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Betrieb & Gewerkschaft

Solidarität und Unterstützung für die LokführerInnen!

Von D. Berger | 01.11.2007

Streik der LokführerInnen vom 12. Oktober war zweifellos ein Teilerfolg. Der Bahnvorstand musste ein neues Angebot vorlegen, spielt aber weiter auf Zeit und geht taktisch geschickter vor als der GDL-Vorstand. Dem Bahnvorstand helfen dabei die Gerichte und der Transnet-Vorstand. Am 12. Oktober fiel mindestens die Hälfte der Züge im Nahverkehr aus, obwohl die Bahn viele Nicht-GDL-Mitglieder zwangsverpflichtete und als Streikbrecher einsetzte.

Der Streik der LokführerInnen vom 12. Oktober war zweifellos ein Teilerfolg. Der Bahnvorstand musste ein neues Angebot vorlegen, spielt aber weiter auf Zeit und geht taktisch geschickter vor als der GDL-Vorstand. Dem Bahnvorstand helfen dabei die Gerichte und der Transnet-Vorstand.

Am 12. Oktober fiel mindestens die Hälfte der Züge im Nahverkehr aus, obwohl die Bahn viele Nicht-GDL-Mitglieder zwangsverpflichtete und als Streikbrecher einsetzte. Trotz der breit angelegten Medienkampagne gegen den Streik und über die Betroffenheit der PendlerInnen, waren die Reaktionen der betroffenen Fahrgäste im Allgemeinen recht gelassen und verständnisvoll. Aber es fehlen der GDL die Bündnispartner im gewerkschaftlichen Bereich.
Klassenjustiz
Am schlimmsten, – und das gilt für alle Arbeitskämpfe der Zukunft –, wirkt sich die bürgerliche Justiz aus, die den wirtschaftlichen Schaden als Kriterium für die Unzulässigkeit eines Streiks heranzieht. Der Chemnitzer Gerichtsbeschluss hatte eine doppelte Funktion: Er schränkte die unmittelbare Streikfähigkeit ein und erlaubte bezeichnenderweise nur die Aktionen, von denen breitere Bevölkerungsschichten betroffen waren, nicht aber beim Gütertransport, der die Industrieunternehmen der Just-in-time-Produktion betroffen hätte. Zum Zweiten ist damit eine weitere juristische Bresche in das allgemeine Streikrecht geschlagen worden, das in keinem Fall hingenommen werden darf. Die Justiz erweist sich als Klassenjustiz.
Die Reaktionen der DGB-Spitze und des Verdi-Vorstandes waren reines Alibi. Seit Jahren werden wir von den Gewerkschaftsspitzen auf den ihrer Ansicht nach einzigen Fall verwiesen, nach dem es in der BRD ein politisches Streikrecht gäbe, wenn nämlich der Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefährdet sei. Wenn nicht hier, wann dann hätte ein Aufruf zum politischen Streik erfolgen müssen?
2 Gründe für den GDL-Streik
Erstens: Das Einkommen der LokführerInnen ist real unter Einbeziehung der verlängerten Arbeitszeiten 2005 um 7,22 % und 2006 um 9,77 % gefallen. Nicht zuletzt deswegen schneiden die Lokführer in Deutschland im internationalen Vergleich extrem schlecht ab. (s. Kasten). Hierbei ist zu beachten, dass das Fahrpersonal (und nur dieses) heute – gerade aufgrund der schlechten Tarifpolitik der Transnet mit der sich die GDL bis 2002 in einer Tarifgemeinschaft befand – 41 Stunden in der Woche arbeitet. Wenn die GDL heute die Rückkehr zur 40 Stundenwoche und einen Einstiegslohn von 2.500 € im Monat fordert, dann ist das alles andere als unverschämt. Im Gegenteil bedeutet es: Für diesen sehr anspruchsvollen Job, der viel Verantwortung abverlangt, schlechte Arbeitszeiten aufweist, keine Kommunikation mit KollegInnen ermöglicht usw. wollen die KollegInnen eine Anhebung ihres Stundenlohns von 11,50 € beim Einstiegsgehalt (bzw. 12,50 € nach 4 Jahren) auf 15 €. Ist das etwa unverschämt? Was ist daran bitte „auf Kosten der anderen“? Dass damit den anderen KollegInnen bei der Bahn etwas abgezogen wird, kann mensch nur vom Standpunkt des ehernen Lohngesetzes aus vertreten oder mit der Argumentation des Bahnvorstands von der notwendigen Kostenneutralität.

Zweitens: Die Lokführer wollen andere Ruhezeiten, also z. B. 13 x im Jahr ein freies Wochenende ab Freitag 22.00 Uhr und nicht erst (wie zurzeit) ab Samstag 14.00 Uhr. Sie wollen eine Verkürzung der ununterbrochenen Fahrtzeit von fünfeinhalb auf viereinhalb Stunden. Sie wollen eine maximale Schichtlänge von 12 Stunden und nicht wie zurzeit von 14 Stunden. Unverschämt? Auf Kosten der anderen KollegInnen?. Wenn der Personalbestand der Bahn seit 1990 von damals 462 239 um mehr als 50 % abgebaut wurde (trotz des Zukaufs von Stinnes mit ca. 40 000 KollegInnen und von Bax Global mit ca. 13 000 Beschäftigten), dann u. a. auch deswegen, weil in der Tarifgemeinschaft die Arbeitszeit hochgesetzt wurde, am meisten für das Fahrpersonal. Aber den Herrn „Kollegen“ Hansen vom Transnet-Vorstand interessieren eben die Konkurrenzfähigkeit und die Börsenfähigkeit der Bahn, die er auf Kosten der KollegInnen durchsetzen will.
GDL nicht gegen Börsengang?
Auch das Argument, die GDL sei nicht gegen den Börsengang, zieht nicht. Alle drei Bahngewerkschaften bekämpfen diesen Börsengang der Bahn nicht, und die Transnet ist diejenige, die gerade den geringsten Widerstand entwickelt. In der informativen Broschüre der GDL zum aktuellen Tarifkonflikt (Fptv-fakten-broschuere.pdf) heißt es auf S. 22: „Die GDL hält die DB AG nach wie vor für nicht börsenreif und lehnt eine Börsengang daher zum jetzigen Zeitpunkt ab! Sollte sich der Bund als Eigentümer dennoch für einen Börsengang entscheiden, hat die Infrastruktur beim Bund zu verbleiben.“ Je mehr sich die KollegInnen durchsetzen und ihre Löhne angehoben werden, die Arbeitszeit verkürzt wird und die Arbeitsbedingungen verbessert werden, um so unattraktiver wird ein Börsengang.

Der ständische Charakter der GDL ist heute von untergeordneter Bedeutung. Sie kann vielmehr durch eine aktive Tarifpolitik die Situation bei der Bahn deblockieren und genau davor hat der Bahnvorstand Angst. Die Kraft holt die Gewerkschaft aus dem hohen Organisationsgrad und der Wut der KollegInnen über die jahrelangen Verschlechterungen ihrer Lebenslage, die letztlich den Börsengang erleichtern sollen. Und dass die GDL sich traut, den Weg des Kampfes auch alleine zu gehen, liegt nicht an der privilegierten Stellung ihrer Mitgliedschaft im Betrieb DB, sondern daran, dass sie mit Streiks enormen ökonomischen Druck ausüben kann.
7 Schwächen der Kampfführung
Bis zum Sommer hat der GDL-Vorstand auch noch recht eigenständig und ohne große Rückkopplung mit der Basis die Taktik festgelegt. Dies ist seit der Sitzung der Tarifkommission vom 1. Oktober etwas anders geworden, aber immer noch ist das Vorgehen von großen strategischen und taktischen Schwächen gekennzeichnet.

1.    Ist die Darstellung ihres Anliegens in der Öffentlichkeit sehr schwach. Die Betonung des „eigenständigen Tarifvertrages“ macht aus einem Instrument ein Ziel an sich und gibt dem Eindruck, hier kämpften zwei „Streithähne“, unnötige Nahrung. Es müsste stattdessen die Betonung auf den schlechten Arbeitszeiten (mangelnde Ruhepausen etc.) und der schlechten Bezahlung liegen. Nur so kann auch der Hetze mit den „überzogenen 31 Prozent“ entgegengetreten werden.

2.    Betreibt die GDL keine Bündnis- und
Überzeugungsarbeit gegenüber den anderen Gewerkschaften. Im Prinzip hat sie zwar eine starke Position, wenn sie streikt, aber das muss nicht so bleiben. Je mehr der Bahnvorstand durch seine Verzögerungspolitik das Gesetz des Handelns bestimmt, um so mehr wird die Öffentlichkeit gegen die GDL aufgebracht und um so schwieriger wird es, dem öffentlichen Druck zum Nachgeben standzuhalten. Deshalb kommt es auf das Bündnis mit den anderen GewerkschafterInnen an.

3.    Fehlt der GDL ein strategisches Gesamtkonzept zur Lösung der schlechten Arbeitsbedingungen bei der Bahn insgesamt. Dazu müsste sie sich vorbehaltlos gegen die Privatisierung der Bahn wenden und für ihren Ausbau kämpfen: größeres  Streckennetz, mehr Zugverbindungen, besserer Service, sinkende Fahrpreise, Subventionierung über kräftig steigende LKW-Steuern usw.

4.    Müsste die GDL konsequent mit allen Mitteln gegen den Chemnitzer Gerichtsbeschluss vorgehen und dazu auch die Einheitsfront mit den anderen Gewerkschaften einfordern. Wer diese Bresche im Streikrecht nur mit lauen Kommentaren beantwortet, der braucht sich nicht zu wundern, wenn der Gerichtsentscheid dauerhaften Bestand hat und nur die Vorstufe zu weiteren Einschränkungen darstellt.

5.    War es ein großer Fehler, sich überhaupt auf die Moderation einzulassen und es in diesem Zusammenhang zu akzeptieren, dass die Entlohnung des Zugbegleitpersonals kein Verhandlungsgegenstand mehr sein wird. Wenn diese KollegInnen nicht mehr mitstreiken dürfen, ist der unmittelbarste und wichtigste Bündnispartner zur Passivität verdammt. Damit scheidet auch die fortschrittliche Kampfform aus, wie wir sie aus Frankreich kennen, dass nämlich die Züge sehr wohl fahren, die Fahrgäste aber nicht bezahlen müssen, weil ihre Tickets nicht kontrolliert werden. Das wäre eine ideale Form gewesen, die Fahrgäste für den Streik zu begeistern und gleichzeitig die Bahn ökonomisch stark zu treffen.

6.    Hätte von vornherein die wichtigste Streikwaffe darin bestanden, den Güterverkehr zu bestreiken und damit die Unternehmen zu treffen, die aufgrund der dann unterbrochenen Just-in-time-Produktion den entsprechenden Druck auf die Bahn ausgeübt hätten.

7.    Verfolgt die GDL noch viel zu sehr die Taktik der Demonstrationsstreiks statt eines Durchsetzungsstreiks. Während der Verhandlungen nicht zu streiken, ermöglicht der Bahn immer wieder Zeit zu gewinnen und das Gesetz des Handelns an sich zu reißen. Streiks sollten gerade nicht befristet sein, sollten grundsätzlich unkalkulierbar sein und vor allem diejenigen wirtschaftlich treffen, die von der kapitalistischen Politik der Bahn am meisten profitieren.
Mit Sicherheit wird der Bahnvorstand aus diesem Streik seine Lehren ziehen. Er wird versuchen, die Belegschaft in unterschiedliche Gesellschaften aufzuteilen, so dass unterschiedliche Tarifverträge mit unterschiedlichen Laufzeiten entstehen, um die EisenbahnerInnen zu zersplittern. Er wird also nicht nur die ZugbegleiterInnen von den Lokführern trennen wollen, sondern wird auch versuchen, den Güterverkehr von den Beschäftigten des Personenverkehrs zu trennen usw. Eine breite Einheit aufbauen wird in der Zukunft noch entscheidender sein.

 

Anhebung der Vorstandsgehälter
Laut DB-Geschäftsbericht stiegen 2006 die Gesamtbezüge des achtköpfigen Vorstands um 62,5 % auf 20,143 Mio. €. Der Aufsichtsrat, der die Bezüge des Vorstands genehmigt, verdreifachte seine Bezüge auf 875.000 €. Man sollte wissen: Der Aufsichtsrat kommt nur ein paar Mal zusammen. Die meisten Mitglieder des Aufsichtsrats sind gleichzeitig Mitglieder in anderen Aufsichtsräten.

 

 

Einkommensvergleich von Lokführern in Europa
Beispiel 1
25 Jahre alt, keine Kinder, 2 Jahre Berufserfahrung

–    Deutschland: 1.438 bis 1.588 €
 –    Schweiz: 2.907 bis 3.157 €
–    Frankreich: 2.770 €
–    Spanien: 2.650 €
Beispiel 2
40 Jahre alt, zwei Kinder, 17 Jahre Berufserfahrung
 
–    Deutschland: 1.778 bis 1.928 €
–    Schweiz: 4.705 bis 4.985 €
–    Frankreich: 2.770 €
–    Spanien: 3.140 €

jeweils Nettogehalt im Schnitt (einschl. Zulagen) 

 

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