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Betrieb & Gewerkschaft

ver.di-Bundeskongress – Vertagen und vertuschen

Von Thadeus Pato | 01.12.2007

Als der ver.di- Bundeskongress nach knapp einer Woche am 5. Oktober zu Ende ging, blieben eine ganze Reihe Anträge auf der Strecke, über die „aus Zeitmangel“ nicht mehr beraten werden konnte. Das Beste an diesem Bundeskongress allerdings war, dass das vom Vorsitzenden Bsirske gepushte neue Programm nicht verabschiedet wurde. Die Bilanz der nach der Gründung der größten, inzwischen nur noch zweitgrössten, deutschen Gewerkschaft für die Jahre nach dem Zusammenschluss von ÖTV, hbv, DPG, DAG und IG Me­dien zur neuen Großgewerkschaft ist nicht gut.

Als der ver.di- Bundeskongress nach knapp einer Woche am 5. Oktober zu Ende ging, blieben eine ganze Reihe Anträge auf der Strecke, über die „aus Zeitmangel“ nicht mehr beraten werden konnte. Das Beste an diesem Bundeskongress allerdings war, dass das vom Vorsitzenden Brsirske gepushte neue Programm nicht verabschiedet wurde.

Die Bilanz der nach der Gründung der größten, inzwischen nur noch zweitgrössten, deutschen Gewerkschaft für die Jahre nach dem Zusammenschluss von ÖTV, hbv, DPG, DAG und IG Me­dien zur neuen Großgewerkschaft ist nicht gut.
Ver.di hat seitdem sage und schreibe 20 % der Mitglieder verloren. Das hat nicht nur mit der für alle Gewerkschaften negativen Folgen der Deregulierung des Arbeitsmarktes zu tun. Vor allem die letzten Tarifauseinandersetzungen kann man, trotz des hohen Einsatzes der KollegInnen an der Basis, weder vom Verlauf noch vom Ergebnis her als großen Erfolg bezeichnen. Insbesondere im – durch die neue Organisationsstruktur stark ausgedünnten – „Mittelbau“ hakt es gewaltig. Beim Krankenhausstreik mussten die Funktionäre teilweise zum Jagen getragen werden.

Und der Abschluss bei der Telekom war ebenso wenig geeignet, neue Mitglieder für ver.di zu gewinnen, wie der neue Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst. Man hätte also erwartet, dass der Unmut an der Basis sich in entsprechenden Debatten auf dem Gewerkschaftstag niederschlagen würde.
Programm und Positionen
Frank Bsirske hatte sich persönlich für das neue Gewerkschaftsprogramm ins Zeug gelegt. Aber an diesem Punkt nutzten ihm auch die satten 94 % nichts, die er bei seiner Wiederwahl bekam. Er bekam heftigen Gegenwind. Unter anderem hatten der Fachbereich Post, Spedition und Logistik sowie der Landesbezirk Hessen Alternativentwürfe vorgelegt und die bundesweite ver.di-Linke auf der Basis des Papiers aus Hessen und einer Initiative der NRW-ver.di-Linken Grundzüge eines Gegenentwurfes formuliert. Und so wurde ein Kompromiss geschlossen: die Programmdiskussion wird bis zum nächsten Gewerkschaftstag 2011 fortgeführt, abgestimmt wurde nicht. Das war einer der Punkte, in denen sich der Widerstand der Gewerkschaftslinken auszahlte. Denn der vorliegende Programmentwurf hätte den sozialpartnerschaftlichen und systemaffirmativen Kurs der Bsirske-Führung endgültig festgeschrieben. Es war nicht der einzige, aber der wichtigste Tagesordnungspunkt, in dem die Linke einen Teilerfolg erzielen konnte – wenn auch nur dahingehend, dass Schlimmeres verhindert wurde. Daneben wurden allerdings in entsprechenden Beschlüssen auch Bundeswehreinsätze im Inneren abgelehnt und die Kampagne für ein NPD-Verbot unterstützt – wobei man allerdings zu letzterem Punkt geteilter Meinung sein kann. Zur Frage der Bahn-Privatisierung wurden eindeutige Aussagen formuliert: „Im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung des Verkehrssektors fordert ver.di, dass die Deutsche Bahn AG als integriertes Unternehmen vollständig in öffentlichem Eigentum verbleibt.“
Was die Forderung nach einem Mindestlohn betrifft, so wurde auch hier wieder vertagt: Ein Antrag zu 10 € Mindestlohn plus 35-Stundenwoche ging ohne Abstimmung als „Arbeitsmaterial“ an den Bundesvorstand.
Die Bilanz?
Ein Aufbruchssignal war von diesem Bundeskongress nicht zu erwarten gewesen, und folgerichtig wurden die wesentlichen Probleme von ver.di auf diesem Kongress auch nicht gelöst: Die Folgen der Fusion, nämlich die Ausdünnung in der Fläche, verbunden mit der unausgesprochenen Weiterexistenz der alten Seilschaften, sprich, Einzelgewerkschaften, bleiben bestehen. Der Zusammenschluss bleibt so ein administrativer Akt, auf der Ebene der konkreten Arbeitskämpfe ist ver.di bisher den Beweis schuldig geblieben, dass die Fusion Synergieefekte generiert hat.

Der sozialpartnerschaftliche Kurs der Führung konnte zwar nicht, wie geplant, durch ein neues Programm festgeschrieben werden, aber findet de facto statt – wie die Reaktion des Vorstands auf den GDL-Streik zeigt. Und der Versuch, die (trotz grünem Vorsitzenden) SPD-Vorherrschaft in ver.di anzugreifen, blieb erfolglos. Sämtliche Kandidaten der Linken fielen bei der Vorstandswahl durch.

So hinterlässt der Gewerkschaftstag einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits ist es der ver.di-Führung gelungen, brisante Punkte zu entschärfen oder zu vertagen und sie brachte eine Entschließung zur Subventionierung eines zweiten Arbeitsmarktes durch (wogegen sich die Vertreter der Erwerbslosen heftig gewehrt hatten), andererseits wurde ein Antrag verabschiedet, in dem der Vorstand aufgefordert wurde, sich für ein allumfassendes Streikrecht, einschließlich des politischen Streiks und des Generalstreiks, einzusetzen, die Gewerkschaftsmitglieder über seine Notwendigkeit zu informieren und für einschlägige Aktivitäten zu mobilisieren.

Übrigens: Die KandidatInnen der Linken fielen, wie bereits erwähnt, allesamt bei der Vorstandswahl durch. Der CDU-„Arbeitnehmerflügel“ allerdings bekam in Gestalt von Elke Hannack seinen Vorstandsposten…

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