsurteil) beschreibt Sönke Hlibrans  („Tag und Nacht überwacht“) im Grundrechte-Report 2007. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 4. April 2006 der Rasterfahndung ein paar Grenzen gesetzt, doch real kümmert das die Behörden kaum.
Noch kein Polizeistaat…
Im Unterschied zu manchen oberflächlichen oder impressionistischen „Analysen“ sollten wir klar festhalten: Wir leben nicht in einem Polizeistaat, noch jedenfalls nicht. Es gibt noch eine demokratische Öffentlichkeit und wir können uns noch organisieren, offen politisch auftreten, und offen den Widerstand organisieren. Genau das gilt es offensiv zu nutzen, also in der Breite zu entwickeln und Menschen für die Verteidigung von BürgerInnenrechten und demokratischen Freiheiten, so beschränkt sie in der bürgerlichen Gesellschaft naturgemäß auch sind, zu gewinnen.
… aber eine neue Qualität
Aber es gilt auch festzuhalten, dass mit den Vorstößen von Schäuble und Jung eine neue Qualität der Repressionsmechanismen und der vorbeugenden „Aufstandsbekämpfung“ angestrebt wird. Jung will trotz deutlicher Kritik durch bürgerliche PolitikerInnen nicht nur an seinem Vorhaben festhalten. Er ist sogar schon dabei, sich genau zu erkundigen, wer für das grundgesetzwidrige Abschießen von Flugzeugen in Frage kommt. Denn schon zur Fußball-WM hatte er sich überlegt, wie er unsichere Piloten raus hält und hatte festgelegt, „dass nur diejenigen Piloten fliegen sollten, die auch vor dem Hintergrund dieser schwierigen rechtlichen Frage dazu bereit wären, diesen Befehl auszuführen“ (Jung gegenüber dem Focus). Und weiter: „Ich will niemanden gegen sein Gewissen zwingen, aber ich muss mich im Ernstfall auch auf die Piloten verlassen können. Ich kann in einer solchen Situation nicht lange diskutieren.“

Mit Jungs Vorstoß wird deutlich, wohin die Reise gehen soll: Erstens wurden auch ohne gesetzliche Regelung schon längst die notwendigen Vorbereitungen getroffen (und nicht nur bei der Online-Durchsuchung wurde auch schon längst entsprechend gehandelt). Dies scheint zur Regel zu werden und zeigt wie stark sich die Exekutive fühlt, wie wenig sie auf das Parlament oder die Justiz (in dem Fall sogar das Bundesverfassungsgericht) Rücksicht zu nehmen braucht.
Zweitens wird hiermit die Tendenz zu Schaffung einer reinen Berufsarmee gestärkt, eine Entwicklung, die wir im Gegensatz zu den Grünen und verschiedener pazifistischer Kreise grundsätzlich ablehnen. Eine reine Berufsarmee wird über kurz oder lang nur aus solchen Soldaten bestehen, die ausschließlich auf Befehle hören, nie aber auf ihr Gewissen oder auf den Spruch eines Gerichts.

Drittens wird damit deutlich, dass alle angestrebten Maßnahmen mit dem Verweis auf die Terrorgefahr gerechtfertigt werden können. Der Verweis auf „terroristische Aktivitäten“ ist ein wahres Sesam-öffne-dich für alle angestrebten Einschränkungen von Bürger­Innenrechten und Verschärfungen von Repressionsmaßnahmen, ganz gleich, wofür sie in Wirklichkeit dienen. Alle bürgerlichen PolitikerInnen stützen den „Krieg gegen den Terror“ und somit auch die daraus abgeleiteten Maßnahmen.
Wie verlogen diese ganze Argumentation ist, zeigt sich schon allein daran, dass ein terroristischer Anschlag als eine „Bedrohung der bestehenden Gesellschaftsordnung“ deklariert wird. Und in Ergänzung dazu wird immer häufiger organisierter politischer Widerstand mit der Verfolgung nach § 129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) bedroht. Von daher ist es richtig, hier breit in die Offensive zu gehen und die Abschaffung dieses Gummiparagraphen zu fordern sowie die
Freilassung aller linken AktivistInnen, die auf dieser Grundlage eingebuchtet wurden.

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