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Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde im Öffentlichen Dienst 2008: Für mehr Geld und kürzere Arbeitszeit kämpfen!

Von Clarissa L. | 13.12.2007

Die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst 2008 steht unter zwei völlig entgegen gesetzten Vorzeichen: Zum einen die sehr schwere Hypothek der letzten Tarifrunde, die zu gravierenden Verschlechterungen führte, zum anderen der Kampf des Fahrpersonals bei der Bahn, der gerade vorführt, dass abhängig Beschäftigte auch in Zeiten des Neoliberalismus kämpfen können. Viel wird vom Ausgang des Kampfes des Fahrpersonals bei der Bahn abhängen.

Die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst 2008 steht unter zwei völlig entgegen gesetzten Vorzeichen: Zum einen die sehr schwere Hypothek der letzten Tarifrunde, die zu gravierenden Verschlechterungen führte, zum anderen der Kampf des Fahrpersonals bei der Bahn, der gerade vorführt, dass abhängig Beschäftigte auch in Zeiten des Neoliberalismus kämpfen können.

Viel wird vom Ausgang des Kampfes des Fahrpersonals bei der Bahn abhängen. Wenn sich LokführerInnen und ZugbegleiterInnen einigermaßen erfolgreich durchsetzen, wird dies ganz ohne Zweifel großen moralischen Auftrieb geben.

Im Laufe der letzten beiden Jahre haben Hunderttausende Beschäftigte im Öffentlichen Dienst die Erfahrung machen müssen, dass der katastrophale Abschluss des Tarifvertrags Öffentlicher Dienst (TVöD) vom Sep. 2005 zu bedeutsamen Einschnitten führt. Der TVöD hat einen neuen Niedriglohn eingeführt (Entgeltstufe 1 mit 1286 € brutto, das sind rund 300 Euro niedriger als die unterste Gehaltsstufe im BAT), getreu dem Motto: Wenn uns die Gegenseite mit Erpressung droht (Ausgliederung dieser Beschäftigtengruppen in neue Gesellschaften) dann stimmen wir auch der Verschlechterung zu, Hauptsache wir haben das wieder „eingefangen“!
Weitere Verschlechterungen des TVöD:

  • • Einführung eines Leistungsentgeltanteils, der jetzt mit einer Absenkung des Weihnachtsgeldes und dem Wegfall des Kinderzuschlags finanziert wird (=1% der „Lohnsumme des Vorjahres“, als erste Stufe eines noch auszuhandelnden Abkommens zur Einsparung von insgesamt 8% zur Finanzierung des Leistungsentgeltes).
  • Verlängerung der Arbeitszeit und dabei vor allem die Meistbegünstigungsklausel, nach der die Vereinbarung einer längeren Arbeitszeit mit einem „Arbeitgeber“ gleichzeitig ein Angebot an die anderen „Arbeitgeber“ darstellt, auch dort die Arbeitszeit entsprechend zu verlängern.

Gewerkschaftstag voll im Griff der Bürokratie
Der Unmut über den TVöD war eines der bestimmenden Themen auf dem Gewerkschaftstag. Aus den Bezirken gab es viele Anträge dazu. So wurde in einigen Anträgen die Abschaffung des Leistungsentgeltes verlangt, andere verlangten die Abschaffung der neu eingeführten Entgeltstufe 1, viele äußerten sich verärgert über die Meistbegünstigungsklausel usw. Aber die Bürokratie hatte den Ablauf voll im Griff. Für die Gewerkschaftsbürokratie unangenehme oder heikle Anträge wurden an das Ende der Tagesordnung gehievt. So fiel der Antrag zur Abschaffung des Leistungsentgeltes (zusammen mit 90 anderen Anträgen) wegen Zeitmangel unter den Tisch und wurde nur als Material an den Gewerkschaftsrat verwiesen. Auch der Antrag auf 10 € Mindestlohn wurde als „Arbeitsmaterial“ an den Bundesvorstand überwiesen.
Tarifrunde 2008
Der Tarifvertrag der Länder (TV-L) ist zum 31. 12.2008 kündbar. Der TVöD (Bund und Kommunen) ist zum 31. 12. 2007 gekündigt. Am 18. 19. Dezember wird die Tarifkommission ihre Forderung beschließen und mit dem DBB abstimmen.
Im Bewusstsein der Beschäftigten spielt jetzt eine Rolle:

  • die bessere Konjunktur und die Abschlüsse in der Industrie in diesem Jahr, die zwar nicht berühmt sind, aber sich doch deutlich von dem Schlechterstellungstarifvertrag TVöD unterscheiden.
  • die steigenden Steuereinnahmen und vor allem die ständige Debatte über die Frage, wofür die Mehreinnahmen zu verwenden sind. Warum sollen damit immer nur andere Etatposten was abbekommen, nicht aber die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes?
  • die Steuergeschenke für das Kapital (ab 1. Januar weitere 6,4 Mrd.) und die Belastungen der Lohnabhängigen;
  • die steigenden Preise (Energiekosten etc.; die offizielle Teuerungsrate liegt jetzt bei 2,4%).

Selbst Kurt Martin (der „Tarifexperte“ des Vorstands) sagt: „Unter Berücksichtigung der gestiegenen Lebenshaltungskosten sind die Realeinkommen der Beschäftigten in den vergangenen Jahren sogar gesunden – auch im ÖD.“
Offiziell geht die Verdi-Führung mit dem Wunsch nach kräftigen Einkommenssteigerungen in die Tarifrunde. Es gibt aber nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass sie ihre Grundeinstellung geändert hätte, dass nämlich die „öffentliche Hand“ nur begrenzte Mittel hat, dass wir sparen müssen usw. Beunruhigend ist vor allem, dass sie sich in der Frage der Arbeitszeit völlig abwartend verhält und nur hofft, dass die VKA (Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände) nicht die Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung in die Tarifrunde einbringt. Selbst eine Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit einzubringen kommt diesen Bürokraten überhaupt nicht in den Sinn. Ihre Einstellung: Ruhe halten, damit wir in Ruhe gelassen werden.
Was zu fordern wäre

  • Es braucht eine kräftige Lohnerhöhung. Am besten ist eine Festgeldforderung. Würden die KollegInnen massenhaft 300 € mehr verlangen, könnte dies eine gewisse Auswirkung auf den Verlauf der Runde haben, aber auch nur dann, wenn sich aktive Strukturen bilden, die keine Ruhe geben.
  • Kein Abschluss unter dem BAT (bzw. dem BMT-G, MT Arb. usw.). Abschaffung der Entgeltstufe 1.
  • Weg mit der Leistungsentgeltregelung und Wiederherstellung der Bezahlungen (Weihnachtsgeld und Kinderzuschlag) mit denen angeblich das Leistungsentgelt (das es noch gar nicht gibt) finanziert werden soll.
  • Abschaffung der Meistbegünstigungsklausel und Verkürzung der Arbeitszeit um mehrere Stunden in einem Schritt bei vollem Entgelt- und Personalausgleich.
  • Keine Kompensationsgeschäfte
  • Gegen Privatisierungen und Ausgliederungen.

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